Niemand schaut in mich rein. Steffen Kabela. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Steffen Kabela
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753156514
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und glücklich, diese Wärme für mein Herz und meine Seele ist für immer gegangen und jetzt ist es nur kalt und dunkel um mich herum. Die Unruhe gönnt mir nur wenig Schlaf, ich bin erschöpft, erschöpft vom Grübeln und von den Sorgen und der tiefen Trauer. Ich versuche Erleichterung durch das Schreiben zu finden, aber es tut nur weh, es ist sehr schmerzhaft. Dennoch mache ich mit dem Schreiben weiter. Immer wieder stelle ich mir die Frage nach dem Sinn des Lebens. Welchen Sinn macht mein Leben noch. Hat es noch einen Sinn? Wie soll das alles weitergehen! Ich weiß es nicht, ich finde keine Erklärung. Ich bin weder geboren wurden, um aufzugeben, noch wurde ich zum Aufgeben erzogen. Stets musste ich kämpfen, stets habe ich gekämpft. Geschenkt wurde mir nie etwas, ich habe mir alles erkämpft oder erarbeitet. Und verloren habe ich, sehr viel verloren habe ich, nie aber meine Würde und meinen Anstand. Die Liebe galt immer meiner kleinen Familie, meinen Eltern, meiner Omi. Ich werde auch jetzt nicht aufgeben und weitermachen, ganz im Sinne meiner Mama, Papa und Oma. Mein Hirn wird mich immer wieder fragen nach dem Sinn des Lebens und ich werde mich immer wieder damit auseinandersetzen müssen an vielen Tagen und Nächten. Wenn mein Leben zu Ende geht, dann ist es so. Ich habe keine Angst davor, Angst vor dem Tod. Ich habe Angst davor, mir etwas an zu tun, Angst vor Schmerzen und dem danach. Selbst mir das Leben nehmen, der Gedanke macht mich wütend. Die Kraft habe ich nicht und auch nicht den Willen. Es sind die bösen, schlechten und negativen Gedanken, ich will sie verdrängen, sie sind aber stärker als ich. Warum sind sie so stark? Warum bin ich nicht mehr so stark? Meinen Willen konnte man mir nie nehmen und brechen, das habe ich nicht durch meinen Kampf zugelassen. Mich hat man zerstört, innerlich seelisch kaputt gemacht, der Ärger und die Kämpfe und Auseinandersetzungen mit den Ämtern, Behörden, Ärzten, Krankenkasse, Krankenhaus und anderen Institutionen. Es ist viel in mir zerstört wurden, das weiß ich schon lange. Wurde ich jetzt doch gebrochen? Hat man es geschafft? Auf diese Frage habe ich keine Antwort, also macht an dieser Stelle mein Kopf weiter. Grübelgedanken übernehmt!

      Titel

       Herbst wird, was bringt er

      Ich kann nicht darüber nachdenken, wie schnell die Zeit vergeht. Nun haben wir schon wieder Herbst. Vor einem Jahr war unser Martyrium in vollem Gange, Mami war schwerst krank und die Abstände wurden immer geringer, dass wir den Notarzt rufen mussten. Und somit wurden unsere Erlebnisse mit der Rettung und dem Krankenhaus immer krasser und schrecklicher. Mami hatte nach dem Tablettenentzug die schlimmen Albträume und die immer wiederkehrende Luftnot. Es ist eingebrannt in meinem Kopf, ich muss oft und viel daran denken. Auch immer wieder höre ich den Spruch unserer Hausärztin bei der Nachfrage nach einem Sauerstoffgerät, als sie meinte, „Machen Sie doch die Balkontüre auf, da hat sie genug Sauerstoff, das zahlt die Kasse nicht“. Immer wieder kämpfe ich mit Gänsehaut und Tränen im Gesicht. Es war furchtbar. Jetzt bleibt mir nur eines, meine Gedanken und Erinnerungen und der Besuch unserer Grabstätte. Ich werde sie neu bepflanzen für den Herbst, damit alles wieder schön aussieht.

