Zwischenräume im Tagebuch von Jeannine Laube-Moser. Wilhelm Kastberger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Wilhelm Kastberger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742775511
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Schäden mehr. Der letzte Bohnendosenunfall war genug, das sagte jedenfalls der Versicherungsmensch zum Papa.

      Wenn ich nun der Mama das heilige Versprechen abgegeben hätte, brav neben dem Wagerl zu bleiben, dann wäre ich vielleicht aus dem Gefängnis herausgekommen. Weil ohne ihre Hilfe könnte ich das ja gar nicht. Auch nicht einmal könnte ich den klitzekleinsten Fluchtversuch unternehmen, geschweige denn in so ein Prachtexemplar von einem roten Plastikauto hineinzusteigen.

      Wenn nur ich und mein Papa im Geschäft gewesen wären, dann hätte er mir das sicherlich nicht verboten. Erstens hört er im MAXI Markt kaum was und zweitens schaut er nur so herum oder auf die Uhr. Die Mama braucht nämlich viel zu lange zum Einkaufen. Wenn sie beispielweise zwei Paprika, oder sagen wir vier, also einen grünen, einen gelben und zwei rote kaufen möchte, na ja, dann kann es schon sein, dass sie fast so viel Zeit verplempert, wie der Papa braucht, wenn er eine Tageszeitung von vorn bis hinten durchliest.

      Nur der Papa hätte mich auch nicht in den Einkaufswagen hineinsetzt, weil er nimmt ja seit meinem Dosenunfall nie mehr einen mit. Das macht nur die Mama. Bei ihr muss ich mich in so einen hineinzwängen und das immer nur vor Weihnachten. Begreifst du das? Ich kann doch gehen! Schau her, bitteschön, geht doch. Oder?

      Der Papa setzt sich ja selbst auch manches Mal hinter ein Lenkrad von einem tollen Gebrauchtwagen. Die Knallroten sind ihm am Liebsten. Dabei tut er so, als gehöre das Vehikel eh schon uns. Aber Schneckn!

      Von der Mama kann ich noch viel lernen. Sie ist eine tolle Schauspielerin. Du kennst sie ja ein bisschen. Sie macht das ganz genauso wie die Frau – ich weiß nicht, wie sie genau heißt – Stöckelschuh oder so ähnlich. Ja genau, die bei den Rosenheim-Cops mittut! Ist eh egal. Das schau ich manchmal zusammen mit der Mama an, bevor ich ins Bett gehen muss.

      Also die Mama greift dann langsam in ihre rote Umhängtasche hinein. Sie macht das genauso langsam wie die Frau Stöckelschuh, damit es ja alle rund um uns sehen können. Sogar auch mein größerer Bruder der Pauli könnte das beobachten, wenn er zufällig mit von der Partie ist. Der Pauli ist nämlich auch so Auto narrisch, wie der Papa.

      Ja, bitte gerne, noch ein bisschen warmen Kaukau dazu, das freut sicherlich auch den Marmorkuchen in meinen Bauch. Aber nichts meiner Mama sagen … und der Oma bitte auch nicht.

      Weißt du, sie hat zuhause auch eine blaue, ja eine Handtasche halt, die nimmt sie aber nur dann, wenn sie alleine ist oder mit mir zum Einkaufen geht.

      Also gut nochmal! Für dich ganz alleine Oma Schani zum Mitschreiben. Sie zieht dann aus der roten Tasche sehr, sehr langsam ihre Geldbörse heraus, öffnet sie auch nur so zum Schein - genauso tut sie das, so wie ich jetzt dir zeige - dann schüttelt sie mit einem aufgepressten ernsten Gesichtsausdruck ihren Kopf hin und her, nimmt die Geldbörse in die andere Hand, ja genau wie im Film die Frau Stöckelschuh bei den Rosenheim-Cops, und gibt sie wieder in die rote Umhängetasche zurück. Das war’s dann. Ich weiß bis heute nicht, was das sein soll. Aber ich glaube der Papa kapiert das auch nicht.

      Du Oma Schani, was sind eigentlich Cops? Kann man die Cops lutschen oder einkleben. Aha - so net …

      Wahrscheinlich will die Mama mit ihrem Geldbörserltrick mir und dem Papa damit nur weißmachen, dass sie im Moment halt etwas zu wenig Kleingeld hat. Und schon wurde Papas Traum wieder einmal weggewaschen. Nein, nein, geweint hat er nie. Gemotzt hat er schon. Aber zur Strafe muss er sich wieder in seine - nicht in unsere, so sagt das auch die Mama - alte verbeulte Blechkiste hineinzwicken. Ich habe ja einen funkelnagelneuen grünblau gestreiften Kindersitz, den der Papa irgendwann einmal bei einem Flohmarkt beim MAXI Markt um sündteure dreizehn Euro gekauft hatte. Aber da war mein Bruder der Pauli schon zwei Jahre alt und jetzt geht er schon längst in die Schule und den Kindersitz braucht er ja nimmer.

