Feinde der Ashari. Lina-Marie Lang. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lina-Marie Lang
Издательство: Bookwire
Серия: Die Ashara-Chroniken
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738075151
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Innenhof zurückzuziehen. Ein wenig frische Luft würde ihr gut tun. Sie musste bald feststellen, dass der Plan nicht so einfach in die Tat umzusetzen war, wie sie gedacht hatte. Auf dem Weg zum Ausgang wurde sie immer wieder in Gespräche verwickelt. Schließlich brauchte sie mehr als eine halbe Stunde, um den Ausgang zu erreichen.

      Doch damit war es nicht getan. Vor dem Saal tummelten sich Diener, und auch Schaulustige aus dem normalen Volk von Seraint. Sie waren zwar nicht zu den Feierlichkeiten eingeladen, aber viele kamen trotzdem, um zu gucken.

      Als Nadira den großen Saal verließ, stand sie also keineswegs in einem leeren Raum, sondern in einer großen Halle, die fast genau so voll war wie der Saal selbst. Aber die Leute hier waren keine Würdenträger. Als sie Nadrias edle Gewänder und vor allem das Diadem sahen, gingen sie ihr aus dem Weg und wagten es nicht, sie anzusprechen. Sie brauchte nur fünf Minuten um die Halle zu durchqueren (normalerweise brauchte man dafür aber nicht einmal zwanzig Sekunden).

      Als sie endlich in den Innenhof kam, seufzte Nadira tief. Endlich frische Luft. Aber Ruhe würde sie hier auch keine finden. Zwar herrschte hier kein solches Gedränge wie im großen Saal oder in der Eingangshalle, trotzdem war der Hof voller Leute.

      Nadira schlüpfte hinter einige Büsche, dort befand sich eine „geschützte" Stelle. Sie war von drei Seiten von Büschen umgeben, und an der vierten Seite befand sich die Mauer des Hauses der Dynari. Es war ein ruhiger Platz, an den man sich zurückzog, wenn man einige Minuten Ruhe brauchte.

      Der Platz war jedoch nicht leer. Ein junger Mann saß im Gras und schien es zu genießen, dem Treiben ein wenig entkommen zu sein. Seine Kleidung wies ihn als einen Diener aus. Als er Nadira sah, lächelte er ihr zu. „Hallo", sagte er fröhlich. Aber dann wurde aus seinem Lächeln Schrecken, als er ihr edles Kleid und vor allem ihr Diadem bemerkte.

      „Ich … Dyna. Bitte entschuldigt", sagte er, und war ganz bleich geworden. „Ich gehe sofort wieder an die Arbeit."

      „Nein. Bleib", sagte Nadira.

      „Wie ihr wünscht, Dyna."

      „Das war kein Befehl", sagte Nadira amüsiert. „Aber du kannst gerne bleiben. Ich verstehe gut, weshalb du hier bist. Vermutlich aus demselben Grund wie ich."

      Er lächelte verunsichert. „Ich brauche eine kleine Pause. Ich habe es mit den anderen abgesprochen, wirklich."

      „Du brauchst mir nichts zu erklären", sagte Nadira und setzte sich neben ihn ins Gras. „Ich brauche auch eine Pause von dem Chaos da drin."

      Eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander. Der junge Mann war immer noch nervös, aber er schien sich ein wenig zu beruhigen, nachdem Nadira ihm immer noch nicht den Kopf abgerissen hatte.

      „Ist das herrlich", sagte Nadira.

      „Die Stille?"

      Von Stille konnte man nicht wirklich sprechen. Es waren heute einfach zu viele Gäste hier, und das Haus von Dyn Arthos schien schier überzuquellen vor Meschen. „Zumindest wird man nicht dauernd von Leuten angerempelt, und auch nicht alle zwei Schritte von jemandem angesprochen."

      „Dann sind wir wirklich aus demselben Grund hier", sagte er.

      Nadira lächelte ihm zu. „Sagte ich doch."

      Sie saßen noch eine Weile schweigend nebeneinander, dann machen sich beide wieder auf den Weg in den Kampf. Als Nadira wieder im großen Saal angekommen war, fing gerade der nächste Teil des Abends an: der große Tanz. Die Musiker waren schon da und spielten die ersten Stücke und erste Paare fingen an zu tanzen.

      Im Laufe es Abends musste Nadira viele Tänze tanzen. Den Ersten mit Dyn Arthos, dann mit vielen anderen Dyns und Fürsten und reichen Händlern und anderen wichtigen Leuten. Ein paar Mal entdeckte Nadira Aurel und Larana im Gewühl, aber sie hatte keine Gelegenheit mit ihnen zu sprechen. Es war spät, als Nadira sich endlich zurückziehen konnte. Sie schleppte sich die Treppe hoch in ihr Gemach, schloss die Türe hinter sich, lies sich auf das Bett fallen, und schlief fast augenblicklich ein.

