Sisgard und Alveradis. Norbert Wibben. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Norbert Wibben
Издательство: Bookwire
Серия: Eila - Die Leuchtende
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742790675
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zum Weg. Dort sehen sie eine dunkle Masse. Sie hören ein leises Wiehern und Schnauben von Pferden und deutliche Menschenstimmen.

      »Wir sollten den alten Unterstand untersuchen, dort könnten sie Schutz gegen den Wind gesucht haben.«

      »Vielleicht sind sie aber doch Richtung Süden unterwegs?«

      »Ich schaue jedenfalls hier nach«, worauf sich ein kleinerer, dunkler Schatten auf sie zubewegt.

      Schnell entschlossen wendet Eila ihre erprobten Sprüche an. »Torpor« stellt Albin ruhig. Sie berührt Finley und Albin und murmelt »Cuddio diogelu.« Nun befinden sie sich im Boden des Schafstalls. Eila streckt ihre Hände nach oben und beschreibt mit ihnen eine Kuppel, während sie: »Occulo magus, Firmo defensio, Anghofio, Miscere und Sgiath«, murmelt. Während der Sprüche knistern und leuchten ihre Haare erneut mit einem rotgoldenen Schimmer an den Spitzen. Erst nach geraumer Zeit erlischt er.

      Finley flüstert ihr zu: »Du musst etwas gegen das Leuchten deiner Haare unternehmen. Irgendwann verrät dich das!«

      »Wie, meine Haare erhellen sich? Das ist mir bisher nicht aufgefallen. Ich habe wohl ein Kribbeln verspürt, was ich als Folge meiner Konzentration auf den jeweiligen Zauber gedeutet habe. Erdmuthe hat mir davon auch nie etwas gesagt«, flüstert Eila erschrocken. »Hoffentlich war das jetzt nicht draußen zu sehen!«

      In diesem Moment kommen zwei Schatten um die Mauerecke. Sie durchsuchen den Unterschlupf und leuchten mit Windlichtern in jeden Winkel, finden aber nichts.

      »Ich hätte schwören können, dass hier gerade noch ein Lichtschein zu sehen war.« Sie erkennen diesen Mann an seiner Stimme, es ist der Wirt aus dem Gasthaus.

      »Die beiden werden harmlose junge Leute sein, die tatsächlich auf dem Weg nach Süden sind«, antwortet der andere.

      »Ich bin mir nicht sicher. Ich meinte, dass mich das Mädchen forschend anblickte, als ich die alte Bekannte mit ihrer Vorliebe für Pfefferminztee erwähnte. Ich hatte gehofft, falls jemand zur Ausbildung bei Erdmuthe gewesen ist, wird er sicher auf meine scheinbar harmlose Bemerkung reagieren.«

      »Könnten die beiden doch von Erdmuthe kommen und sich so gut verstellt haben, dass sie dich täuschen konnten?«

      »Kann sein, darum sollten wir noch weiter in Richtung Osten suchen.«

      »Aber wenn sie aus Richtung der Klosterruine gekommen wären, hätten sie unsere Sperre passieren müssen. Haben die beiden etwas darüber erzählt?«

      »Das haben sie nicht. Sie sahen auch nicht so aus, als wenn sie eine Auseinandersetzung mit den Wölfen der Sperre gehabt hätten. Selbst wenn sie Zauberer sein sollten, wären sie erst Zauberlehrlinge, so jung wie sie aussahen. Gegen neun Wölfe hätten sie nicht ohne kleinere Schrammen bestehen können.«

      »Das spricht doch dafür, dass wir umkehren können. Warum sollen wir auf diesem Weg weitersuchen?«

      »Dies ist die kürzeste Verbindung zu einer möglichen Ausbildung bei Sisgard. Wenn wir sie bis zum Morgen aber nicht finden, werden sie doch wohl keine Zauberlehrlinge sein. Bearach hat uns dann unnötig um unseren Schlaf gebracht.«

      Während der letzten Sätze haben sie den Unterstand verlassen und begeben sich zurück zu den anderen. Als sie dort angekommen sind, hebt Eila ihre Zauber auf. Sie sehen schemenhaft fünf Reiter auf dem Weg Richtung Osten verschwinden.

      Eila krault Albin. »Gut gemacht, du bist ein wirklich guter Wachhund.« Obwohl die jungen Zauberer wissen, dass die Reiter bis zum Morgen weitersuchen wollen, und sie somit nicht in direkter Gefahr sind, können sie nicht sofort einschlafen. – Die Wölfe waren also doch eine Falle für sie! Hoffentlich wurden sie nicht über einen geistigen Kontakt kontrolliert. Wenn das so gewesen wäre, hätten sie sich doch wohl in Wolfskrieger verwandelt. Außerdem sollten sie dann Unterstützung durch Zauberer bekommen haben. – Diese Gedanken gehen beiden durch den Kopf.

