Hintertüren. Dirk Lützelberger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dirk Lützelberger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752993912
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die ihren unverkennbaren Duft verströmten. Das Moos, welches den Waldboden bedeckte und von der kalten Nacht noch ganz feucht war, glitzerte in der frühen Morgensonne. Er hörte die Vögel zwitschern, die den Morgen begrüßten. Die Luft war hier oben viel besser als in seiner Heimatstadt, überlegte er und atmete umso tiefer ein, als ihn ein Stechen etwas einbremste. Er rieb sich die Seite und versuchte bewusst ein- und auszuatmen. Diese verdammte Milz, spottete er, als auch noch ein leichtes Ziehen in seiner Brust hinzukam. Er hörte auf zu Laufen und ging langsam weiter, bis die Beschwerden nachließen.

      Die Sonne stand nun etwas höher am Himmel und blitzte durch die Bäume. Die Strahlen wärmten behutsam seine Wange. So früh am Morgen war es noch relativ frisch in den Bergen und die Sonne brauchte einige Stunden, um die Luft zu erwärmen.

      Als die Beschwerden nachließen, fing er langsam wieder an zu laufen. Erst gemächlich den Anstieg hinauf und dann immer schneller, bis er schließlich völlig außer Atem die Lichtung erreichte. Hier hielt er einen Augenblick inne, um erneut die Schönheit der Berge sowie die kühle Atmosphäre am frühen Morgen zu genießen und sog mit jedem Atemzug die mit Sauerstoff gesättigte Luft in seine Lungen. Ach, wie schön es doch war, endlich auf dem Weg zu einer besseren Fitness zu sein, dachte er. Die leichte Erkältung, die er in den vergangenen Tagen hatte, war so schnell gegangen, wie sie gekommen war. Es zeigten sich gar nicht die üblichen Beschwerden, die er sonst durchlebte. Normalerweise gab es ein paar Tage Halsschmerzen, dann Schnupfen und schließlich etwas Husten. Diesmal bemerkte er nur ein leichtes Kratzen im Hals und zwei Tage war seine Nase etwas verstopft, sodass er nicht richtig durchatmen konnte. Ein wenig Schnupfenspray brachte Linderung, aber er dachte gar nicht daran, sich ins Bett zu legen und zu faulenzen. Er wollte durchhalten und es würde ihn schon nicht umbringen.

      Wie in Trance lief er weiter. Die Endorphine erwartend lief er immer schneller, aber der Rauschzustand stellte sich auch heute nicht ein. Er hatte gehört, dass der Körper beim Ausdauersport immer irgendwann Endorphine ausschüttete und die Langstreckenläufer euphorisch immer weiterlaufen konnten. Diese Situation hatte er bisher niemals erlebt. Immer wieder musste er sich selbst antreiben, um von der Couch hochzukommen und danach nicht einfach stehen zu bleiben. So lief er in einem langsamen Tempo immer weiter, überquerte die Lichtung und folgte dem Weg weiter in den Wald hinauf. Er schaute auf seine Uhr und bemerkte, dass seine Zeit bis hierher schon einmal besser gewesen war, aber diese verdammten Seitenstiche hatten ihm heute seinen Schnitt verdorben.

      Sein Urlaub neigte sich dem Ende entgegen und die vergangenen drei Wochen waren von Sport, Erholung, langen Spaziergängen und Wellness in der Saunalandschaft, die sich an sein Hotel anschloss, geprägt. Es war schon mehr als nötig gewesen mal wieder auszuspannen, überlegte er, als er den Wald verließ und wieder auf die Landstraße einbog, die zu seinem Feriendomizil führte. Dies wollte er unbedingt wiederholen. Der Urlaub hatte sich gelohnt und er spürte, wie er sich auch wieder auf zu Hause freute und er Lust auf seine Arbeit entwickelte.

      Seine Beine gaben einen Moment nach, als er wieder diesen Schmerz in seiner Brust verspürte. Diesmal höher, nicht so weit in der Seite. War seine Milz verrutscht? Blödsinn, konterte er und ging wieder einige Schritte langsamer. Er hatte sich bestimmt nur übernommen und hätte es gestern Abend beim Wiener Schnitzel belassen sollen. Seine Augen waren aber offensichtlich größer als sein Mund gewesen, denn er musste ja unbedingt noch die Powidl-Knödel zum Nachtisch verspeisen – mit Zimtbröseln und Vanillesoße. Nun bereute er seine Entscheidung. Dieser Nachtisch lag ihm wohl immer noch so schwer im Magen, dass er heute Morgen die Probleme beim Laufen hatte. Er sollte noch besser auf seine Ernährung achten, bläute er sich wieder einmal ein und fing wieder langsam an zu laufen. Die Schmerzen ließen nach.

