Feinde der Ashari. Lina-Marie Lang. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lina-Marie Lang
Издательство: Bookwire
Серия: Die Ashara-Chroniken
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738075151
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Der Mann verneigte sich und begann die anderen Leute aus dem Weg zu scheuchen.

      „Ihr hättet Euch nicht entschuldigen dürfen", sagte Bainus zu Nadira.

      „Willst du mir sagen, was ich tun soll?"

      Bainus wurde erst bleich, dann knallrot. „Nein, natürlich nicht, Dyna. Tut mit Leid." Einige der Leute, die in den Vorfall verwickelt waren, grinsten ihn jetzt schadenfroh an, während sie die Engstelle passierten.

      ***

      Die meisten Häuser in Seraint bestanden aus Stein, oder hatten zumindest ein Geschoss aus Stein. Bei vielen Häusern war später noch ein erster Stock aus Holz oben drauf gebaut worden, aber die Grundmauern bestanden aus Stein. Nicht so in einem kleinen Bereich im Süden der Stadt, in der Nähe der äußeren Mauer. Hier lebten die ärmsten Einwohner von Seraint. Ihre Häuser bestanden nur aus Holz. Die meisten dieser Häuser waren durchaus gemütlich, aber sie waren eben nur aus Holz. Ein Haus aus Stein war ein Zeichen für einen gewissen Wohlstand. Ein Holzhaus dagegen war ein Zeichen, dass dieser Wohlstand fehlte.

      Auch dieser Teil von Seraint war relativ wohlhabend, im Vergleich zu vielen anderen Orten in Alluria. Innerhalb von Seraint war es aber das Armenviertel. Bainus führte Nadira zielsicher durch die Straßen. Die Häuser hier standen dichter zusammen als in anderen Teilen der Stadt und woben so ein dichtes Netz aus engen Gassen. Nur wenige Straßen waren breit genug, um diesen Namen auch zu verdienen. Nadira war erst einmal in diesem Teil der Stadt gewesen und das auch nur kurz.

      Die Leute hier waren offenbar sehr neugierig. Offen wurde Nadira angestarrt, einige Leute folgten ihr sogar ein Stück. Aber niemand sprach sie an, oder machte den Eindruck, dass sie nicht erwünscht war. Es war eher so, als fragten sie sich, was eine Dynari in diesem Teil der Stadt machte.

      Sie blieben vor einem kleinen Haus stehen. Wie die anderen hier, war es komplett aus Holz gebaut. Es war so klein, dass Nadira vermutete, dass es nur aus einem oder vielleicht zwei Räumen bestand.

      „Hier ist es", sagte Bainus und drehte sich zu Nadira um. Er schien auf etwas zu warten und als Nadira ihm zunickte, klopfte er fest an die Türe und rief: „Aufmachen, im Namen der Dynari."

      Nadira seufzte und schüttelte den Kopf. Bainus schien sie gehört zu haben. Er drehte sich zu ihr um und sah sie fragend an. Aber Nadira kam nicht dazu, etwas zu sagen, denn in diesem Moment wurde die Türe einen Spalt weit geöffnet.

      Eine junge Frau blickte durch den Spalt nach draußen, sie sah verängstigt aus und wagte es nicht etwas zu sagen.

      „Lass uns rein, Weib", rief Bainus. Nadira schob ihn einfach zur Seite und sprach die Frau selber an. „Ralma?"

      „J-ja", stammelte die Frau.

      „Ich bin Dyna Nadira. Du hast dich an die Dynari gewandt, weil du vermutest, dass dein Kind über Ashara verfügt."

      Die Frau schien sich ein wenig zu entspannen. Sie öffnete die Türe ein Stück weiter und Nadira konnte erkennen, dass sie kaum älter sein konnte als Nadira selbst. Sie trug ein einfaches Kleid, dass ein wenig abgenutzt aussah. „Ja. Das stimmt."

      „Ich bin hier um das zu überprüfen."

      Ralma öffnete die Türe und bat Nadira, und etwas widerwillig auch Bainus, herein. „Sie ist gerade nicht hier. Leider hat mir niemand gesagt, dass Ihr heute kommen würdet."

      Nadira sah sich im Haus um. Sie hatte mit ihrer Einschätzung recht gehabt. Sie befand sich in einem Raum der fast die gesamte Grundfläche des Hauses einnahm. Gegenüber und ein Stück links der Türe gab es eine Feuerstelle. Ein Feuer brannte und ein Kessel hing über dem Feuer. Von dem Kessel stieg der sanfte Duft eines Eintopfs auf. Neben der Feuerstelle befand sich ein Stapel Holz. Auf der anderen Seite des Raumes stand ein niedriger Tisch. Es gab keine Stühle oder Betten. Links führte eine Türe vermutlich in einen anderen Raum, dieser musste aber winzig sein. Vielleicht das Schlafzimmer oder ein Vorratsraum.

