Ich möchte aber nicht nur die Autoren würdigen, die mir als Wissensquelle dienten. Ohne die Menschen, die ihr Leben der Wissenschaft widmen, gäbe es die Wirtschaftspsychologie, wie wir sie heute kennen, nicht. Die Wirtschaftspsychologie ist eine Wissenschaft, die auf zahlreichen Studien und Forschungsarbeiten basiert. Viele Forscher widmen ihre berufliche Karriere einem Forschungsschwerpunkt und versuchen die Wahrheit über das menschliche Verhalten und Denken herauszufinden. Vor dieser Leistung und Hingabe habe ich tiefsten Respekt. Auch deswegen ist es so wichtig, diese Erkenntnisse in der Praxis bekannter zu machen.
Es liegt jetzt an der Praxis diese Erkenntnisse umzusetzen und den Wirtschaftsstandort Deutschland wieder zukunftsfähig zu machen. Sie müssen den Kunden verstehen und auf ihn eingehen. Der Kunde entscheidet schlussendlich mit seiner Kaufkraft, welches Geschäftsmodell und welche Produkte erfolgreich sind und welche nicht. Sie müssen den Kunden mit ihrer Werbebotschaft erreichen. Das Buch trägt hoffentlich einen Teil zum Verständnis des Konsumenten bei und bietet Ihnen praktische Anwendungen für die Praxis.
An alle Studierende, die mein Buch lesen und selbst Wirtschaftspsychologie studieren, bleibt am Ball. Ihr habt euch für den richtigen Studiengang entschieden. Vielen Dank an alle Leser, die sich für die Konsumentenpsychologie interessieren.
Wernigerode, November 2019.
Eine Einleitung
Gerade einmal drei Sekunden hat eine Werbeanzeige Zeit die Werbebotschaft in den Köpfen der Kunden zu platzieren (Meyer-Hentschel, 1993). Hinzu kommt, dass Menschen eine negative Einstellung zu Werbung haben und somit wenig Interesse besteht, sich für sie zu interessieren oder sie aufmerksam zu verfolgen. Viele kennen das Phänomen aus dem Alltag: Das Hin- und Herschalten von Fernsehsendern (sogenanntes „Zappen“), um möglichst viel Werbung zu umgehen, steht exemplarisch für eine solche Einstellung. Im Social Media Bereich wird lästige Bannerwerbung weggeklickt oder unterdrückt. Plugins (Softwareerweiterungen für den Webbrowser), die eine solche Funktion erfüllen, gibt es zur Genüge. Diese Funktionen haben das Ziel, das Internet werbefreier zu machen.
Die meisten Konsumenten sind nicht an den Produkten oder Marken der Unternehmen interessiert. Es gibt zahlreiche Gründe dafür: (Häusel, 2014, S. 82-83) (siehe auch Abbildung 1)
Allein in Deutschland werden über 50.000 Marken aktiv beworben.
Durchschnittlich führt ein Supermarkt 10.000 Artikel.
Jedes Jahr kommen 26.000 neue Produkte auf den Markt.
500 Millionen Webseiten wollen besucht werden.
Jährlich gibt es zusätzlich 350.000 Printanzeigen und zwei Millionen Werbespots.