      Kapitel 2

      Kriminalhauptkommissarin Gwen Fisher dachte mit gemischten Gefühlen an ihren letzten Geburtstag zurück. Nur wenige Monate zuvor hatte sie ihren Ehemann an seinem eigenen Geburtstag verloren. Sie hatten noch versucht ihn zu retten und rechtzeitig ins Krankenhaus zu kommen, aber das Schicksal meinte es nicht gut mit ihnen. Er verstarb noch in derselben Nacht. In den Wochen danach, hatte sie sich in die Arbeit gestürzt, um möglichst wenig von ihrer Trauer eingeholt zu werden. Mit Erfolg, wie Gwen zunächst glaubte, und zusammen mit ihrem Kollegen Kriminaloberkommissar Stefan Schick klärte sie den verzwickten Fall eines Serienkillers auf. Gwen und Stefan hatten nach dem erfolgreichen Abschluss des Falles ein zartes Band der Beziehung geknüpft und verbrachten nun vermehrt Zeit miteinander. Sie lächelte, als sie sich an ihren letzten eigenen Geburtstag zurückerinnerte.

      Es war der 1. Februar 2013, als sie sich alle in Gwens Einfamilienhaus in Felm trafen, um anzustoßen. Gwen als Hauptperson prostete nacheinander ihrem Sohn Phil, ihrem Partner Stefan, dem Forensiker und langjährigen Freund Dr. Michael Peters sowie zu guter Letzt ihrer Mutter Beth zu. Der Kreis war klein, aber es waren ihre liebsten Personen, die Gwen gerne um sich hatte. Sie schloss ihre Augen und erlebte in Gedanken den schönsten Augenblick der Feier noch einmal.

      »Aber Mama, eine Sache musst du mir erklären«, sagte Phil und blickte Gwen damals erwartungsvoll an.

      »Na, was denn mein Schatz?«, wollte Gwen wissen.

      »Du hast mir schon immer versprochen mehr Zeit mit mir zu verbringen. Warum sollte das ausgerechnet diesmal klappen?«, hakte Phil nach.

      Gwen überlegte nur kurz und sagte dann sehr ernst: »Zuerst musst du dich teilweise mal von deinem Computer trennen und Zeit für mich haben. Schaffst du das?«

      Phil nickte nach einer kurzen Pause bejahend.

      »… und dann wird mir jemand helfen, mein Vorhaben auch umzusetzen«, hörte Gwen sich sagen und schmeckte noch den Kuss, den sie zu jener Zeit mit Stefan austauschte.

      Träumend verweilte Gwen noch etwas in ihren Gedanken, bis die Gegenwart sie wieder einholte und Phil polternd nach Hause kam.

      Mittlerweile war Sonntag, der 7. Juli 2013. Der Sommer bahnte sich den Weg in die Herzen der Kieler und die Sommerferien waren in vollem Gange. Phil genoss die freien Tage und hatte sich mit seinem Schulfreund Benoit zum ersten Mal in diesem Jahr zum Schwimmen getroffen. Sie waren zum Strandbad Falckenstein geradelt, welches in knapp vierzig Minuten zu erreichen war. Es war dieser Tage wärmer geworden und die Jungen hatten das Gefühl ihre Freiheit genießen zu müssen.

      »Hallo Mama, ich bin wieder da!«

      »Ist nicht zu überhören!«, murmelte Gwen vor sich hin.

      »Benoit und ich haben uns etwas überlegt. Da das Wetter in den nächsten Tagen gleichbleibend schön sein soll, haben wir das kommende Wochenende was Tolles vor. Da kommst du nie drauf. Rate doch mal!«

      Gwen setzte sich auf und überlegte. An den Wochenenden, so war es bei den Fishers über Generationen üblich, sollte zumindest ein Tag ganz im Zeichen der Familie stehen. Das hatten sie schon immer so gemacht, auch, als Paul noch lebte. Schmerzhaft erinnerte sich Gwen an die Zeit mit ihrem geliebten Mann zurück und bemerkte fast gar nicht, dass Phil vor ihr stand und noch immer auf eine Antwort wartete.

      »Nun sag schon, was habt ihr euch Tolles ausgedacht?«, forderte sie Phil auf.

      »Wir wollten zusammen eine Fahrradtour zum Hochseilgarten machen, um unsere Schwindelfreiheit einmal zu testen. Du und Stefan kommt doch mit, oder?«

      »Das sollten wir mit Oma und Stefan erst einmal besprechen.«

      »Nee, für Oma ist das nichts, aber es wäre toll, wenn Stefan mitkommen würde«, entgegnete er.

      Bevor Gwen antworten konnte, öffnete sich die Haustür und Stefan stand im Raum. Gwen sprang freudig auf und begrüßte ihren Kollegen und mittlerweile, sehr guten Freund. Sie hatte es bisher vermieden ihn als ›ihren‹ Freund vorzustellen, da der Tod von Paul noch nicht einmal ein Jahr her war. Sie wollte eine angemessene Trauerphase abwarten, aber was war schon ›angemessen‹ oder ›üblich‹. Sie schob den Gedanken beiseite und drückte Stefan einen dicken Kuss auf die Wange.

      »Wir haben gerade von dir gesprochen, Stefan«, leitete Gwen das Gespräch galant über.

      »Aha, und um was ging es? Ich hoffe, nur um etwas Positives.«

      »Phil hat uns für nächstes Wochenende