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sich wieder aus seinem Andrucksessel zu erheben, zwang sich aber, sitzen zu bleiben. »Was zur Hölle will sie dort?« Er erwartete von niemandem eine Antwort und ärgerte sich insgeheim, dass er seinen Gedanken akustisch freien Lauf gelassen hatte. Ich muss mich besser unter Kontrolle haben, ermahnte er sich stumm. Dann schob sich das Bild einer schwarzhäutigen Frau vor die Szene der fernen Raumschlacht. Und ich muss zugestehen, dass ich Black Ice nicht mehr kenne. Die Ereignisse der letzten beiden Jahre haben sie verändert. Sie ist unberechenbar geworden. Als er den Flug ihres – natürlich immer noch im Tarnmodus fliegenden  Schiffes verfolgte, drängte sich eine neue Frage nach vorn: Habe ich sie je wirklich gekannt?

      Die Frau, an die Mister Green gerade dachte, schüttelte ihren Kopf und wandte sich an die beiden Pazifisten. »Können Sie das erklären, Siyoss? Oder Sie, Bozadd? Wer kämpft dort gegeneinander?«

      Siyoss ließ ihre Zunge aus dem Mund schnellen und von links nach rechts gleiten, was so viel wie Ich-bin-mir-nicht-sicher bedeutete. Bérénice hatte die Geste schon öfter gesehen und mittlerweile lesen gelernt. »Sie haben keine Ahnung, nicht wahr?«

      Die Mazzarfrau blinzelte einmal rasch mit ihren Nickhäuten, der allgemeinen Geste für Zustimmung. Bozadd hingegen starrte auf den Frontbildschirm und schien anderer Meinung zu sein. Als er sich Bérénice, Naya und Siyoss zuwandte, sahen selbst die Menschen in seinen Augen Verzweiflung aufschimmern. »Auf keinen Fall Pazifisten«, betonte er und warf einen raschen Blick auf seine Parteigefährtin. »Aber vielleicht haben sich … radikalere Flügel der Traditionalisten und der Modernisten entschlossen, die immer spürbarer werdende Stagnation unseres Volkes aufzubrechen. Leider mit dem dümmsten Mittel, das man dafür einsetzen kann.«

      »Krieg«, warf Naya ein und sah, dass die Mazzar ihre Antwort mit ihren Zungenbewegungen bestätigten.

      »Noch schlimmer: Bürgerkrieg«, sagte Bérénice und ließ sich in ihren Sessel fallen. »Die Hydren massakrieren die Mazzar. Die sehen sich in einen Angriff auf die Menschheit getrieben. Bis vor Kurzem: Menschen gegen die Mazzar … und wohl bald auch gegen die Hydren. Und jetzt noch Mazzar gegen Mazzar. Jeder gegen jeden«, fluchte sie und konnte nicht ahnen, dass nur wenige zehntausend Kilometer entfernt und ein paar Minuten zuvor, ein anderer Mensch ähnliche Worte benutzt hatte. »Wie weit können wir noch an die Schlacht herankommen, ohne in Schwierigkeiten zu geraten?« Aus Vorsicht hatte Bérénice nur langsame Fahrt befohlen. Ihre Frage war eigentlich an die beiden Mazzar gerichtet gewesen, doch Freitag war schneller.

      »Die Schlacht findet in einer Distanz von 4,73 bis 5,01 Billionen Kilometern statt, also etwas mehr als einem halben Lichtjahr. Wenn Sie spezifizieren könnten, Agent Savoy, welche Informationen Sie genau erlangen möchten, könnte ich das mit den Reichweiten der einzelnen Sensorensysteme dieses Schiffes abgleichen und somit einen Sicherheitsabstand vorschlagen.«

      »Na, ich will wissen, wer hier gegen wen kämpft.«

      »Das wissen Sie bereits: Mazzar gegen Mazzar«, kam es lapidar von dem Roboter zurück. Dann wandte er sich für alle überraschend an die beiden Fremdwesen. »Besteht die Möglichkeit, dass die von Ihnen erwähnten Parteien äußere Kennzeichen auf den Kampfschiffen angebracht haben?«

      Beide Mazzar strichen sich mit einer Klaue über die geschlossenen Augen.

      »Also nein«, konstatierte der BEHEMOTH und bewies damit, dass er auch Aufzeichnungen über die Gestik der Mazzar anstellte und zu deuten wusste. Bérénice nahm diesen Umstand als kleine, aber interessante Information auf und nahm sich vor, dies im Allgemeinen Aufgabenkatalog des Kampfroboters nachzuschlagen. Neues Misstrauen blitzte in ihr auf. Dann hatte sie eine Idee.

      »Terranische Schiffe senden ständig ein Transpondersignal aus«, erklärte sie den beiden Pazifisten. »Natürlich nicht, wenn sie unbemerkt bleiben wollen oder getarnt sind. Es dient dazu, Schiffe eindeutig identifizieren zu können, ganz besonders in Kampfsituationen. Es soll auch KI-gesteuerte Waffensysteme daran hindern, eigene Schiffe anzugreifen. Gibt es bei den Mazzar ähnliche Systeme?«

      »Nein, wir haben keine individuellen Bezeichnungen für unsere Raumschiffe.« Siyoss blinzelte einmal sehr langsam mit ihren Nickhäuten und gab damit kund, dass es egal zu sein schien.