Abbildung 1: Gründe für ein geringes Interesse der Werbeempfänger,
eigene Darstellung, Quelle: vgl. (Meyer-Hentschel, 1993, S. 37) & (Esch F.-R. , 1998)
Hat es eine Werbebotschaft geschafft vom Kunden wahrgenommen zu werden, ist es die Frage, ob der Kunde nicht sowieso schon mit Informationen völlig überlastet ist. „Nach einer Berechnung des Instituts für Konsum- und Verhaltensforschung werden in der Bundesrepublik Deutschland weniger als 2% der durch Massenmedien angebotenen Informationen aufgenommen, der Rest landet unbeachtet auf dem Müll. In der Werbung kann man mit einem Informationsüberschuss von 95% rechnen.“ (Kroeber-Riel, 2003, S. 90) (siehe Abbildung 2) Mindestens ein Drittel der Konsumenten nutzt selbst bei teuren Produkten nur eine Informationsquelle. (Kuß & Tomczak, 2007, S. 116)
Abbildung 2: Gesamtgesellschaftliche Informationsüberlastung von 98%, eigene Darstellung, Quelle: vgl. (Esch F.-R. , 2010, S. 29)
Der Marketer sollte auch bedenken, dass diese Informationsüberlastungen durch das Digitalzeitalter nicht ab-, sondern zunehmen. Das Smartphone ist mittlerweile so weit verbreitet, dass beinahe alle Bevölkerungsgruppen Ziel einer mobilen Marketingmaßnahme werden können. 2018 haben ca. 57 Millionen Menschen in Deutschland das Smartphone benutzt. 8 von 10 Menschen benutzen, laut Studie, in Deutschland ein Smartphone. (Bitkom Research, 2019)
Diese Entwicklungen führen dazu, dass die Chancen und Risiken der Werbung noch nie so hoch waren wie heute. Noch nie zuvor konnte man so viele Menschen so schnell erreichen. Noch nie zuvor war es aber auch gleichzeitig so schwer, die Aufmerksamkeit der Menschen auf eine Werbebotschaft zu lenken und die Werbebotschaft in die Köpfe der Kunden zu bringen. Doch genau diese Funktionen soll die Werbung erfüllen; Rosenstiel und Kirsch schreiben dazu: (von Rosenstiel & Kirsch, 1996, S. 15)
1 Die Werbung muss zunächst von den Empfängern überhaupt beachtet werden.
2 Die Empfänger dürfen die beachtete Botschaft dann auch nicht wieder vergessen.
3 Die Kunden müssen eine positive Einstellung zu dem zu kaufenden Produkt entwickeln.
4 Die Konsumenten müssen genügend Zeit und Energie aufbringen, sich für das Produkt auch wirklich zu interessieren.
5 Die Zielgruppe muss schließlich die Entscheidung fällen, das Produkt tatsächlich zu kaufen.
Kroeber-Riel beschreibt verschiedene Funktionen von Werbung aus der Sicht der Konsumenten. Die Werbung soll: (Kroeber-Riel, 2003)
Zeitvertreib und Unterhaltung,
Emotionale Konsumerlebnisse,
Informationen für Konsumentenentscheidungen,
Normen und Modelle für das Konsumentenverhalten vermitteln.
Aus diesen Funktionen entstehen enorme Ansprüche an den Marketingmanager und dessen Werbung. Eine Werbeanzeige sollte also interessant, spannend, emotional, informativ und unterhaltsam sein. Doch wie soll man all diesen Ansprüchen gerecht werden?
Die Definition der Werbung, laut Kroeber-Riel, ist vor allem für die Unternehmen von großer Bedeutung: „Werbung wird definiert als versuchte Einstellungs- und Verhaltensbeeinflussung mittels besonderer Kommunikationsmittel.“ (Kroeber-Riel, 2003, S. 605) Werbung soll also die Konsumenten in ihren Einstellungen und ihrem Verhalten beeinflussen. Doch wie gelingt es einem Unternehmen die angesprochenen Risiken zu umgehen und die Potentiale zu nutzen? Wie sollte man eine Werbung gestalten, um bei dem Konsumenten eine Wirkung zu erzielen? „Ich weiß, dass die Hälfte meiner Werbeausgaben hinausgeworfenes Geld ist“, bemerkte Henry Ford einmal, „ich weiß nur nicht, welche Hälfte.“ (Bauer, Stokburger, & Hammerschmidt, 2006, S. 310).
Wie kann man die Wirkung der Werbung verbessern?
Das ist nur eine von vielen Fragen, die Unternehmen zurzeit beschäftigen. Rosenstiel et al. beschreiben weitere Probleme der Werbung: (von Rosenstiel & Kirsch, 1996, S. 21)
Werbung muss die Wahrnehmungsschwelle der Konsumenten überwinden.
Wahrgenommene Werbung wird schnell vergessen.
Konsumenten haben viele starre Einstellungen und Vorurteile gegenüber Werbung und den darin präsentierten Produkten und Marken.
Der Konsument betrachtet