Feinde der Ashari. Lina-Marie Lang. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lina-Marie Lang
Издательство: Bookwire
Серия: Die Ashara-Chroniken
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738075151
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ihren ersten Auftrag hatte Nadira komplett vergessen lassen, dass sie nicht wusste, wo diese Familie eigentlich wohnte. Ohne Aurel wäre sie einfach los spaziert, ohne zu wissen, wohin sie eigentlich gehen sollte. Wahrscheinlich wäre ihr erst in der Stadt klargeworden, dass sie gar kein Ziel hatte. Eine ziemlich peinliche Situation.

      Dyn Arthos hatte ihr zwar gesagt, wie die Frau hieß, aber nicht wo genau sie wohnte. Nadira kam sich gerade ziemlich dumm vor. Wieso hatte sie ihn nicht gefragt?

      „Ich geh einen Wächter holen", sagte Aurel. Und ehe Nadira etwas erwidern konnte, war Aurel schon durch die Türe verschwunden. Während Nadira darauf wartete, dass Aurel zurückkam, ging sie vor ihrem Bett auf und ab. Ihre Nervosität wuchs mit jedem Schritt. Erst jetzt wurde ihr klar, dass Dyn Arthos ihr einen wichtigen Auftrag gegeben hatte. Ihr wurde erst jetzt die Verantwortung klar, die hinter diesem Auftrag stand. Ein Ashari, der nicht ausgebildet wurde, konnte eine große Gefahr werden. Ashara zu kontrollieren brauchte eine Menge Wissen und Können. Viele Ashari, die keine Ausbildung bekamen, verloren die Kontrolle über ihr Ashara. Das konnte für sie selbst und für andere in ihre Nähe sehr unangenehme Folgen haben.

      Aurel riss Nadira aus ihren Gedanken, als sie deren Gemächer wieder betrat.

      „Ich hab eine Wache für dich", sagte sie. „Er kennt sich in der Stadt aus und kann dir den Weg zeigen."

      „Danke", sagte Nadira und verließ ihre Gemächer. Im Gang stand ein junger Mann, vermutlich nur ein oder zwei Jahre älter als Nadira. Er war also noch nicht lange bei der Wache. Als er Nadira sah, verbeugte er sich und grüßte sie.„Dyna."

      ***

      Nadira kam sich ein wenig albern vor, als sie mit der Wache durch den Innenhof ging, auf das Tor des Hauses zu. Der Innenhof war zwar nicht mehr so voll wie bei der Feier, aber wie immer, war er durchaus belebt. Nadira hatte das Gefühl von allen beobachtet zu werden. Vermutlich bildete sie sich das nur ein. Durch die ungewohnte Situation und auch wegen der Aufgabe und der damit verbundenen Verantwortung, war sie nervös. Aber das Gefühl blieb, und sie fühlte sich zunehmend unwohl.

      Der Wächter am Tor verneigten sich vor ihr, was Nadira dazu veranlasste kurz stehen zu bleiben und ihn verwirrt anzusehen. Bainus, der Wachmann der sie begleitete, war vorausgegangen und hatte davon nichts mitbekommen. Nadira musste sich beeilen, um wieder zu ihm aufzuschließen.

      Das Haus von Dyn Arthos lag mitten in der Stadt, auf einem kleinen Berg. Es hieß das Haus stamme noch aus der Zeit der Aiudir und war noch von diesen erbaut worden. Aber Nadira hatte diese Geschichte nie so wirklich geglaubt. Das Haus machte nicht den Eindruck schon so alt zu sein. Vielleicht hatten wirklich Aiudir auf diesem Berg als Erste ein Haus gebaut, aber die Häuser, die heute dort standen, waren sicher nicht von den Aiudir errichtet worden.

      Um vom Haus von Dyn Arthos in die Stadt zu kommen, musste man einer Straße folgen, die sich in einer Rechtskurve um den Berg wand. Die Straße war auf diese Art angelegt worden, damit sie nicht so steil war, dafür war sie so um einiges länger geworden.

      Das Tor zum Haus der Dynari lag nicht am äußeren Rand, sondern war ein Stück nach innen versetzt. Links und rechts war es von Häusern gesäumt, sodass man den Eindruck hatte, durch eine kurze Schlucht zu gehen, ehe man das Tor erreichte. Diese Stelle war ziemlich eng und sollte Angreifer behindern, die dort nicht die ganze Stärke ihrer Truppen einsetzen konnten. Die Häuser links und rechts des Tores hatten flache Dächer, von dort aus konnte man Angreifer mit Pfeil und Bogen und anderen Gemeinheiten eindecken. Das Tor war außerdem massiv und schwer und konnte mit einem riesigen Riegel verschlossen werden. Es war nur schwer vorzustellen, dass Angreifer durch das Tor in das Haus vordringen konnten, außer sie hatten Unterstützung durch Ashari.

