Waldes, in dem alles seinen Anfang genommen hatte. Zumindest, wenn man
es vom Standpunkt eines elfischen Wesens aus betrachtete.
Der Wald war alt, wohl älter als jedes elfische Leben. An seinen Rändern
wuchsen junge Bäume heran, die zur Mitte des Waldes hin keinen
Lebensraum gefunden hätten, denn dort standen gewaltige Stämme, die auch
zehn Männer nicht zu umfassen vermochten und deren Kronen sich
Hundertlängen über den Boden erhoben, um das notwendige Sonnenlicht
einzufangen. Zwischen diesen Stämmen herrschte oft ein dämmeriges
Zwielicht, da es den Strahlen der Sonne schwerfiel, den Boden zu erreichen,
aber es gab Pilze, die einen sanften Lichtschimmer ausstrahlten, der den
Lebewesen des Waldes genügte. Manche Stellen waren unzugänglich, denn
dort waren alte Stämme zusammengebrochen und moderten von Moos
bewachsen dem endgültigen Verfall entgegen. Ihr Humus gab Farnen,
Kräutern und einer Vielfalt von Blumen und Gräsern Nährstoffe.
Inmitten des Waldes gab es eine Reihe von Lichtungen, über welche sich
die Bäume, aus welchem Grund auch immer, nicht ausgebreitet hatten.
Bachläufe und ein breiter Fluss zogen sich durch das saftige Grün und die
Farbenpracht der Pflanzen. Selbst ein großer See fand hier Raum. Insekten
und Tiere bevölkerten den Wald und nutzten jede Nische, um zu überleben
und sich auszubreiten. Insekten wurden von Nagern gefressen und Nager von
größeren Jägern. Der größte Jäger war jedoch der Elf mit seinen Fähigkeiten,
zu planen und Waffen herzustellen. Dennoch scheuten die Lebewesen des
gewaltigen Waldes nicht vor den Elfen zurück, denn diese nahmen nur, was
sie zum Leben brauchten.
Hier, in diesem Wald, erhob sich das gewaltige Haus des Urbaums, das
elfische Haus Deshay. Das erste, älteste und stärkste Haus des Elfenvolkes.
Von hier waren die Elfen einst ausgezogen und hatten die anderen Häuser des
Waldes und der See gegründet. Mittlerweile gab es viele von ihnen, doch
keines würde je die Größe und Bedeutung des Urhauses Deshay erlangen.
»Du warst nicht da, Jalan, mein Freund, und konntest nicht am Rat
teilnehmen.« Theons Stimme nahm einen leicht erregten Unterton an. »Du
warst an den Neuen Ufern und hast sie gesehen.«
Jalan spürte die Neugier seines Freundes und wandte ihm den Blick zu.
»Zunächst muss der Hohe Rat der Häuser meine Stimme hören. Davor kann
ich nichts sagen, Theon, das weißt du. So ist es das Gesetz der Elfen.«
Jalan stieß ein leises Seufzen aus. Er beugte den Oberkörper leicht vor und
stützte sich dabei gegen den hohen Schild, den er vor sich auf den Boden der
Lichtung gestellt hatte. Im Schein der Sterne funkelten das Gold und Silber
seiner Rüstung. Polierter Stahl, wie ihn nur Hände und Feuer der Elfen zu
schmieden verstanden, und über dem Stahl breite, mit Gold beschichtete
Bänder, welche die Rüstung stark und zugleich flexibel machten. Das
wertlose Gold verlieh dem Körperpanzer zwar einen verräterischen Glanz,
schützte jedoch das darunter befindliche wertvollere Metall vor den
Witterungseinflüssen. Der Panzer bedeckte Ober- und Unterleib und wurde
über dem elfischen Gewand aus feinem Stoff getragen, das bis hinunter zu
den Knöcheln reichte. Der Stoff klaffte ein wenig auseinander und zeigte an
den Beinen Jalans den silbrigen Schimmer der Kettenglieder, aus denen der
Beinschutz bestand. Die Füße steckten in ledernen Stiefeln, deren
Vorderseiten mit Panzerschienen verstärkt waren. Auf dem Kopf trug der Elf
den hohen Helm des Hauses Deshay, der mit dem filigran gearbeiteten
Symbol eines weit verästelten Baumes geschmückt war. Nacken und
Kinnpartie waren durch verzierten Stahl geschützt. Um die Schultern des
Elfen hing der lange blaue Umhang seines Volkes, vor dem Hals mit einer
goldenen Spange verschlossen, die das Symbol des Baumes wiederholte.
Jalan seufzte erneut und legte seine rechte Hand ungeduldig um den Griff
seines leicht geschwungenen Schwertes. »Die Neuen Ufer sind voller Wunder
und Gefahren. Meine Augen haben viel gesehen, und wenn ich dem Hohen
Rat der Häuser berichtet habe, wirst auch du von mir erfahren, wie es um die
Zukunft unserer Häuser bestellt ist.«
Theon nickte und drehte sich um. Obwohl er eine Rüstung trug, machte er
dabei kaum ein Geräusch. So stark die Panzerungen auch waren, wurden sie
von elfischen Händen doch sehr leicht gebaut, wodurch sie wenig wogen und
dem Besitzer jede Bewegung erlaubten. Sie waren derart sorgfältig bearbeitet,
dass ihre Elemente fast miteinander verwoben schienen und nicht den Lärm
menschlicher Rüstungen hervorriefen.
Hinter Theon und Jalan war die große Lichtung von einem Blitzen und
Funkeln erfüllt. Es schien, als sei der Boden aus Gras und Wildblumen unter
einer golden schimmernden Wolke verschwunden, denn fünftausend elfische
Krieger standen hier voll gerüstet und warteten schweigend auf den Feind, der
nun bald kommen musste.
»Enolas ist nervös«, stellte Theon-olud-Deshay lächelnd fest.
»Es wird sein erster wirklicher Kampf.« Jalan blickte nach Osten in den
Wald, dorthin, von wo der Feind kommen musste. »Er zählt kaum hundert
Jahreswenden.«
»Ja, er ist noch jung. Und wir sind ein glückliches Haus.« Theon nickte
zufrieden. »Geburten sind selten geworden in den Häusern der Elfen, Jalan,
mein Freund. Doch unseres scheint davon nicht betroffen. Auch deine
Gemahlin wird uns bald das Geschenk machen, eine Tochter zu gebären.«
»Ja, ein glückliches Haus«, bestätigte Jalan sichtlich zufrieden. »Es scheint
ein seltsamer Fluch mit unserer Unsterblichkeit verbunden zu sein, wo doch
die anderen Häuser so wenige Kinder bekommen. Aber wir sind das Haus
Deshay, das Haus des Urbaums.«
»Hast