Vestalia. Tina Bajza. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tina Bajza
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738081213
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Auch er würde einmal so enden. Sofort schüttelte er den Gedanken wieder ab.

      Der Gehilfe öffnete eines der Kühlfächer und ein unerträglicher Gestank nach Fäulnis und chemischen Mitteln stieg von Claudios toten Körper auf. Jegliche Farbe war aus Claudios Körper verschwunden. Das Fleisch wirkte grau und abgestorben, es hatte keinerlei lebendige Färbung mehr, bis auf die Blutergüsse. Die groben Stiche von der Autopsie wölbten die Narben nach außen und ließen keine Zweifel mehr daran, dass die Hülle nicht mehr beseelt war. Carmine sah sich alles in Ruhe an, von Kopf bis Fuß. Er spürte ein leises Bedauern. So chaotisch und gedankenlos Claudio gewesen war, war es nicht allzu überraschend, dass es so gekommen war. Und dennoch machte es ihn wütend. Er war nicht in der Lage gewesen, es zu verhindern! Dieses Versagen konnte ihn teuer zu stehen kommen.

      Der Gehilfe trug ihm das Ergebnis der Obduktion vor, aber es war nichts Neues dabei. Carmine ließ sich Cladios Sachen bringen und zog sich mit ihnen in einen separaten Raum zurück. Viel war es nicht: Die Kleidung, die streng nach Rauch und Schweiß roch, Zigaretten, Feuerzeug, Kaugummi und Kondome, seine Golduhr und… da fehlte doch etwas! Instinktiv griff sich Carmine an die Brust und umklammerte seine Jungfrau Maria, die er unter dem Hemd um den Hals trug. Wo war Claudios? Sie war nicht da. Er packte die Gegenstände bis auf ein Streichholzbriefchen wieder in die Tüte und brachte sie dem Gehilfen zurück. Er fragte ihn nach der fehlenden Halskette. Es war keine bei dem Toten gefunden worden.

      14 Sperati und Marsella

      Als Sperati am Montagmorgen aufs Revier kam, wartete Primo Dirigente Marsella in seinem Büro auf ihn. Sperati schloss die Tür hinter sich und blieb vor seinem eigenen Schreibtisch stehen wie irgend so ein Grünschnabel. Er sah auf sein Namensschild und verglich es mit dem Gesicht vom Primo Dirigente, der es sich dahinter in seinem Stuhl gemütlich gemacht hatte. In diesem Moment begriff er, wie schnell sich die Umstände für ihn ändern konnten. Dass es keine größere Schwierigkeit darstellen würde, seinen Namen auf dem Namensschild gegen einen anderen auszutauschen.

      „Ispettore Sperati, es freut mich, dass Sie einen Moment erübrigen konnten. Bitte, setzen Sie sich! Ich bin sehr neugierig, war Ihre jüngsten Untersuchungen ergeben haben.“

      Sperati teilte Marsellas Freude nicht. Er wollte sich den Leichnam noch einmal ansehen. Vielleicht half ihm der Tote weiter, nachdem ihm die Lebenden nur die Luft zum Atmen nahmen. Hoffentlich würde Marsella die Ermittlungen nicht behindern, oder in bestimmte Bahnen lenken, nur um den Fall zum Abschluss zu bringen, ungeachtet der Wahrheit. Oder stand die Wahrheit womöglich schon fest? Sparati war mitten in einem Spiel, dessen festgelegten Ausgang er als einziger nicht kannte, so schien es ihm.

      „Primo Dirigente, Sie beehren uns mit Ihrem Besuch! Wir sind Ihnen für Ihre Unterstützung in dieser Angelegenheit sehr dankbar.“

      Marsella machte keine Anstalten aufzustehen, stattdessen legte er die Füße auf den Tisch.

      „So, sind Sie das?“ Marsella zeigte seinen Unglauben über die Schmeichelei ganz offen. „Und Signore Rubinieri, war er Ihnen eine Hilfe?“

      „Hilfe“ hieß das also. Das Ruder aus der Hand reißen, war wohl zutreffender. Sperati kam sich vor, wie ein Botenjunge: „Laufe vom Papa zum Onkel und richte ihm Folgendes aus.“ Nicht einmal an seinen eigenen Schreibtisch konnte er. Er musste dringend die Zügel wieder in die Hand nehmen! Auch wenn er ein Mann von eher bescheidener Natur war, so gefiel es ihm gar nicht, wie eine Spielfigur hin- und hergeschoben zu werden.