      Viele Baustellen gibt es in meinem Leben. Ich kämpfe sehr stark mit mir und meiner großen Enttäuschung. Ich habe wieder einmal Vertrauen geschenkt und auch noch daran geglaubt. Schon lag ich wieder auf der Nase und dieser Absturz tat richtig weh. Ich weiß, ich kann niemanden vertrauen und Glauben schenken, schon gar nicht den „Halbgöttern in Weiß“. Das funktioniert nicht. Es war eine herbe Enttäuschung und ist bittere Realität. Ich habe es getan, ich habe Gefühle zugelassen, ich habe über Gefühle gesprochen und schlimmer noch, ich habe Gefühle gezeigt. Damit war ich komplett allein und unverstanden. Ich wusste, dass ich es nicht machen kann, die Quittung folgte unverzüglich. Die Konsequenz steht für mich fest, ich werde nie wieder einen Menschen an mich heranlassen und Gefühle zeigen. Ich bin tieftraurig und niedergeschlagen. In diesem Tagebuch schreibe ich mir ein wenig von der Seele. Mehr geht nicht. Über viele Jahre hinweg war ich pflegender Angehöriger und habe viel erleben müssen und dürfen. Einfach wurde es uns nie gemacht, immer richtig schwer. Es sollte vielleicht so sein, ich weiß es nicht, es ist Spekulation. Einige Jahre pflegte ich meine Mama, ich war rund um die Uhr bei ihr, Tag und Nacht, wir waren immer zusammen, Mami brauchte auch meine Hilfe. Ich habe es gerne getan, nicht nur gerne, sogar sehr gerne, ich habe mit Liebe gepflegt und alles für meine Mami und vor allem mit ihr gemeinsam gemacht. Egal ob Haushalt oder Essen gekocht, egal ob Küche, Bad oder Schlafzimmer … wir waren immer zusammen und alles wurde gemeinsam erledigt. Wir haben gemeinsam die Körperpflege erledigt, die Toilettengänge, wir haben gemeinsam gelacht und auch geweint. Und das war sehr schön. Ich war immer für meine Mami da, wenn auch Mal ein „Unglück“ geschah, ich habe es bereinigt. Sie brauchte und musste sich nicht schämen, sie konnte ja nichts dafür. Hätte unsere Hausärztin reagiert, wäre es nicht so weit gekommen, der Beweis wurde erbracht. Im Krankenhaus geschah auch ein kleines Malheur in der Nacht. Mami konnte nicht reagieren, die Schwestern verabreichten ihr Schlafmittel wegen dem unruhigen Schlaf, den störenden Albträumen. Und genau diese Albträume hatte das Krankenhaus zu verantworten mit ihrem abrupten Tablettenentzug. Das wusste auch die Ärztin. Mami schämte sich sehr und hatte Angst davor, vor den Albträumen und auch dem Ruhigstellen. Mami war so unwahrscheinlich sauber. Aber es half nichts, die Schwestern wollten ihre Ruhe haben, somit wurden die Patienten mit Medikamenten ruhiggestellt und die Klingeln hoch gehangen. Eine Schwester hatte meine Mami wegen dem kleinen Malheur böse ausgeschimpft. Sie erzählte es mir und die Bettnachbarin bestätigte, wie bösartig die Schwester war. Ich suchte das Schwesternzimmer auf, fand sie und machte ihr eine dementsprechende klare Ansage vor allen Anwesenden. Feuerrot lief sie an, mich interessierte es nicht. Andere Angehörige stimmten mir auch noch zu. Natürlich fasste ich meine Mami ohne Gummihandschuhe an. Das ist doch normal für mich. Auch das passte einer Pflegekraft nicht und ich wurde an geraunt mit den Worten „Sie fassen die wohl so an“, ich antwortete „Natürlich, warum nicht, es ist doch meine Mama“. Aus der Pflegekraft dröhnte ein bösartiges „Pfui“ und sie verschwand. Ich war erschrocken, sprachlos und geschockt. Nicht nur ich, auch die Bettnachbarinnen. Ich schoss ihr unverzüglich hinterher und machte ihr auf dem Gang eine weitere Ansage. In letzter Konsequenz musste sie sich bei mir entschuldigen, tat es auch mit einem Grinsen im Gesicht. Diese Gedanken belasten mich sehr und gehen mir regelmäßig durch den Kopf. Außerdem fehlen mir die Worte wegen der Dreistigkeit. Genau vor einem Jahr war es wieder soweit und meine Mami musste in das Krankenhaus. In meinem Kopf ist das reine Wirrwarr. Den Notarzt hatte ich informiert und Mami wurde wieder in die Klinik mitgenommen. Sofort war mir klar, dass es wieder Probleme geben wird, denn kein Delitzscher Rettungswagen hatte den notwendigen Rettungsstuhl an Bord. Trotz Kenntnis der Verantwortlichen darüber, änderte sich nichts. Somit kam die Rettungsdecke zum Einsatz. Drei Rettungssanitäter und eine Notärztin waren bei meiner Mama. Ich verwies auf die Klinikberichte und den damit untersagten Transport in einer Rettungsdecke. Das interessierte die Notärztin nicht und tat es ab mit dem Argument, dass kein Personal vorhanden sei. Ein anderer Rettungssanitäter wollte von mir, dass ich Mami mit der Treppe herunter befördere und die Rettungsdecke mittrage. Das lehnte aus gesundheitlichen Gründen ab. Sehr lautstark beschimpfe er mich und betitelte mich als „Fauler Hund“. Jetzt gingen sich die Rettungssanitäter untereinander regelrecht an die Kehle. Ein anderer Sanitäter schaute mich an sagte zu mir „Das werden Sie sich doch nicht gefallen lassen“ – das lässt tief blicken. Es half nichts, 3 Männer und eine Frau trugen Mami in der Rettungsdecke 40 Stufen hinab und schlugen dabei immer wieder ihren Körper auf die Treppe auf. Mami standen Tränen in den Augen, sie stöhnte bei jedem Aufschlagen und nahm wie immer die Prozedur einfach hin. Am Ende hatte sie an den Armen Schürfwunden und am Rücken und Steißbein riesige blaue Flecke. Musste das sein? Sicherlich nicht. Ich beschwerte mich über diese unhaltbaren Zustände bei den Behörden. Ändern tat sich nie etwas. Es betraf bloß einen alten und kranken Menschen, also ohne Bedeutung für die Beamten. Wie steht es so schön in unserem Grundgesetz : Die Würde des Menschen ist unantastbar. Das stimmt auch, aber im schönen nordsächsischen Delitzsch, am schönen Loberstrand, ticken die Uhren etwas anders. Hier ist die Würde des Menschen nicht unantastbar, hier tritt man sie mit Füßen. Und das belastet mich sehr, weil es noch viel mehr solcher Vorkommnisse gab. Mein Grübeln ist in der Endlosschleife. Es war einfach alles zu viel für mich. Mami ertrug immer alles so geduldig, die Hauptsache war für sie, ich war da und bei ihr. Das war ich, ich war immer bei ihr und kümmerte mich um meine Mama.

      Mami war so ein liebevoller, geduldiger, zufriedener und großartiger Mensch, einfach ein Schatz. Ich achte