Die Wirtschaftspsychologie hat eine Reihe von Antworten auf diese Fragen und Herausforderungen parat. Bis jetzt lag das Einsatzgebiet der Wirtschaftspsychologen hauptsächlich in der Marktforschung, doch inzwischen findet ein Umdenken statt. Denn eines ist klar: Der Erfolg der Werbung hängt vom Kunden ab. Und kein Wissenschaftsfeld kennt sich mit dem Verhalten des Konsumenten so gut aus wie die Wirtschaftspsychologie. Dieses Buch soll Ihnen helfen, einen ersten Schritt in das komplexe und spannende Feld der Werbe- und Konsumentenpsychologie zu wagen und im Endeffekt den Erfolg ihrer Unternehmens- und Marketingtätigkeit zu verbessern.
Die menschliche Wahrnehmung
Dass die menschliche Wahrnehmung für das Konsumentenverhalten entscheidend ist, sollte klar sein. Jedes menschliche (Kauf)Verhalten hat einen Reiz zur Ursache, das Verständnis der Verarbeitung dieser Reize ist also enorm wichtig. Umgebungsreize können unsere Wahrnehmung direkt beeinflussen, wie folgendes Beispiel in der Abbildung 3 zeigt. Die Kreise in der Mitte sind gleich groß. Der Kontext beeinflusst die menschliche Wahrnehmung.
Abbildung 3: Ein menschlicher Wahrnehmungsfehler, eigene Darstellung, Quelle: vgl. (Ariely, 2008, S. 29)
Menschen erkennen Objekte in ihrer Umgebung nur in Relation zu anderen Objekten oder Bezugspunkten. In der Werbung können solche Umweltreize vielseitig sein und umfassen unter anderem andere Preise, andere Kunden, andere Produkte, andere Marken oder ähnliches.
Diese kann man in innere und äußere Reize unterteilen:
Beispiele für innere Reize wären der (eigene) Herzschlag oder Stoffwechselvorgänge. Bei äußeren Reizen spielen Aspekte der Werbung eine wichtige Rolle, z.B. Töne, Bilder oder Texte. (Kroeber-Riel, 2003, S. 70)
Die menschliche Wahrnehmung beruht auf der Verarbeitung von Reizen und besteht laut Felser aus drei Komponenten: (Felser, 2015, S. 28)
Eine Physikalische Komponente
Eine Physiologische Komponente
Eine Psychologische Komponente
Zusätzlich sollte man noch zwischen Emotion, Motivation, Stimmung und Einstellung unterscheiden, die für den weiteren Verlauf des Buchs wichtige Begriffe sind.
Als Grundlage für die Verarbeitung in der Werbepsychologie kann das einfache S-O-R Modell dienen (siehe Abbildung 4). Das Verhalten des Kunden (R-Response) reagiert auf bestimmte Reize (S-Stimulus). Zwischen diesen beiden Bereichen des Modells befinden sich die Vorgänge im Kunden selbst (O-Organismus). Insbesondere die Prozesse, die im Kunden ablaufen, sind für die Wirtschaftspsychologie von Interesse. (von Rosenstiel & Kirsch, 1996, S. 48-49)
Abbildung 4: Das S-O-R-Modell als Grundlage, eigene Darstellung,
Quelle: vgl. (von Rosenstiel & Kirsch, 1996, S. 49)
Diese Wahrnehmung von Reizen und der Ablauf von Prozessen können bewusst oder unbewusst im Kunden ablaufen. Dabei wird der Großteil der Reize unbewusst verarbeitet. Es gibt also zwei Verarbeitungssysteme im Gehirn: Ein System (der Pilot), das für kognitive Reaktionen wie Denken und Vernunft zuständig ist und ein System (der Autopilot), das für teilweise unbewusste Reaktionen wie Emotionen oder Einstellungen zuständig ist. (siehe Abbildung 5)
Der Nobelpreisträger Kahneman bezeichnet diese Systeme als „System 1 und 2“ (Kahneman, 2012). Seinem langjährigen Freund und Kollegen A. Tversky möchte ich hiermit auch ausdrücklich für die jahrelange Arbeit danken. Er verstarb leider vor seiner Auszeichnung mit dem Nobelpreis.
