Walpurgisnackt. Sara Jacob. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sara Jacob
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847693383
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nein, wollen wir nicht.«

      Faust zuckte mit den Schultern.

      »Also haben sie das Recht uns aufzuhängen, wollt Ihr das damit sagen? Schert Euch weg, so einen wie Euch brauchen wir nicht.«

      »Ganz ruhig, Herr Malfoss, ganz ruhig. Das habe ich nicht gemeint. Die Menschen fürchten das Fremde. Das war immer so und das wird so bleiben. Doch es kommen wirklich andere Zeiten, da bin ich sicher, und ihr werdet auf eure Art leben können. In der Zwischenzeit...«

      »In der Zwischenzeit verstecken wir uns in den Wäldern, ja, tief in den Wäldern. Vorsichtig sein müssen wir, nicht? Müssen auf der Hut sein vor Neid und Missgunst. Die Teufel sind überall, sind weit verbreitet, o del und o bengh sind immer im Menschen gewesen, überall auf der Welt. Und mal ist der Teufel stärker und mal Gott. Wir müssen auf die richtige Zeit warten. Unsere Frauen werden einen Stern geschickt bekommen, einen tchalai, und die Zeichen der Zeit zu lesen wissen, werden sie, genau.«

      »Ich glaube, Ihr Zigeuner, pardon Roma solltet euch nicht verschließen. Kommt mit mir nach Blankenburg, dort weht ein freier Wind. Die Menschen, so hörte ich schon in Goslar, sind viel friedlicher und aufgeschlossener.«

      »Was sollen wir dort, sagt mir, in Blankenburg, Herr Faust? Verjagt werden?«

      »Den ersten Mai begehen die Blankenburger traditionell mit ihrer großen Maifeier, der größten der Region. Wir werden dort willkommen sein mit unseren Künsten. Scherenschleifer und Kesselflicker, Tänzer, Sänger und Jongleure sind immer eine Bereicherung des Festes. Ich werde Gold herstellen und Elixiere verkaufen, ihr werdet aus der Hand lesen, es wird ein großes Fest. Kaum einer, so wurde mir erzählt, kann es mit der Toleranz der Blankenburger aufnehmen.«

      »Und der Augsburger Erlass, was ist mit dem, Herr Faust, Erlass. Passt es ihnen, können sie uns aufhängen, erschießen, erstechen, ungestraft uns die Habe wegnehmen, sagt mir, wisst Ihr das, seid Ihr Euch dessen bewusst, seid Ihr es?«

      Faust wandte den Blick ab, sah hinüber zur Sippe, die Musik machte und Essen, tanzte und mit Lederkugeln jonglierte, sang und Kessel flickte, und im Inneren vor Kummer verging.

      Misstrauen und Melancholie, dachte Faust, sind Male, die die Verfolgung in die Seele gebrannt hat.

      An diesem Abend jedoch lernte Faust noch eine Menge mehr, und was er sah, ließ ihn an seinem Können zweifeln. Spät, als die kleinen Kinder bereits eingeschlafen waren, holte ein junger Mann mit viel Feuer in den Augen und schwarzen, prächtigen Locken ein seltsames Instrument hervor, das Faust an eine kleine Gitarre erinnerte, eine Gitarre mit sechs Saiten.

      Der junge Mann flüsterte Malfoss etwas ins Ohr, der ungehalten reagierte. In einer Sprache, die Faust nicht verstand, folgte ein Wortwechsel, den der junge Mann offensicht für sich entschied. Er stellte sich vor Faust und sah ihn provokant an.

      »Ihr habt gesagt, Eure Tinkturen können Wunder bewirken. Aber wisst Ihr auch um den Zauber der Musik?«

      »Musik hat einen Zauber?« Faust zuckte mit den Schultern. Magie und Scharlatanerie waren Zwillingsbrüder.

      Ihm wurde bewusst, dass außer Malfoss, dem jungen Mann mit dem seltsamen Instrument, und zwei anderen kräftigen, sehr gesund aussehenden Männern nur noch eine Frau um das Feuer herum saß. Sie war wunderschön, mit einem spöttischen Blitzen um die Mundwinkel.

      »Ihr werdet noch Augen machen …«, sagte die Frau, leise, bevor sie vom Geiger mit einer Kopfbewegung und einem Zischen zum Schweigen brachte. Sie senkte den Kopf, aber nicht erschrocken sondern lächelnd, schmunzelnd. Der junge Rom machte eine provozierende Kopfbewegung.

      »Lasst euch von der Musik verzaubern.«

      »Was ist das?«

      »Eine Geige. Und sie hat ihre ganz eigene Magie. Hört einfach zu«, sagte der Zigeuner. Er schloss seine dunklen Augen, legte den Kopf schief und spielte.

      Schon nach den ersten Klängen fühlte der Alchemist, wie sich die Anspannung in ihm löste. Die Sippe musste lange in Ungarn gewesen sein, denn er spielte anfangs sehr getragen und halbtonlos, dann wurde das Spiel tänzerischer, lebhafter, aber gleichermaßen trauriger.