      »Aber wie können die Mazzar dann koordinierte Manöver durchführen? Jedes Schiff muss doch angesprochen werden können.« Naya blickte verwirrt von einem Wesen im Raum zum nächsten und blieb an der Darstellung der immer noch tobenden Schlacht hängen, welche ihr trotz der Entfernung offensichtlich kalte Schauer bescherte.

      »Jedes Flaggschiff einer Flotte oder eines Verbandes sendet automatisch bei Kontakt mit anderen Schiffen Wellen von Marker-Signalen aus«, antwortete Bozadd. »Diese gibt es innerhalb eines Zungenschnalzers an alle Schiffe seiner Gruppe weiter. Erst bei einem Funkkontakt … oder entsprechend eindeutigen Handlungen werden diese neutralen Marker-Kennungen in freundlich oder feindlich spezifiziert.«

      »Also können wir weder optisch noch messtechnisch erfahren, wer dort draußen ist«, stellte Bérénice fest. Sie machte ein noch ratloseres Gesicht und murmelte – wohl mehr zu sich selbst – weitere Worte, denen niemand widersprach. »Selbst wenn wir uns über Funk als Mazzarschiff bemerkbar machen würden, könnten wir im besten Falle nur eine Partei davon abhalten uns anzugreifen. Die andere würde uns automatisch als Feind betrachten. Wir haben weder Arliss an Bord, noch sind wir diesen Mazzar dort draußen so prominent, dass sie auf uns hören würden.«

      »Dann schlage ich vor, wir entfernen uns vom Kampfgeschehen und führen unsere Fahrt fort«, kam es von Freitag. »Ich stimme Ihren Ausführungen zu: Sie werden weder den Kampfausgang beeinflussen, noch die Schlacht beenden können, Agent Savoy. Ich berechne eine 91,7%ige Wahrscheinlichkeit, dass dies Ihre Absicht war. Aufgrund mangelnder Erfolgsaussichten ist diese nun obsolet geworden.«

      »Aber wir können sie doch nicht einfach sterben lassen«, protestierte Naya und stellte sich in die Mitte zwischen den beiden Mazzar-Andrucksesseln.

      Siyoss und Bozadd machten einen geknickten Eindruck auf die beiden Menschenfrauen. »Das werden wir wohl müssen«, schloss Bozadd und ließ sich auf seinen Posten nieder. »Selbst wenn wir uns enttarnen und beide Kontrahenten mit der Nachricht vom Kriegsende mit den Menschen überschütten würden, würde die Schlacht nicht beendet werden. Wir wissen nicht, warum Mazzar gegen Mazzar kämpfen. Da ist ein bald beendeter anderer Konflikt nicht relevant.«

      »Viele – die meisten – unserer Führer denken noch in alten Schablonen, Trooperin Naya«, sagte Siyoss frustriert und sackte in ihren Co-Pilotensessel. »Genau aus diesem Grund haben sich die Pazifisten ja gebildet. Doch unsere Präsenz in der Mazzar-Gesellschaft ist noch zu schwach, um jetzt schon merkliche Veränderungen anstoßen zu können. Und hier sind wir nur zu zweit. Wenn wir Arliss an Bord hätten, wäre es einen Versuch wert gewesen. Doch sie ist nicht hier. Vielleicht hält sie sich auf dem Planeten … auf.«

      Der Translator hatte wieder mal ein Wort nicht verarbeiten können. Doch jedem war klar, dass der Name des Mazzarplaneten jetzt nicht von Belang war. Also verzichteten Naya und Bérénice auf entsprechende Rückfragen.

      »Ich hoffe, Arliss kann dort dafür sorgen, dass weder Mazzar noch Menschen sinnlos sterben müssen«, gab Bérénice ihrer aller Hoffnung Ausdruck. »Diese Mazzar dort draußen sind wohl verloren.« Mit dunkler Miene nickte sie Bozadd zu. »Nehmen Sie bitte wieder Kurs auf Samboll. Verdoppeln Sie aber die Länge unserer Sprünge … ich möchte schneller dort sein.«

      Naya wusste natürlich wie jeder an Bord, dass längere Sprünge auch stärkere Transitionsschmerzen bedeuteten, und beugte sich zu Bérénice hinüber. »Ich verstehe dich, Nice. Soll ich eine Flasche Relax-Blue holen?«

      »Für mich nicht, meine Liebe. Ich habe genug von Stimulanzien. Aber nimm du nur …«

      »Nein, danke. Ich mag das Zeug ohnehin nicht. Es hat Einfluss auf meine Fähigkeiten.«

      Bérénice wusste sofort, worauf sie anspielte. »Es sieht nicht danach aus, als dass du in nächster Zeit Telepathie wirst einsetzen müssen. Also erleichtere dir ruhig die Sprünge.«

      »Ich bin kein Weichei, Nice«, antwortete Naya fast unwirsch.