RAYAN - Die Serie (Teil 1 - 4). Indira Jackson. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Indira Jackson
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738093896
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jemandem ein Vorwurf zu machen war, dann musste er sich selber dafür verantworten.

      Harun spürte, was in Rayan vorging und sie standen bereits auf der Plattform, als er sich ruckartig zu ihm umdrehte und ihn somit zwang, ihm in die Augen zu sehen.

      „Hören Sie, ich weiß nicht, wer Sie sind und was genau Ihre Rolle hier ist, aber Sie müssen mir noch einmal zuhören. Zwei Minuten nur. Wenn Sie mich dann noch immer für einen unehrenhaften Mann halten, dürfen Sie mich umbringen.“

      „Als ob ich dafür deine Erlaubnis brauche “, dachte sich Rayan ätzend, aber er schwieg.

      Er konnte in den Augen des Mannes sehen, dass dieser eine Entscheidung getroffen hatte – ihm endlich die Wahrheit zu sagen.

      „Ich bin vorhin nicht durchs Lager geschlichen, um Eure Waffen zu inspizieren. Ich habe eine Frau gesucht. Sie ist meine Nichte. Sie war eine der Frauen von Scheich Yuemnue. Und nun ist sie verschwunden! Yuemnue selbst sagt, Scheich Sedat Suekran hat sie entführt und in seinem Harem eingesperrt. Er hat mir schreckliche Dinge erzählt, die er mit ihr macht!“

      Rayan lachte ungläubig auf: „Und den Mist haben Sie ihm abgekauft?“

      „Natürlich war ich nicht sofort überzeugt, ich weiß aber sicher, dass sie hier ist. Bitte! Ich muss wissen, wie es ihr geht. Sie ist die Tochter meiner verstorbenen Schwester, der ich auf dem Sterbebett versprochen habe, dass ich mich um Samira wie meine eigene Tochter kümmern werde. Und nun das!“

      Auf einmal war für Rayan einiges klar. Wenn Harun sie für fähig hielt, eine Frau gegen ihren Willen zu rauben, dann konnte es mit der Ehre der Tarmanen auch nicht weit her sein. Das war zumindest Haruns logische Schlussfolgerung.

      „Ich kann Ihnen versichern, dass der Scheich keinen Harem hat. Soweit ich weiß, hat er seit dem Tod seiner verstorbenen Ehefrau überhaupt keine andere Frau mehr gehabt.“

      „Wie können Sie sich da so sicher sein? Ich habe gehört, Sie sind erst vor zwei Wochen hier plötzlich aufgetaucht.“

      „Weil ich hier aufgewachsen bin, zum Teufel!“, fuhr Rayan ihn an.

      Da fiel es Harun wie Schuppen von den Augen - die Ähnlichkeit, der schlanke hochgewachsene Körper, dieser unbändige Stolz, der unerschütterliche Glaube an die Gesetze der Wüste und das Interesse, den Stamm mit allen Mitteln zu verteidigen: „Sie sind Suekrans Sohn! Aber man sagt, Sie seien tot …“

      „War ich auch, bis vor kurzem“, antwortete Rayan sarkastisch.

      Harun überlegte fieberhaft: „Hören Sie mir zu! Sie glauben an die Gesetze, dann glauben Sie auch an Schicksal! Denken Sie nicht, dass es Bestimmung war, dass ausgerechnet Sie Sarif gerettet und somit mich kennengelernt haben?“ Er sah Rayan fest in die Augen: „Wir beide können diesen Krieg beenden. Ich schwöre Ihnen bei allem, was mir heilig ist, bei Sarifs Leben, wenn Sie wollen! Wenn ich Samira finde und es ihr gut geht, dann ziehe ich noch heute meine Männer ab und kehre nach Hause zurück!“

      Das hörte sich zu gut an, um wahr zu sein. Sollte die Lösung so einfach sein?

      „Also gut, kommen Sie mit!“, knurrte Rayan.

      Beide eilten zurück ins Lager.

      2014 - Oase von Zarifa - Ankunft in der Oase

      Als Rayan und seine sechs Begleiter in die Oase kamen, wurden sie stürmisch begrüßt, einige der Männer feuerten Schüsse ab.

      Die Reiterschar, die einige Tage vorher zurückgekehrt war, hatte die in der Oase stationierten Männer schon vorbereitet, dass sie nachkommen würden. Zusätzlich hatte Hanif zwischendurch schon mit dem Gruppenführer telefoniert und so waren sie schon grob über das Vorgefallene informiert.

      Der Ritt die Düne hinunter und in die Oase hinein war wie die Rückkehr von einem Eroberungszug mit all den Pferden und Waffen, die sie den Attentätern abgenommen hatten. Bald war ein großes Feuer entzündet, um das sich alle versammelten.