      „Das ist nicht schlimm", sagte Nadira. „Wie heißt dein Kind?"

      „Kini."

      „Wie alt ist Kini?"

      „Sie ist sechs."

      Nadira nickte. In diesem Alter traten oft die ersten Anzeichen für Ashara auf. „Gibt es Verwandte, die über Ashara verfügen?"

      „Nein, Dyna."

      „Du weißt, dass es dann sehr unwahrscheinlich ist, dass Kini über Ashara verfügt? Ashara wird immer von den Eltern vererbt."

      Offenbar wusste sie das nicht, denn ihr Gesicht spiegelte Enttäuschung wieder. „Nein, das wusste ich nicht, Dyna."

      „In seltenen Fällen überspringt das Ashara einige Generationen", sagte Nadira. „Bei mir selbst war es ebenfalls so."

      „Also besteht doch eine Hoffnung?" Ralmas Augen flehten Nadira an.

      „Ja. Eine kleine Hoffnung besteht."

      „Wieso denkst du überhaupt, dein Kind könnte eine Ashari sein?", fragte Bainus plötzlich. Der Ton war so grob, dass Ralma zusammenzuckte. Der Tonfall hatte den unausgesprochenen Vorwurf „Wie kannst du nur denken das gerade in DEINER Familie so etwas Edles wie Ashara existieren würde."

      Nadira warf ihm einen warnenden Blick zu, er senkte sofort von Blick und blieb still. Nadira sagte mit sanfter Stimme zu Ralma: „Erzähl mir, was passiert ist. Warum vermutest du, dass Kini über Ashara verfügt?"

      „Die meisten Kinder hier haben Angst vor Kini. Sie sagen, es passieren komische Sachen in ihrer Nähe."

      „Hast du das selbst schon einmal erlebt?"

      Ralma schüttelte den Kopf.

      „Nun gut. Wir werden noch eine Weile warten. Mit Sicherheit kann ich es dir erst sagen, wenn ich Kini gesehen habe."

      „Ich würde Euch ja Eintopf anbieten", sagte Ralma. „Aber er ist noch nicht fertig."

      „Mach dir keine Umstände."

      Ralma lächelte Nadira schüchtern zu und trat an die Feuerstelle, um den Eintopf umzurühren.

      „Wie kannst du es wagen, in Gegenwart der Dyna nur an dein Essen zu denken?", fuhr Bainus plötzlich Ralma an. Diese erschrak so sehr, dass sie den Kochlöffel fallen lies.

      „Es reicht", rief Nadira. Jetzt war sie wirklich wütend und diese Wut wurde durch ihr Ashara verstärkt. Der Fokusstein blitze rot auf, ihre Stimme schien schneidend zu werden, wie eine Klinge. „Raus!" Dem funkelnden Zorn in Nadira Augen hatte der Wächter nichts entgegenzusetzen und er verlies das Haus fast fluchtartig.

      „Ich muss mich entschuldigen", sagte Nadira. „Ich weiß nicht, was er für ein Problem hat."

      „Ich schon", sagte Ralma so leise, dass Nadira es fast nicht gehört hätte.

      „Du weißt es?"

      Ralma nickte.

      „Und? Was ist es?"

      „Er hat einen höheren Stand als ich. Und er verachtet alle, die einen niederen Stand haben. Er beurteilt Menschen rein nach ihrem Stand."

      „Ja. Du könntest recht haben."

      Plötzlich hörten sie von Draußen Geschrei. Nadira drehte sich um und lauschte einen Moment, dann ging sie zur Türe. Draußen hatte Bainus ein junges Mädchen gepackt und wollte sie gerade schlagen.

      „Was ist hier los?", rief Nadira.

      „Er will mich nicht rein lassen", rief das Mädchen.

      „Sie ist respektlos. Diese Göre wollte einfach das Haus betreten, ohne um Erlaubnis zu fragen", rief Bainus.

      „Sie wohnt hier", sagte Ralma, die Nadira zur Türe gefolgt war.

      Nadira ging auf das Mädchen zu, das immer noch von Bainus festgehalten wurde. „Lass sie los", sagte Nadira scharf. Bainus zögerte einen Moment, eher er das Mädchen losließ.

      „Bist du Kini?"