Abbildung 5: Autopilot (System 1) und Pilot (System 2),
eigene Darstellung, Quelle: vgl. (Häusel, 2014, S. 84)
Die Aufteilung der menschlichen Wahrnehmung in zwei Systeme erklärt auch, dass Kunden Emotionen schneller als Kognitionen wahrnehmen. Dadurch kann der Mensch schnell und reflexartig auf Gefahren reagieren. Eine praktische Anwendung dieser Theorie findet sich in der Bildverarbeitung: Werbebilder werden zuerst emotional wahrgenommen (Autopilot), bevor der Kunde ein Werbebild bewusst verarbeitet. (Häusel, 2014, S. 160)
Die Mengen-, Zahlen- & Zeitwahrnehmung
Mengenwahrnehmung
Kunden nehmen Mengen recht intuitiv wahr. Es gibt verschiedene Methoden zur Mengenwahrnehmung:
Der Konsument zählt alle Elemente, was jedoch mit großem Aufwand verbunden ist.
Er zählt nur einen Teil und rechnet dann hoch.
Er schätzt die Anzahl komplett intuitiv.
Gerade bei der intuitiven Vorgehensweise kommt es häufig zu Fehlurteilen. Wenn der Kunde intuitiv vorgeht, erscheinen ihm viele kleine identische Produkte zahlreicher als dieselbe Anzahl unterschiedlicher Artikel. Schon ein Produkt oder Objekt, das anders aussieht, kann diesen Effekt zerstören. (Felser, 2015, S. 376)
Flächen- und Volumenwahrnehmung
Bei der Schätzung des Volumens kann es dem Kunden passieren, dass er die Grundfläche unter- und die Höhe des Objekts überschätzt. Der Kunde überschätzt das Fassungsvermögen eines hohen dünnen Gefäßes.
Soll der Kunde also den Eindruck bekommen, er bekomme viel Inhalt (z.B. in Getränken) für sein Geld, ist ein hohes dünnes Glas von Vorteil. Er wird dann allerdings auch annehmen, dass er bereits viel konsumiert hat und somit weniger nachbestellen. Bei sehr teuren Getränken, wo nicht viel nachbestellt wird, sollte man lange dünne Gläser anbieten.
Außerdem werden Objekte, die farblich auffällig sind, in ihrer Größe überschätzt. (Felser, 2015, S. 377-378)
Die Wahrnehmung von Gewicht
Dunkle Objekte werden beim Betrachten als schwerer eingeschätzt. Diese Fehleinschätzung des Gewichts gilt auch für Objekte, die groß sind: Große Objekte werden als schwerer eingeschätzt, obwohl der Kunde keine weiteren Informationen zur Verfügung hat, also gar nicht weiß, ob es tatsächlich so ist.
Außerdem gibt es einen „Oben-Unten-Links-Rechts-Effekt“: Objekte, die in einem Bild oder Werbeplakat oben platziert werden, wirken leichter als solche, die sich im unteren Teil befinden. Dieser Wahrnehmungsfehler lässt sich mit der Schwerkraft begründen: Wenn sich etwas gegen die Schwerkraft widersetzt, muss es erfahrungsgemäß weniger wiegen. Zusätzlich wirken Objekte leichter, wenn sie links statt rechts platziert werden. Die Begründung dafür ist die Leserichtung des Kunden und das Hebelgesetz. (Felser, 2015, S. 378-379)
Video 1: Die menschliche Wahrnehmung
Die Wahrnehmung von Zahlen
Kunden interpretieren Zahlen meistens nicht absolut, sondern in Relation zu ihrer Umgebung: Die Zahl Fünf kann z.B. als Referenzpunkt dienen, anhand derer die anderen Zahlen bewertet werden.
Zusätzlich wird ein Zahlensprung von 1 auf 2 größer empfunden als einer von 8 auf 9. Mit diesem Wissen kann man im Marketing die subjektive Wahrnehmung des Rabatts ändern: Ein Rabatt von 122 auf 121 ist demnach subjektiv größer als ein Rabatt von 119 auf 118.
Viele Preise (vor allem Rabatte) werden in der Praxis optisch