      Ach ja, ich muss dir doch noch schnell die Geschichte vom Kindergarten erzählen. Die habe ich nämlich gestern vergessen. Du weißt ja noch, aber ich sage es dir noch einmal. Alle, na ja, fast alle, sind sehr nett zu mir. Auch der Baldi, der Flegel. Er ist aber mein bester Freund. Nur unsere Kindergartentanten in der Schneckerl Gruppe sagen zu ihm Flegel öfters. Eigentlich darf ich seit vorgestern nicht mehr Tanten sagen. Ich muss Pädagoginnen zu ihnen sagen, obwohl ich gar nicht weiß, was das sein soll. Das eine weiß ich schon, in Wirklichkeit sind sie ja auch keine Tanten nicht. Jedenfalls nicht die meinen und dem Baldi seine schon gar nicht.

      Ich habe schon irgendwo zwei echte Tanten. Nur eine davon ist ein bisschen weniger echt. Wir sagen nur so zu ihr, weil sie mir und meinem Bruder Pauli, der übrigens eine viel, viel größere Naschkatze ist als ich, Süßigkeiten heimlich zusteckt. Und wegen dem ist sie halt unserer Tante geworden. Ganz einfach, oder? Du bist ja auch meine Oma Schani und nicht meine echte, oder?

      Ganz anders ist die echte Tante. Die kommt vielleicht einmal in den Sommerferien zu uns, bringt unseren gesamten Familienzeitplan durcheinander, wie der Papa sagt, und verschwindet dann wieder für ein Jahr oder mehr.

      Und wenn sie wiederkommt, dann kenne ich sie nicht mehr. Das ist mir aber wieder wurscht, weil der Papa sagt dann, wir, damit meint er mich und meinen Bruder, sollen wenigsten die paar Tage so halbwegs brav sein, solange die alte Schreckschraube bei uns wohnt.

      Weißt du Oma Schani, er hatte tatsächlich Schreckschraube gesagt! Ich habe mir zwei Tage lang in meinen Träumen so eine Schraube vorstellen müssen. Das war schrecklich, das kannst du mir schon glauben. Ich holte mir auch aus der Werkzeugkiste vom Papa eine Schraube nach der anderen heraus, hielt diese zwischen meinen Fingern in die Luft und verglich sie mit dem Gesicht der Tante. Ich kann dir versichern, dass der Papa nur schöne und keine solchen Schreckschrauben in seinem Werkzeugkoffer gehabt hat.

      Ich muss jetzt gschwind aufs Klo … nein ich geh besser zur Oma hinunter und komm dann schon wieder rauf zu dir.“

      05 Da Spur Sepp und da Pfarra

      Jeder und jede von uns in der Gemeinde, also auch ich, kann zum Herrn Pfarrer Bartl Fuchskrapfen gehen und ihn um einen Gefallen bitten. Freilich auch um einen heiligen Segen, dass mir zukünftig keine angeschwärzten Kasnockn mehr gelingen mögen. Weil an-schwärzten möchte ich schon gar niemanden nicht. Auch nicht meine Nachbarin, die Valentina Feitelkramer-Froschkopf.

      Allerdings ohne telefonische oder gar schriftliche Voranmeldung bei seiner umsichtigen Haushaltsmitarbeiterin geht es prinzipiell eigentlich niemals. Und schon gar nicht an Sonn- und Feiertagen. Da ist ja dem Hochwürden sein Hauptarbeitstag, obwohl das Gebot der Sonntagsruhe, nicht nur bei der Hausfrauengewerkschaft eine Forderung gewesen war.

      Dem Pfarrer ist es völlig wurscht - Sonntagsruhe hin oder her - ob der auf ihn zugehende Mensch ein Gläubiger ist oder keiner. Nur die lupenreinen Teufelsaustreiber, also jenen harten Kern, der sich aus den männlichen und vielmehr noch aus den weiblichen Über-katholischen hervorgetan hatte, solche Schafe in seiner Herde liebt er nicht so besonders. Und seine liebevoll für ihn umsorgende weibliche Kratzbürste kann die Knieschemelpolierer ohnehin nicht ausstehen.

      Derartige Schafsböcke, so meinte der Pfarrer in vertraulichen Ge-sprächen im Wirts- oder Caféhaus über das heilige Beichtgeheimnis, gibt’s in unserer Nachbargemeinde auch. Das verkündete er angeblich immer und immer wieder. Zwar tut er das nicht ausge-sprochen direkt in seinen Sonntagspredigten, aber halt so nebenbei. Eines Tages wollte ich ihn, in einer für mich jedenfalls mysteriösen Angelegenheit, sprechen.

      Pfarrer Bartl Fuchskrapfen ist ein Studierter. Das habe ich lange Zeit nicht gewusst. Er soll sogar ein Doktor sein, aber nebenbei auch ein Magister. Das ist er durchaus. Bevor er in unsere Ge-meinde versetzt worden ist, hatte er draußen in Bayern die klös-terliche Disziplin erfahren dürfen, wie er einmal gemeint hat. Aber um sich aus dieser zu befreien, hatte er dann den Doktor der Psy-chiatrie gemacht. Eigentlich ist er auch ein Psychotherapeut. Das bitte wissen nur einige seiner Mitbrüder und auch die halbe Ge-meinde hier im Dorf.

      Nun weißt Du es auch. Aber bitte erzähle es nicht den andern wei-ter, weil das geht den Ungläubigen in den entfernteren Nachbar-gemeinden gar nichts an. Derartiges Werbetrommelrühren, im Hinblick auf seine psychotherapeutischen Sprechstunden, meine ich, will nämlich der Hochwürdige Herr überhaupt nicht. Sonst müsste er womöglich noch einen weit größeren Zulauf seiner Schäfchen