      ***

      Die nächsten Tage verbrachte Nadira hauptsächlich damit, sich mit ihrem Fokusstein vertraut zu machen. Es fühlte sich komisch an ihn zu tragen. So oft wie möglich zog sie sich in ihre Gemächer zurück und legte das Diadem ab.

      Dyn Arthos erfuhr natürlich davon, und er war nicht begeistert. „Der Fokusstein ist es, der uns zu Dynari macht", sagte er. „Du musst lernen damit umzugehen, und dich daran gewöhnen, ihn zu tragen." Natürlich wusste Nadira, dass er recht hatte, aber wirklich helfen tat ihr dieses Wissen nicht. Wenn sie den Fokusstein trug, konnte sie ihre besondere Gabe kaum kontrollieren, überall sah sie das feurige Leuchten des Ashara.

      Im Haus von Dyn Arthos leben viele Ashari und alle strahlten dieses Licht aus. Nadira konnte sich einfach nicht daran gewöhnen, es andauernd zu sehen. Das Licht war an sich nichts neues für sie, doch bisher hatte sie diese Gabe bewusst steuern, sie mühelos an- und ausschalten können. Doch der Fokusstein verstärkte ihr Ashara und damit auch ihre Gabe. Sie nahm das Ashara viel intensiver wahr, und sie war kaum noch in der Lage diese spezielle Wahrnehmung auszuschalten. Natürlich war ihr klar, dass es eine Sache der Übung war, aber es fiel ihr einfach unglaublich schwer. Jeden Abend war Nadira mit ihren Kräften am Ende und fiel erschöpft in ihr Bett.

      Zwei Wochen vergingen, und Nadira hatte das Gefühl, keinerlei Fortschritt gemacht zu haben. Immer noch war sie abends völlig erschöpft. Eines Abends kam sie in ihr Gemach, legte das Diadem zur Seite und lies sich auf das Bett fallen. Sie seufzte tief und schloss die Augen. Es war, als hätte sie den ganzen Tag in die Sonne gestarrt. Sie konnte selbst durch die geschlossenen Augen noch das Glühen des Ashara sehen.

      Plötzlich fühlte sie, dass sich jemand neben sie setzte. Erschrocken riss sie die Augen auf. Es dauerte einen Moment, bis sie klar sehen konnte, aber es war nur Aurel.

      „Entschuldige. Ich wollte dich nicht erschrecken."

      „Ich hab dich gar nicht bemerkt."

      „Das hab ich bemerkt."

      „Tut mir leid. Ich bin einfach so erschöpft." Nadira schloss wieder die Augen. Es war einfach so entspannend, die Augen zu schließen und nur auf dem herrlich weichen Bett zu liegen, alle Sorgen für einen Moment zu vergessen.

      „Ist es immer noch das Diadem?"

      „Ja."

      „Ich hab darüber nachgedacht", sagte Aurel.

      Darüber nachgedacht? Sie hatte doch keine Ahnung von Ashara, woher wollte sie wissen, wie es war eine Ashari zu sein? Woher wollte sie wissen, welche Probleme Nadira hatte? Fast im selben Moment, in dem sie diese Gedanken hatte, bereute Nadira sie wieder. Aurel war den ganzen Tag von Ashari umgeben, und sicherlich kannte sie viele ihrer Probleme. Wenn auch nicht aus erster Hand. Aber es war unfair, so über sie zu denken.

      „Kann es sein, dass du zu viel kämpfst?"

      Nadira schlug die Augen auf, und schaute Aurel überrascht an. „Wie meinst du das?"

      „Ich habe den Eindruck, dass du gegen das Diadem kämpfst. Dass du … versuchst es mit Willenskraft zu beherrschen."

      Nadira dachte darüber nach, sagte aber nichts. Sie war sich nicht ganz sicher, ob Aurel recht hatte.

      „Ich habe gehört, dass man nicht dagegen kämpfen darf. Dass man sich …" Aurel zögerte. Sie wusste nicht, wie sie das ausdrücken sollte, was sie sagen wollte. „Dass man … es in sich aufnehmen soll, nicht versuchen, es zu kontrollieren."

      „Du hast eine schlaue Dienerin", sagte plötzlich eine männliche Stimme. Nadira schoss vor Schreck förmlich in die Höhe, Aurel zuckte erschrocken zusammen und drehte sich dann zur Türe um. In der Türe stand Dyn Arthos.

      „Entschuldigt bitte. Ich wollte euch nicht erschrecken. Ich hatte geklopft, aber niemand hat reagiert."

      Aurel stand auf und machte einen Knicks vor Dyn Arthos, Nadira mühte sich, wieder auf die Füße zu kommen.

      „Ich sehe, du trägst deinen Fokusstein wieder