      Als Nadira diese „Schlucht" hinter sich gelassen hatte, öffnete sich der Ausblick und ganz (naja, genau gesagt, halb) Seraint lag vor ihr. Sie sah die prunkvollen Villen der reichen Leute, die sich vor allem in der Nähe des Berges befanden, und immer innerhalb der Innenstadt. Die Innenstadt, oder auch alte Stadt, war von einer Mauer umgeben. Es war die alte Grenze der Stadt gewesen. Aber die Stadt war gewachsen, inzwischen um ein Vielfaches, und schließlich waren erneut Mauern um die Stadt gezogen worden. Seraint bestand also aus zwei Kreisen, deren Zentrum der Berg, und damit das Haus von Dyn Arthos, bildete.

      Inzwischen war aber auch der Bereich innerhalb der äußeren Mauer zu klein, und erste Leute fingen an, sich außerhalb der Mauer anzusiedeln. In der näheren Umgebung von Seraint gab es eine ganze Menge kleine Dörfer. Sie gehörten nicht direkt zur Stadt, waren aber nah genug an den Stadtmauern, dass die Bewohner sich, im Falle eines Angriffs, in die Stadt in Sicherheit bringen konnten.

      Nadiras Ziel lag im äußeren Ring, also noch in der Stadt, aber nicht in der Innenstadt. Es war eines der ärmeren Gebiete innerhalb von Seraint und es war ein weiter Weg.

      Am Ende des Weges, am Fuße des Bergs, befand sich ein weiteres Tor. Da es aber keine Mauer um den Berg herum gab, hatte es eher symbolischen Charakter als eine Verteidigungsfunktion. Auch die Wachen an diesem Tor verneigten sich vor Nadira als sie das Tor passierte. Nadira war diese Respekterbietung unangenehm. Sie war froh, als sie das Tor hinter sich ließen und in die Menge eintauchten.

      Das „in die Menge eintauchen" glückte aber nicht so gut, wie Nadira sich das vorgestellt hatte. Die Menschen gingen ihr und ihrem Wächter respektvoll aus dem Weg. Viele Menschen die sie passierten verbeugten sich oder machten einen Knicks.

      Nicht alle Menschen waren so zurückhaltend. Ein paar wollten mit der Dyna reden, sie um einen Gefallen bitten, aber Bainus machte seinen Job gut und lies niemand an Nadira heran. Er würde einen guten Hüter abgeben, dachte Nadira. Und früher oder später würde sie einen wählen müssen.

      Am Rande der Innenstadt, an der inneren Mauer, kamen sie wieder an ein Tor, und wieder verneigten die Wachen sich von der Dyna. Nadira versuchte es zu ignorieren oder als normales Verhalten abzutun. Aber das wollte ihr nicht so ganz gelingen.

      Im äußeren Ring wurde es noch schlimmer. Die Leute hier waren nicht nur respektvoll, viele waren sogar ängstlich. Wenn Nadira jemand ansah, verbeugte dieser sich schnell und versuchten dann wegzukommen. Dieses Verhalten verletzte Nadira ein wenig, obwohl sie selber nicht genau wusste wieso. Die Leute verhielten sich ja nicht ihretwegen so, sondern nur wegen ihres Standes.

      Schließlich kamen sie an einen Marktplatz. Er platzte schier aus den Nähten vor Menschen. Hier waren so viele Menschen, dass selbst eine Dynari kaum auffiel. Einige Male wurde sie von jemand angerempelt. Diese Leute wurden dann regelrecht bleich, als sie sahen, wen sie da angerempelt hatten. Sie entschuldigten sich überschwänglich und Nadira versuchte sie zu beruhigen und ihnen zu versichern, dass alles in Ordnung war.

      Schließlich kamen sie an eine Stelle, die offenbar so vollgestopft war, dass die Menschen nicht ausweichen konnten. Die Leute hier waren außerdem zu beschäftigt, nicht zerdrückt zu werden, sodass sie die Dyna gar nicht bemerkten. Immer wieder mussten sie anhalten und Bainus trieb die Leute lautstark auseinander. Nadira fand dieses Verhalten ziemlich unangebracht. Aber es gab noch eine Steigerung. Mehrere Leute machten auch nach mehrmaliger Aufforderung keinen Platz. Bainus packte die Leute schließlich einfach und stieß sie aus dem Weg.

      Ein paar der Männer wollten das nicht auf sich sitzen lassen und begannen einen Streit mit Bainus. Der Streit drohte zu eskalieren, als dieser plötzlich sein Schwert zog. Jetzt war es Nadira zu viel geworden, sie ging dazwischen.

      „Hört sofort mit diesem Unsinn auf", schrie sie. „Ihr alle." Dabei sah sie Bainus scharf an.

      „Sie sind respektlos", rief er. „Sie wollten keinen Platz machen."

      „Das ist aber kein Grund sie anzugreifen", sagte Nadira, dann wandte sie sich an die anderen. „Und was ist mit euch? Wieso wollt ihr uns nicht durchlassen?"

      Ein Mann trat hervor. Er war in einfache Sachen gekleidet und etwas verschwitzt. Ein einfacher Mann. Er verneigte sich vor Nadira und sagte: „Bitte verzeiht uns, Dyna. Wir hatten Euch nicht gesehen. Diese Gasse hier ist sehr eng. Wir haben nur gesehen, dass dieser Mann handgreiflich wurde."

      „Ich habe gesagt, ihr sollt Platz für die Dyna machen", schrie Bainus den Mann an.

      „Genug",