Zwischenräume im Tagebuch von Jeannine Laube-Moser. Wilhelm Kastberger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Wilhelm Kastberger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742775511
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kann ich den Tanz auswendig - bis auf ein paar Kleinigkeiten halt, weil aschling unten durch muss hier eh der Froschkopf, der Herbert oder sonst ein männlicher Tänzer durchstehen. Und ich nicht – verstehst mi!

      Nach einer ausgiebigen, von mir ins Leben gerufenen Recherche, bleibt mir nichts anders übrig, als den zuletzt genannten bergbauenden Pinzgauer in Schutz zu nehmen. Hinter vorgehaltener Hand wurde mir nämlich in einer Tanzverschnaufpause unlängst zugeflüstert, dass der Verursacher dieser Verwicklungen auch ein Tiroler gewesen sein könnte. Niemals aber ein Burgenländer, weil die trauen sich das gar nicht! Aber nix Genaues weiß man nicht.

      Es ist somit nicht ausgeschlossen, dass dieser mir Unbekannte noch wesentlich gröbere Qualen mit den Haxen der Tänzerinnen und Tänzer, vor allem aber mit den Frauen, anzustellen wusste. Es wird in den Kreisen der Kenner vermutet, dass sich der mutmaßliche Tiroler mit einer bezähmten musikalischen Darstellungsweise bei den arglosen Pinzgauern eingeschmuggelt hatte, um diese Bevölkerungsschicht nach tirolerischem Muster einzuwickeln.

      So nebenbei habe ich mir sagen lassen, dass die haufenweise in den Tiroler Volkstanzln eingebauten, sehr anspruchsvoll darzustellenden Figuren, angeblich ausgefuchste Heilkünstler erfunden haben sollen. Es müssen sozusagen Spezialisten gewesen sein, die Volkstänzerinnen und Volkstänzer mit altersschwach gewordenen Wirbelelementen, freilich auch mit mancherlei verkrampften Muskulaturen, buchstäblich wieder auf ihre eigenen Füße stellen konnten. Mithilfe dieser Chiropraktik–Volkstanztechniken, im Zusammenspiel mit dem gesellschaftsfreundlichen Volkstanzkreis, soll es aufgrund neuerster Forschungsergebnisse, angeblich auf spielerisch tänzerische Art und Weise, möglich sein, derartige Gebrechen bei Patienten zu beseitigen. Selbstverständlich kommen dabei, aber höchst selten, ein- bis zwei Mal jährlich, zusätzliche nervenberuhigende Depotspritzen, in Form von Gspritzten, in Anwendung.

      Historiker behaupten wiederum völlig was anderes. Sie führen in aufwändig durchgeführten und sehr ausführlich publizierten Studien an, dass die tirolerischen Figurentänze aus den Archiven der Tiroler Freiheitskämpfer eins zu eins übernommen worden sein könnten. Volkskundler hingegen meinen, dass zu damaliger Zeit, möglicherweise nach dem Genuss von Lebakas mit Zwiebelringen, ein zwingender Verdauungstanz üblich gewesen war. Wie es auch gewesen sein mag, es waren halt grausige Zeiten.

      Ich kann nur hoffen, dass es in der pinzgauerischen Volkstanzkultur in Zukunft auch keinen Dirndl zu verknebelten Fechttanz geben wird, weil so einer könnte allein schon aus Tradition zu den Kreuzzügen von den Brambergern zum Beispiel, als Ausgleich zum Tiroler Brauchtum, ebenso hier vor Ort nachmodelliert werden.

      Abschließend möchte ich noch klar zum Ausdruck bringen, dass ich im Moment nicht mehr für weitere Diskussionen bereit sein kann. Du musst Dir nämlich vorstellen, ich übe seit zwei Stunden schon ununterbrochen an meiner Hausaufgabe …

      Ferse – Spitze – Wechselschritt … Ferse – Spitze – Wechselschritt …

      4 Bernie´s Kindermund

      Eines möchte ich hier gleich am Anfang als hilfreiche Orientierung, insbesondre für Dich, anmerken. Es ist gar nicht so einfach, eine halbwegs zusammenhängende Geschichte aus dem Gedächtnis wiederzugeben. Noch dazu aus meinem verworrenen Hintergrundpotential. Das ist schriftstellerische Schwerarbeit, um nicht den verwechselbaren Begriff einer literarischen Leibeigenschaft hier anwenden zu müssen.

      Na ja, Du musst es so sehen: Ein kleines Mädchen, so um die vier, knapp fünf Jahre alt, hatte sie mir erzählt. Vielleicht kannst Du Dich eh noch an die kleine Bernie erinnern. Irgendwann einmal habe ich sie bestimmt Dir gegenüber schon erwähnt. Sicher sogar habe ich sie schon irgendwo in ein paar Zeilen vorgestellt. Du weißt es nicht? Gut, dann habe ich Dich mit jemand ganz anderem verwechselt.

      Also Du weißt es ja eh schon. Bernie ist ein liebes, aufgewecktes kleines Mädchen. Sie wohnt mit ihrem Vater Alfred, mit ihrer Mutter Renata und ihrem älteren Bruder Pauli irgendwo in Kaprun. Renata, das solltest Du auch wissen, ist die Tochter meiner unter mir wohnenden Nachbarn Froschkopf. Renata hat noch die um zwei Jahre ältere Schwester Roswitha. Die wohnt allerdings angeblich mit ihrer Familie in Nordamerika. Aber viel mehr weiß ich über die Familienverhältnisse der Froschkopfs auch nicht. So ist es halt, wie es ist.