      Carina war ein Zelt zugewiesen worden und sie war froh, endlich wieder in einer etwas luxuriöseren Unterkunft schlafen zu können, als immer nur in ihrem kleinen Einzelzelt.

      Hanif organisierte sogar einen Waschzuber für sie, in dem sie in Wasser baden konnte, das man vorher gewärmt hatte.

      Es war ein wunderbares Gefühl und derart entspannt und frisch gereinigt, ging sie frühzeitig schlafen.

      Rayan hatte während des ganzen Tages kein einziges Wort mit ihr gesprochen und sie bewusst ignoriert.

      Jedes Mal wenn sie sich näher zu kommen schienen, schaffte Carina es, die Stimmung zu zerstören. Er schloss daraus, dass sie an ihm tatsächlich nur Interesse hatte, um möglichst viele Informationen für ihr Buch zu sammeln. Ein Buch, dem er nie zugestimmt hatte! Er brauchte keine Publicity.

      Und so ärgerte er sich weiterhin über sie.

      Was ihm dabei nicht auffiel, dass es für ihn völlig untypisch war, sich überhaupt über eine Frau aufzuregen. Er hatte es noch nie nötig gehabt, eine Frau von sich einnehmen zu müssen. Entweder sie hatte Interesse, oder nicht. So einfach war das.

      Und so zog auch er sich an diesem Abend ungewöhnlich früh zurück. Die Oase war gut bewacht, hier brauchte er nicht mehr seine einsamen Kontrollrunden zu ziehen.

      Er sank schnell in einen tiefen Schlaf und träumte von blonden Haaren und grünen Augen.

      2001 - Oase von Zarifa - Wendepunkt

      Inzwischen war die Sonne schon aufgegangen. Saids Truppen hielten sich an die Anweisungen ihres Fürsten und weigerten sich anzugreifen, obwohl Scheich Yuemnue sie mit allen Mitteln zu überzeugen suchte. Er drohte, flehte, fluchte. Stur erklärte der Unterfürst, dass Said verletzt in seinem Zelt liege und einen Tag dringender Ruhe nötig hatte. Yuemnue war es nicht gewohnt, dass man ihn warten ließ und Said sich noch nicht einmal blicken ließ, beziehungsweise ihm Einlass in sein Zelt gewährte.

      Er würde ihn dafür zur Rechenschaft ziehen, soviel war klar.

      Widerwillig beschloss er, dass seinen Männern ein Ruhetag zum Pflegen ihrer Wunden auch guttun würde und schließlich machte in Zarifa keiner Anstalten, irgendwohin zu gehen. Sein eigentlicher Beweggrund war ein anderer: Nachdem ihn alle Verbündeten verlassen hatten, blieb ihm nur noch Said und er wollte es sich nicht mit ihm verscherzen.

      Und so blieb es an diesem Tag ruhig.

      Es begann bereits heiß zu werden, als Rayan Ruhi aufstöberte, der auf der anderen Seite der kleinen Oase den Stacheldraht in Augenschein nahm. Sie fragten ihn, ob er Semira kannte. Einen Moment lang musste Ruhi überlegen, dann fiel ihm ein, dass eine der freiwilligen Helferinnen in der mobilen Krankenstation auf diesen Namen hörte. Sie eilten weiter und erkundigten sich bei der Krankenschwester.

      Wie sich herausstellte, hatte Semira einen Streifschuss am Kopf abbekommen und war daher vom Arzt selbst in eine der Lagerstätten für die Verletzten beordert worden.

      Als sie dort ankamen, wo die Schwester ihnen beschrieben hatte, sahen sie, dass die dunkelhaarige Frau im Begriff war aufzustehen. „Es geht mir wirklich gut! Und ihr könnt jede Hilfe gebrauchen …“, erklärte sie gerade resolut einer ihrer Kolleginnen.

      Harun rief leise: „Semira!“ Als sie sich umdrehte, erkannte Rayan an ihrer Reaktion sofort, dass sie die Gesuchte war. „Onkel Harun! Wie kommst du hierher?“

      Sie zogen sich in eine Nische zurück, wo sie ungestört sprechen konnten und etwas verlegen erzählte Samira ihre Geschichte.

      Yuemnue hatte sie misshandelt, wie er es mit allen seinen Frauen tat. Während die anderen Frauen dies als ihr Schicksal annahmen und aufgaben, war Semira anders aufgewachsen. Sie hatte von ihrer Mutter gelernt, dass sich auch eine Frau nicht alles gefallen lassen musste.

      Als sie Nihat von den Tarmanen traf und die beiden sich verliebten, hoffte sie im Guten von Yuemnue wegzukommen. Doch der weigerte