      „Si, Signore Primo Dirigente! Leider haben die Untersuchungen nicht das ergeben, was Signore Rubinieri und ich uns erhofft hatten.“

      „Dann finden Sie es! Es ist von höchster Wichtigkeit, dass die Angelegenheit sauber und schnell geregelt wird. Sobald Sie etwas in Erfahrung bringen, lassen Sie es mich wissen, und nur mich! War das deutlich? Ich wünsche einen regelmäßigen Bericht. Und ich wünsche baldige Resultate!“

      „Selbstverständlich, Signore Primo Dirigente!“

      „Nun, dann kann ich ja beruhigt gehen. Auf mich warten eine Menge erhitzter Gemüter, die es zu beschwichtigen gilt. Diese verdammte Hitze macht alle verrückt.“

      Marsella schwang seine Füße vom Schreibtisch. Er verabschiedete sich von Sperati, indem er ihm auf die Schulter klopfte, und stolzierte zur Tür hinaus.

      Sperati wartete, bis Marsellas Schritte verklungen waren. Dann schlug er mit einem lauten Knall die Tür zu und wischte mit seinem Ärmel die Schuhabdrücke vom Schreibtisch. Der aufdringliche Geruch von Marsellas Aftershave hielt sich noch eine Weile in der Luft, obwohl das Fenster weit offen stand.

      15 Der Geschäftstermin

      Vestalia stand vor dem Juweliergeschäft und sah sich den Schmuck in der Auslage an. Die winzigen, kaum wahrnehmbaren Lämpchen beleuchteten die Ausstellungsstücke, um sie noch strahlender und begehrenswerter erscheinen zu lassen. Sie sah über die vordergründige Blendung hinweg und betrachtete das Design und die Verarbeitung, zumindest soweit es mit bloßem Auge und das dicke Panzerglas hindurch möglich war. Sie konnte eine gewisse Bewunderung nicht leugnen. Nach längerer Betrachtung jedoch, fingen die Stücke an, sie zu langweilen. Nichts, was sie nicht bereits in anderen Kollektionen gesehen hatte. Enttäuscht wandte sie sich ab. Im Inneren der Verkaufsräume befand sich eine Mitarbeiterin im Kundengespräch und eine andere musterte sie bereits erwartungsvoll vom anderen Ende der Theke. Vestalia ging hinein.

      „Buongiorno!“

      „Buongiorno Signora! Wie kann ich Ihnen behilflich sein?“

      Das eben noch zurückhaltende Lächeln der Verkäuferin mutierte zu einem breiten Grinsen und entblößte eine Reihe stark gebleichter Zähne, die beinahe schon bedrohlich wirkten.

      „Ich bin Vestalia Di Salvo. Ich habe einen Termin mit Signora Luci.“

      „Oh, selbstverständlich!“ Das breite Grinsen verwandelte sich in eine Grimasse der Verlegenheit.

      „Ich bitte um Entschuldigung, Signora Di Salvo! Ich bin untröstlich. Signora Luci erwartet Sie bereits. Wenn Sie mir folgen möchten?“

      Die Mitarbeiterin führte sie an glänzenden Glasvitrinen und glitzernden Ausstellungstresen vorbei. Unzählige Edelsteine zwinkerten ihr verführerisch zu und flüsterten ihr unwiderstehliche Versprechungen ins Ohr. Im hinteren Teil des Geschäftes führte eine Treppe zu den Büroräumen in der oberen Etage. Die Mitarbeiterin bat sie, im Vorzimmer einen Moment Platz zu nehmen und verschwand nach einem kurzen Klopfen in Signora Lucis Büro. Es vergingen keine zwei Minuten, als beide Damen wieder herauskamen. Signora Luci war adrett und höchst geschmackvoll gekleidet. Elegant umschmeichelte das dunkle Kostüm mit dem Stehkragen und den kleinen Puffärmeln ihre wohlgeformten Rundungen - Armani, nahm Vestalia an. Die blonden Haare hochgesteckt, enthüllte Signora Luci ihren schwanenhaften Hals, um den sich ein verspieltes Collier schmiegte.

      „Buongiorno Signora Di Salvo! Wie schön, dass Sie es so kurzfristig einrichten konnten.“

      „Buongiorno Signora Luci!“

      „Grazie Anna!“, entließ Signora Luci die Angestellte.

      „Signora Di Salvo, bitte treten Sie ein!“

      „Grazie!“

      Das Büro war leicht durchflutet von der morgendlichen Sonne. Dezent aber sehr geschmackvoll eingerichtet mit dunklem Mobiliar als Kontrast zu dem ansonsten hellen Raum. Sie nahmen auf der Sitzgruppe in der Ecke Platz und Signora Luci reichte ihr einen Espresso.

      „Wie geht es Signora Favelli? Sie ist wohlauf, hoffe ich.“, erkundigte sie sich.

      „Sie lässt Ihnen schöne Grüße ausrichten, und bedankt sich wärmstens für Ihre Vermittlung.“ Vestalia versuchte den Small-Talk, soweit es ging, zu umgehen. Sie wollte schnellstens den Termin hinter sich bringen.

      „Ich kann Ihnen nicht sagen, wie sehr ich mich darüber freue, dass Sie und Signora Favelli den Zuschlag bekommen haben. Es sind