      Bernie kommt gerne zur Oma und zum Opa auf Besuch. Wenn ich ehrlich sein sollte, dann müsste ich vermerken, dass sie sich eigentlich mehr zum Opa hingezogen fühlt. Wenn sie schon mal im Haus ist, dann besucht sie mich. Fast immer habe ich für Bernie einen Marmorkuchen auf Reserve irgendwo im Speisekasterl. Nicht nur Bernie mag diesen sehr gerne, sondern auch meine Freundin Margot. Weil die ist nämlich als Frau ein überdurchschnittlich versagendes Backgenie.

      Margot kann beim besten Willen es sich selbst nicht erklären, wie ich es immer wieder fertigbringe, dass der helle Teig sich mit dem dunklen in der Backform in ein derart kompliziertes Mischverhältnis wagt und sich dann auch noch ungeniert backen lässt. Vorgeführt habe ich das der Margot schon öfters und ihr überdies anschaulich erklärt, dass man nur mit der groben Gabel Muster in die Teigmasse kratzen bräuchte, um am Ende diesen herrlichen Anschnitt bewundern zu können. Freilich geht es auch anders. Man kann mit Zahnstochern auch im Teig herumwurschteln, dann kommen halt andere Muster dabei heraus. Letztlich wird der Marmorkuchen so und so auch verspeist. Nur aufgepasst, das mit den Zahnstochern meine ich. Wenn einer nämlich abbricht und Du merkst es nicht, na dann …

      Es könnte an einem Freitag gewesen sein. Oder war es doch der Mittwoch? Im Grunde ist es ja egal! So gegen drei Uhr nachmittags war´s auf alle Fälle und ungefähr zwei drei Wochen vor Weihnachten war’s auch. So ungefähr dürfte das mit der Zeit schon hinkommen. Also da klopfte es halt an meiner Wohnungstür. Klopfen ist zwar nicht der passende Ausdruck dafür. Es bumperte eher, und zwar ordentlich laut, obwohl eine elektronische Bimmel-bammel-bummel-Einrichtung, mit gut sichtbarem roten Druckknopf draußen rechts an der Wand, gleich neben meiner Wohnungstür, verfügbar gewesen wäre.

      Leise, ohne den geringsten Lärm zu machen, schlich ich mich an die Tür heran, guckte durch den winzigen Spion hinaus - und sah – nichts! Gleich darauf bumperte es abermals, immerhin nicht mehr so laut, aber doch laut genug, dass ich beinahe einen Schreck bekommen hätte, wenn ich von Natur aus schreckhaft gewesen wäre. Also gut, ich habe mein Herz aus dem Hosenboden wieder in eine halbwegs normale Stellung gebracht und mich entschlossen, einen winzigen Spalt der Türe zu öffnen.

      Und da stand sie - die Bernie. Sie wollte mich ja nur besuchen, sagte sie, weil es ihr bei ihrer Oma, die ja unter mir wohnt und noch dazu Valentina Feitelkramer-Froschkopf heißt, fad ist. Die Frau kennst Du ja auch schon zur Genüge.

      Auch gut dachte ich mir, Bernie möchte wahrscheinlich einen Marmorkuchen. Ich habe am Vormittag wieder einen gebacken. Der Duft von Schokolade und Vanille dürfte sich wieder einmal im Haus verbreitet haben. Es war also kein Geheimnis. Ich habe frischen Marmorkuchen in Bereitschaft.

      Am Küchentisch stand schon ein Kuchenteller mit einem verführerischen Stück davon und daneben stand eine Tasse Kaffee.

      Bernie war schon sehr aufgeregt, als sie hereinkam. Sie war in Erwartung, nach einer Zeit der Entbehrung, ein Stück Marmorkuchen von mir zu kriegen und genüsslich schnabulieren zu dürfen. Rasch holte ich noch ein Teller aus dem Küchenkasterl heraus und schnitt ein großes Stück vom Marmorkuchen ab. Ich weiß es ja, Bernie ist ein kleines Schleckermäulchen.

      Was Bernie mir dann in ihrer Erzählfreude bei einem lauwarmen Kaukau und Marmorkuchen alles brühwarm auf den Tisch geklatscht hatte, könnte ich beim besten Willen nicht mehr zur Gänze reproduzieren, wenn ich mir nicht einerseits Notizen gemacht und als Ergänzung heimlich stückweise das Gespräch mit meinem Smartphone aufgenommen hätte.

      Ich versuche halt so gut es eben geht, Dir hier und jetzt die teilweise sehr leidenschaftlich hervorsprudelnde Erzählfreude, die aus dem Mund der Bernie, gekonnt vermischt mit Kuchenbröseln und Rührankaukau einigermaßen zusammenhängend zu berichten.

      Nur eines noch! Bitte sei so gut und erzähle die folgenden Episoden von Bernie nicht an unsere gemeinsamen Freunde weiter, sonst würde ich mir womöglich noch ein weiteres Problem mit meiner unteren Nachbarin, der Valentina Feitelkramer-Froschkopf, aufhalsen.

      Also