eine solche Hitze entwickeln könnte.«
»Du hast recht. Der Stein ist geschmolzen. Zwar nur an der Oberfläche,
doch die Hitze muss enorm gewesen sein.«
»Auch dort an der Türeinfassung und an der Wand des Turms sind solche
Stellen.« Neolaras trat neben die metallene Tür und betastete den Rahmen.
»Und hier ist ein Loch im Metall.« Er schob seine Hand durch die Öffnung
und schüttelte den Kopf. »Als habe man eine glühende Lanze
hindurchgerammt.«
»Ich kenne keine Waffe und keinen Zauber, die das bewirken könnten.«
Elgeros wandte sich um und gab seinen Männern einen Wink. »Fünf von euch
durchsuchen die Gebäude, die anderen halten die Mauer. Gebt der Truppe
Zeichen, dass sie einrücken soll.« Er senkte seine Stimme und sah seinen
Freund an. »Ich glaube nicht, dass uns noch Gefahr droht. Hier werden wir
kein lebendes Wesen mehr finden.«
Durch die offen stehende Tür fiel nur wenig Licht in den Raum, der sich
über die ganze untere Ebene des Turms erstreckte. Er wirkte ungemütlich und
kalt und strahlte eine finstere Drohung aus. Nur einige Tische und Bänke
standen umher, und in der Mitte befand sich eine erkaltete Feuerstelle. Hinten
erhob sich das gemauerte Rund des Brunnens von Niyashaar, und eine
steinerne Treppe führte an den Wänden entlang hinauf zu den oberen Ebenen.
Ein hölzerner Waffenständer war umgestürzt, und einige Waffen lagen auf
dem Boden verstreut.
Elgeros zog fröstelnd die Schultern zusammen und bewegte sich zur
Treppe hinüber. Misstrauisch spähte er nach oben und betrat dann zögernd die
Stufen. Neolaras folgte, und ihre Schritte hallten hohl in dem Gemäuer wider.
Auf der nächsten Ebene lagerten ein paar Notvorräte und es gab einfache
Schlafstätten. Hier oben war Ordnung und es wirkte ganz so, als habe die
elfische Besatzung aufgeräumt, bevor sie verschwunden war. Die Decken
waren sorgsam gefaltet und an einem der Bettgestelle lag eine Schriftrolle
bereit, die nur darauf zu warten schien, dem Ruhe suchenden vor dem Schlaf
noch etwas Entspannung zu bieten. Ob es auch hier die eigentümlichen
Brandspuren gab, konnten die Elfen nicht feststellen, denn dazu war es zu
dunkel. Aber sie bezweifelten es. In diesem Raum war sicherlich nicht
gekämpft worden.
Im Hof waren Kommandos zu hören, als die Hundertschaft einrückte. Man
vernahm das Zufallen der Torflügel und die Geräusche von Männern, die auf
die Wehrmauer hasteten.
Elgeros deutete über sich und dann machten sich die beiden Führer daran,
auch noch die zwei oberen Turmebenen zu durchsuchen. Dort fiel durch die
Schießscharten genug Licht ein, sodass sie Einzelheiten der Einrichtung
erkennen konnten. Die Öffnungen in den Turmmauern waren mit Klarstein
geschlossen, der die Witterung draußen hielt und freie Sicht gewährte. Er war
von hervorragender Qualität und verzerrte nicht den Blick. Auch die
Menschen verstanden sich inzwischen darauf, feinen Quarzsand zu schmelzen
und mit Zusätzen zu versehen, sodass der durchsichtige Klarstein entstand.
Aber die Scheiben, welche sie daraus fertigten, waren dick und von Schlieren
durchzogen.
Neolaras trat an eine der Fensteröffnungen und blickte in den Hof hinunter,
während Elgeros den Raum absuchte. Er war im Lauf der Jahrtausendwenden
mit liebevollen Details versehen worden und hatte viel von seiner
ursprünglichen Zweckmäßigkeit und Kälte verloren. Der Boden aus feinen
Hölzern wies Einlegearbeiten auf, und dick gewobene Tücher in bunten
Farben und Mustern bedeckten das grobe Mauerwerk der Wände. Mehrere
zierliche Regale standen im Raum, gefüllt mit den Büchern und Schriftrollen
des Volkes. An den farbigen Bändern, mit denen sie verschlossen waren,
erkannte der Bogenführer, dass es sich überwiegend um Poesie handelte. Er
konnte das gut verstehen, denn er hatte selbst schon Wache in Niyashaar
gehalten und wusste, wie sehr es einen Elfen an diesem einsamen Ort nach
Schönheit verlangte.
Ein kleiner Schreibtisch stand auf sieben gedrechselten Beinen, sieben
Stützen, welche die Häuser der Elfen symbolisierten. Schreibzeug lag
griffbereit neben einer halb geöffneten Schriftrolle. Elgeros entrollte sie, aber
sie enthielt keinen Hinweis auf das, was hier geschehen war. Er musterte jede
Zehntellänge des Raumes, fand aber keine Anzeichen von Unordnung und
keine Brandspuren.
»Hier gibt es nichts, was das Schicksal der Besatzung aufklären könnte«,
sagte er missmutig. »Lass uns hinuntergehen und sehen, ob die anderen etwas
gefunden haben.«
Doch auch ihre Männer waren auf keine Spuren gestoßen. Das heißt,
Spuren gab es reichlich, aber keine, die das Verschwinden erklärt hätten.
Geodas, einer der Elfen, stützte sich auf seinen langen Bogen. »Wir haben die
beiden Unterkünfte durchsucht. Alles sieht danach aus, als hätten die Männer
sie gerade erst verlassen, um ihrem Tagesgeschäft nachzugehen. Was auch
geschah, es passierte am hellen Tag. Die Betten sind ordentlich gemacht, und
die persönlichen Besitztümer liegen an ihrem Platz. Nur die Männer und ihre
Waffen fehlen.«
Keodaros, ein anderer Mann, nickte. »Im Vorratshaus ist es das Gleiche,
ebenso im Gemeinschaftshaus. Dort sind die Tische für das Essen gedeckt.
Man könnte meinen, die Männer wären mitten im Mahl aufgestanden und
hätten Niyashaar verlassen. In einem der Kessel ist Essen verbrannt. Es muss
schon ein oder zwei Zehntage zurückliegen.«
»Jedenfalls haben sie den Posten nicht einfach aufgegeben. Denn in dem
Fall hätten sie Vorräte für den Marsch mitgenommen, und darauf deutet
nichts hin.«
»Und außerdem weist nichts auf