Das Haupthaus war ein massiger Bau mit drei Stockwerken, dessen
Erdgeschoss ein wenig zurückgesetzt war, sodass die Obergeschosse eine Art
Vordach über dem Eingangsbereich bildeten und durch schwarze Säulen aus
Stein abgestützt wurden. Zwischen diesen Säulen führten breite Stufen zum
zweiflügeligen Haupteingang des Hauses, neben dem es noch eine weitere,
massiv wirkende Tür gab, die zu einem schmalen Treppenhaus führte,
welches an der mittleren Wehrmauer endete. Das Erdgeschoss des
Haupthauses besaß keine Fensteröffnungen oder Schießscharten. Dafür waren
die Fenster in den oberen Stockwerken breit und wurden von kleinen
Rundbögen gestützt, die mehr der Aussicht als der Verteidigung zu dienen
schienen. Dort, wo das Obergeschoss an die westliche Wehrmauer stieß,
befand sich eine schmale Tür, die Mauerabschnitt und Haus miteinander
verband.
In dem kurzen Mauerabschnitt, der das Haupthaus und die Unterkunft der
Schwertmänner miteinander verband, befanden sich drei kleine Tore, die
durch den hölzernen Wehrgang geschützt wurden, der sich zwischen den
Gebäuden erstreckte und der vollkommen überdacht war. Hier postierte
Bogenschützen konnten gleichermaßen den vorderen wie den hinteren
Burghof und deren Mauerabschnitte bestreichen.
Hier drinnen, im Burghof, spürte Kormund auch zum ersten Mal die Hitze
des Tages. Der stete Wind der Hochmark war hier nur schwach zu fühlen, und
die Mauern speicherten und gaben die Wärme wieder ab. Kormund saß ab
und übergab die Zügel seines Pferdes an Lukan. Die beiden Männer sahen
sich an und verstanden sich ohne weitere Worte.
»Ich werde darauf achten, dass die Pferde gesattelt bleiben, alter Freund«,
murmelte Lukan. »Tränken, füttern und ein wenig führen. Keine Sorge, sie
werden keine Wasserbäuche haben, sollten wir sie rasch wieder benötigen.«
Lukan nahm den runden Helm ab, und seine verschwitzten roten Haare
wurden sichtbar. »Und ich werde Euch ein anderes Schwert aus der
Rüstkammer holen.«
Kormund schnallte seinen Schwertgurt mit der leeren Scheide ab und
überreichte ihn Lukan, damit dieser ein passendes Schwert aussuchen konnte,
dann nickte er dem alten Kämpen zu. Er ging die breiten Stufen des
Hauptgebäudes hoch und erreichte den Schatten des Vorbaus. Hier, am
Eingang zum Sitz des Pferdefürsten, standen zwei Schwertmänner. Im
Gegensatz zu den normalen Pferdelords, die für den Krieg ausgebildet
wurden, aber nur im Kriegsfall einberufen wurden, waren die Schwertmänner
des Pferdefürsten, wie auch die des Pferdekönigs in der fernen Hauptstadt,
disziplinierte Berufssoldaten, die stets im Dienst waren. Sie wussten, dass
Kormund viel zu früh von seiner Patrouille an der Außengrenze zurück war,
doch sie stellten keine Fragen, sondern öffneten ihm schweigend die Tür.
Kormund trat durch den schmalen Flur in den unteren Raum des
Hauptgebäudes und in die große Halle ein, in welcher schon manches Fest
und manche Zeremonie stattgefunden hatten. Im Gegensatz zu dem Rot, Grün
und Gold der Halle des Königs der Pferdelords wirkte die Halle von Eternas
jedoch kühl. Säulen aus schwarzem Stein erhoben sich vor grauen Mauern,
und trotz ihrer Kapitelle und Verzierungen wirkten sie kalt. Einige winzige
Fenster an der Westseite, die eher Schießscharten ähnelten, ließen nur trübes
Licht in die Halle einfallen, und allein wenn man die riesigen Leuchter unter
der Decke entzündete, füllte sich der Raum wirklich mit Licht. Zwischen den
Bögen standen die dreieckigen Wimpel der Beritte mit ihren Lanzen, und an
der Stirnseite hing als Farbtupfer ein riesiges grünes Tuch mit den Insignien
der Hochmark. An den Wänden entlang standen Bänke und Tische, die aber
nicht benutzt wurden. Die Besatzung der Burg verwendete andere
Räumlichkeiten für ihre täglichen Verrichtungen. So hallten Kormunds
Schritte seltsam hohl von den Wänden wider, während er an der rechten
Wand und ihrem riesigen gemauerten Kamin vorbei zur Treppe hinüberging,
die in den eigentlichen Amtsraum des Pferdefürsten führte. Er stieg die
steinernen Stufen hinauf, erwiderte den Gruß der dort postierten Ehrenwache
und klopfte an die massive Holztür.
Als er den kurzen Ruf aus dem Inneren vernahm, trat Kormund in das
Amtszimmer des Herrn der Hochmark ein und legte die Hand zum Gruß an
seine Hüfte, wo sich normalerweise der Griff seines Schwertes befand.
»Scharführer Kormund vom ersten Beritt, Hoher Lord«, meldete er, obwohl
ihm bewusst war, dass der Pferdefürst jeden seiner Männer sehr genau kannte.
Doch gerade in der kleinen Gemeinschaft der Hochmark war gegenseitiger
Respekt lebenswichtig, und die Pferdelords der Wache bewahrten die alten
Traditionen.
Garodem, der Pferdefürst der Hochmark, blickte von seinem breiten
Arbeitstisch auf. Er war eine eindrucksvolle Gestalt. Nicht besonders groß
und muskulös, aber durchaus stattlich, strahlte er eine enorme Kraft aus, und
sein Gesicht war gleichermaßen würdevoll wie freundlich. Als Pferdefürst
hatte er sich den Respekt der Bevölkerung verdient, aber Kormund wusste,
dass es vor allem der Mensch Garodem war, den die Männer und Frauen der
Hochmark schätzten. Der Pferdefürst war nun Mitte der fünfzig, und sein
einst blondes Haar war inzwischen ergraut. Falten hatten sich in sein Gesicht
gegraben, die gleichermaßen von seinen Sorgen und seinem Sinn für Humor
zeugten. Garodem trug einfache Stiefel und Beinkleider, und nur sein
dunkelblauer Überwurf mit dem golden eingestickten Symbol der Mark
zeigte, welchen Status sein Träger hatte.
»Ihr seid mir willkommen, Kormund, alter Freund.« Der Pferdefürst legte
die Feder ab, mit der er gerade geschrieben hatte, und blickte Kormund
aufmerksam an. Dieser wiederum sah fasziniert auf die Feder, die Garodem
gerade