      Sie werden den morgigen Vormittag in diesem Unterstand bleiben, bis die Beobachter der Dubharan in der anderen Richtung verschwunden sind. Falls Eila und Finley zu früh aufbrechen, besteht die Gefahr, dass sie ihnen direkt in die Arme laufen.

      Vormittags sehen sie, wie die vom klaren, blauen Himmel scheinende Sonne die Feuchtigkeit von gestern als feinen Dunst aufsteigen lässt. Die Schafe lassen sich das leicht angefeuchtete Gras schmecken und wandern langsam umher. Die jungen Zauberer müssen sich ungefähr bis zum Mittag gedulden, um fünf Reiter mit verdrossenen Gesichtern vorüberziehen zu sehen. Einer von ihnen ist eindeutig der Wirt, bei dem sie gestern waren. Auch er blickt missmutig. Als sie ihren Blicken entschwunden sind, warten sie noch fünf Minuten. Sie sind froh, dass sie das Angebot des Wirts, dort zu übernachten, nicht angenommen hatten. Wer weiß, was dort passiert wäre?

      Voller Ungeduld brechen sie auf.

      Die nächsten Tage verlaufen ohne weitere Zwischenfälle. Das Wetter ist tagsüber immer noch sommerlich warm, dafür werden die Nächte bereits empfindlich kalt. Die Blätter der Bäume und Büsche verfärben sich bereits herbstlich. Warmes Braun und Rot breiten sich aus, das Grün wird blasser. Das Gelände beginnt etwas wellig zu werden und erste Hügel müssen erklommen werden. In kleinen Ortschaften versorgen sich die Wanderer mit Proviant. Aus munter plätschernden, kleinen Bächen nehmen sie sich Wasser zum Trinken. Auf ihrer Wanderung begegnen sie nur selten anderen Menschen, die in der Einsamkeit scheu an ihnen vorbeigehen oder gelegentlich auch reiten. Albin wirkt mit seiner Größe und dem zotteligen Fell etwas furchteinflößend, obwohl er sich völlig ruhig verhält und sie scheinbar nicht beachtet.

      Es ist bereits später Nachmittag. Leichte Nebelschwaden steigen aus blaugrünem Riedgras auf. Vögel erheben sich aus vereinzelt stehenden Krüppelkiefern. Vorsichtshalber wenden Finley und Eila seit dem Morgen wieder den Vergessenszauber an, der auch diese Vögel trifft, als sie, weitab von jedem Ort und anderen Häusern, zu einem kleinen Anwesen kommen. Es ist schon sehr alt. Das mit Schilf gedeckte Dach ist stark wellig. Trotzdem wirkt es durch das sichtbare Fachwerk der Mauern einladend auf sie.

      »Das ist das Haus von Sorcha«, sagt Finley, auf das Gebäude deutend. »Vielleicht treffen wir Sisgard hier. Sei auf jeden Fall vorsichtig, wenn du mit Sorcha redest. Sie ist manchmal schnell erzürnt, wie ein junges Mädchen«, fügt er lächelnd hinzu.

      »Ich bin nicht …«, beginnt Eila, um schnell abzubrechen. Sie lächelt verschämt zurück.

      Eine Tür, in der Längsseite des Hauses wird geöffnet. Eine große, schlanke Gestalt, mit langen, blonden Haaren tritt heraus. Das Haar ist mit einem geflochtenen, grünen Band um den Kopf fixiert. Gerüstet ist sie mit einem seltsam geformten Bogen und goldglänzendem Arm- und Beinschutz. Das von einem dunkelgrünen Band umgürtete Gewand ist weiß und reicht bis zu den Knien hinab. Über ihrer Schulter sind die gefiederten Schäfte vieler Pfeile sowie ein Schwertgriff zu sehen.

      Die junge Frau legt einen Pfeil auf und spannt den Bogen.

      »Wer seid ihr und was wollt ihr hier?« Ihre helle Stimme klingt klar und gebieterisch. Ihre Erscheinung erinnert Eila etwas an Deirdre in ihrer Kampfausrüstung, als diese im letzten Jahr zur Rettung Erdmuthes auszog.

      »Wenn du Sorcha bist, lass bitte deine Pfeile im Köcher. Ich bin Finley. Roarke hat mich beauftragt, Eila sicher zu Sisgard zu geleiten. Wir werden von Albin begleitet.« Dabei zeigt er erst auf das Mädchen und dann auf den Hund. »Ist Sisgard hier? Sie kennt mich und wird dir bestätigen, dass ich die Wahrheit spreche. Du brauchst keine Angst zu haben, dass wir dir etwas Übles wollen.«

      In diesem Moment erklingt ein helles Lachen. »Ich bin Sorcha! Warum sollte ich Angst haben?« Sie steht beim zweiten Satz schon nicht mehr vor dem Hauseingang, sondern an der Hausecke. Vor den Füßen der jungen Zauberer stecken vibrierend fünf Pfeile im Boden.

      »Was soll das? Wir wollen dir nichts Böses!« Finley ist besorgt, er will nicht gegen eine befreundete Elfe kämpfen. Auch wenn er sie nicht persönlich kennt,