      In Faust tauchten Bilder auf, von ganz tief unten, verschüttete Erinnerungen, verdrängte Gefühle. Er sah den Zigeuner geigen, sein schwarzes Haar wippte, der Oberkörper steuerte jeder Bewegung der Arme entgegen. Die Violine jaulte, sprach, sang.

      Sein Bogen tanzte über die Saiten und es geschah etwas, mit dem Faust nicht gerechnet hatte. Die Frau stellte sich vor das Feuer und griff sich in den Schritt. Sie seufzte, bewegte die Hüften, die Augen geschlossen, den Kopf in den Nacken. Der Bogen tanzte über die Saiten, die Bilder verstärkten sich. Faust sah nackte Körper vor sich, vor Lust erregtes Fleisch, hart und fest, spürte in den Lenden ein Ziehen und Spannen und rutschte unruhig auf seinem Platz am Feuer.

      Die Frau vor ihm presste die Hand fester gegen ihren Schritt. Die ersten Laute kamen über ihre Lippen, stärker und drängender noch als das Fiedeln des Geigers. Auf einmal spürte Faust eine Erektion, wie er sie noch nie zuvor in der Hose gespürt hatte. Es war, als hatte sein Blut beschlossen, sich in seinen Lenden zu sammeln um das Tuch von innen zu sprengen.

      Die Frau kreiste mit den Hüften, stöhnte und presste die Hände in den Schoß. In einer unbekannten Sprache seufzte sie und hechelte, sie verdrehte die Augen. Der Bogen des Geigers tanzte über die Saiten, brachte Töne hervor, die Faust noch nie zuvor gehört hatte.

      Fausts Blick fiel auf den jungen Mann am Feuer. Eine Nacht, dachte Faust, voller Lust. Die Spannung war unerträglich, und beinahe hätte er vor allen Anwesenden Hand an sich gelegt. So etwas hatte er noch nie erlebt.

      »Schluss jetzt«, rief Heinrich Malfoss unvermittelt. Sein schwarzer Schnurrbart zuckte ungehalten. Der Geiger setzte ließ sofort den Bogen ruhen, die Musik brach ab. Faust spürte, wie die Erregung abflaute, die unerträgliche Lust. Nur die Erektion blieb. Das Lagerfeuer knackte und knisterte

      »Die Macht der Musik«, sagte der Geiger. Faust wischte sich über die Stirn. Sein Blut pulste durch den ganzen Körper, rauschte in den Ohren nach. Feuer glühte auf seinem Gesicht.

      Malfoss ballte die Fäuste. »Das ist genau der Grund, aus dem uns die Menschen verfolgen. Sie denken, wir wären mit dem Teufel im Bunde. Lass das.«

      Der Geiger protestierte in Romanes, der Häuptling der Sippe wurde lauter und sprach ein Machtwort. Erbost packte der Geiger sein Instrument und machte auf dem Absatz kehrt. Rasch war er aus dem Lichtkreis des Feuers verschwunden. Irgendwo knallte kurz darauf eine Tür.

      »Geht jetzt schlafen«, herrschte er die Männer an. Und auch Faust nahm diese Aufforderung an und stand auf. Noch immer konnte er kaum glauben, was er gerade erlebt hatte.

      Er hatte sich gerade in seinen engen Wagen zurückgezogen, in dem allerlei Geräte, Behälter mit Pulver, Schüsseln, Pfannen, Töpfe, ein Tisch und seine wenige Kleidung noch etwas Platz für eine kleine Bettstatt im hinteren Teil ließen, und die Öllampe unter der Decke entzündet, als es vorsichtig an der Tür klopfte.

      Der junge Rom, der bis zuletzt am Feuer gesessen hatte, stand im matten Licht. Es war kühl geworden. Vom fernen Wagenrund der Zigeuner hallte einsame Stimme herüber. Das Lagerfeuer war niedergebrannt. Über dem Lager wölbte sich ein klarer Sternenhimmel.

      »Entschuldigt«, sagte der Rom, nachdem Faust ihn hereingelassen und leise die Tür wieder geschlossen hatte. »Ich habe da etwas… ich kann es nicht mit meiner Sippe… Sagt, könnt Ihr auch …seid Ihr Mediziner?«

      »Wenn du vom Schröpfen sprichst, nein, damit kenne ich mich nicht aus. Aber wir können zusammen einen rauchen. Ich habe da ein wundervolles Harz des Canavas, das wirkt wahre Wunder. Nicht so schluffig wie die Blüten. Wie ist dein Name?«

      »Marko.«

      »Sag mir, Marko, was ist da gerade passiert? Beim Spiel mit der Geige?«

      Der junge Rom wand sich. »Das ist ja gerade, worüber ich mit euch reden wollte.«

      Die beiden setzten sich um eine bauchiges, seltsam