RAYAN - Die Serie (Teil 1 - 4). Indira Jackson. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Indira Jackson
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738093896
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eines der Toten umgeworfen und war ungehindert bis in die Mitte von Saids Lager gelangt.

      Der Fürst schien mit seinen Anführern in einer Lagebesprechung zu sein, deshalb wartete Rayan im Inneren des Zeltes auf ihn. Er setzte sich auf ein Kissen und machte es sich so bequem wie möglich, denn er erwartete eine längere Wartezeit.

      Doch bereits nach etwa einer Dreiviertelstunde kam Harun ins Zelt. Rayan verhielt sich still, bis der andere am Tisch in der Mitte des Zeltes eine kleine Lampe entzündet hatte und sich umdrehte, um sich zu entkleiden. Auch für ihn war es ein langer und verlustreicher Tag gewesen.

      Rayan hatte eine kleine Armbrust gespannt auf seine Brust gerichtet.

      „Einen Laut und du bist so schnell tot, dass du es nicht einmal mehr merkst, wenn dein Körper auf dem Boden aufschlägt. Die Pfeile sind vergiftet“, sagte er leise.

      Harun Said zögerte lediglich eine Sekunde lang. „Ich nehme an, Sie sind der Fremde, der meinen kleinen Bruder hat“, stellte er sachlich fest.

      Rayan grinste kurz, er mochte die direkte Art von Said, sagte dann jedoch ernst: „Das klingt, als hätte ich ihn entführt und nicht ihm das Leben gerettet. Ein wenig Dankbarkeit wäre doch angebracht, oder?“

      „Wofür, dass Sie mich jetzt damit erpressen? Ich bin nicht überrascht, Sie hier zu sehen.“

      Rayan spielte einen Moment den Beleidigten: „Jetzt hab ich mir solche Mühe gegeben …“, dann nahm seine Stimme einen harten Klang an. „Ich töte weder Kinder, noch erpresse ich deren Familie mit der Drohung, sie zu töten. Das ist nicht mein Stil.“

      Auch Saids Stimme war härter geworden: „Was wollen Sie dann hier?“

      „Ihnen ein Angebot machen. Der Arzt sagt, er kann nicht garantieren, dass Sarif die Nacht überlebt. Er hat zu viel Blut verloren.“

      „Durch Ihre Schuld …“, unterbrach ihn Said bitter.

      „Oh nein, durch IHRE Schuld! Haben Sie nicht genügend Männer, dass Sie Kinder in den Krieg schicken?“ Rayan war nun wütend. „Ich hasse diese sogenannten Anführer, die ihre Aggressionen auf den Rücken der Kleinen austragen. Es ist doch überall das Gleiche. Sie sind erbärmlich!“

      Said war blass geworden. Noch nie hatte es jemand gewagt, so mit ihm zu sprechen. Doch er riss sich zusammen. „Ich habe ihm gesagt, er soll im Lager bleiben. Ich wollte nie … ach, vor Ihnen habe ich mich doch nicht zu rechtfertigen. Wenn Sie nur gekommen sind, um mich zu beleidigen, dann sollten Sie jetzt schnell wieder gehen, bevor ich doch noch nach meinen Wachen rufe.“

      Rayan antwortete nicht sofort, er wollte sich erst wieder völlig unter Kontrolle haben. Dass Said so emotional war, war umso besser, dann lag ihm wirklich etwas an seinem kleinen Bruder. Vielleicht gab es doch noch einen Ausweg aus diesem Schlamassel.

      „Wie gesagt, es steht nicht gut um ihn. Ich möchte Ihnen die Chance geben, ihn noch einmal zu sehen und anschließend, falls er die Nacht nicht übersteht, mitzunehmen.“

      „Dann bringen Sie ihn her.“

      „Das geht nicht, er kann nicht bewegt werden, sonst verblutet er sicher. So besteht wenigstens noch ein wenig Hoffnung.“

      Harun Said überlegte einen Moment lang. „Und Sie garantieren mir, dass dies keine Falle ist, um mich gefangen zu nehmen?“ Zufrieden stellte Rayan fest, dass er wieder höflicher geworden war. Schon besser.

      „Das garantiere ich nach allen Regeln der Gastfreundschaft der Wüste“, versicherte er. Das klang vielleicht etwas polemisch, aber jedem Krieger der Wüste war klar, dass dies ein absolut bindendes Versprechen war.

      Doch Saids Reaktion war anders, als er erwartet hatte. Verächtlich sagte er. „Was wollen Sie denn davon wissen? Sie sind keiner der Unsrigen. Was sind Sie? Amerikaner? Seit wann kann man denen vertrauen?“

      Rayan war verblüfft, er überlegte, ob er sich zu erkennen geben sollte, dann seufzte er. Und im Dialekt der Tarmanen antwortete er: „Ich bin tatsächlich Amerikaner. Aber andererseits bin ich noch erheblich mehr … Also lassen Sie sich nicht von Äußerlichkeiten täuschen.“ Er wusste, dass Haruns eigener Dialekt dem tarmanischen sehr ähnlich war und er ihn daher gut verstehen konnte.

      Jetzt war es an Harun, verblüfft zu sein. Man konnte ihm ansehen, dass er gerne noch weiter gefragt hätte, doch das wäre unhöflich gewesen. Und auch sinnlos, denn ihm war klar, dass der andere ihm bereits mehr gesagt hatte, als er eigentlich gewollt hatte.

      Er setzte sich Rayan gegenüber hin „Also gut, was soll ich tun?“

      Rayan bat ihn, um Mitternacht an der Stelle zu sein, an der der Unfall passiert war, dann würde er ihn persönlich ins Lager bringen, um Sarif zu besuchen.

      Wenn er sich von dessen Zustand überzeugt hatte, würden sie gemeinsam überlegen, wie mit dem Jungen am besten weiter zu verfahren wäre. Er versicherte nochmals, dass er dies völlig unabhängig vom Kampf machen werde.

      Said schüttelte den Kopf: „Sie sind ein eigenartiger Mann, auf wessen Seite stehen Sie eigentlich?“ Aber Rayan war bereits lautlos aus dem Zelt verschwunden.

      Harun Said saß noch einige Minuten tief in Gedanken versunken, dann stand er auf, um zu Abdul, seinem Unterfürsten, zu gehen.

      2014 - Rub’al Khali - Nachwirkung

      Sie versuchten, noch an diesem Tag so viel Distanz wie möglich zwischen sich und den Ort des Überfalls zu bringen.

      Daher machten sie mittags lediglich eine sehr kurze Rast und brachen gleich wieder auf.

      Sie waren nun langsamer, weil sie die sechzehn Pferde mitnehmen mussten, was manchmal gar nicht so einfach war. Sie hatten die Tiere aneinander gebunden.

      Aber alle wussten, dass es nur noch um einen Tag ging, denn wenn sie ohne weitere Schwierigkeiten vorankommen würden, würden sie morgen Abend in der Oase am Fuße des Gebirges von Zarifa ankommen. Dort könnten sie die Pferde den Männern des Scheichs überlassen, die dort stationiert waren.

      Am Abend saßen sie am Feuer und niemand sagte viel, Jassim und Hassan übernahmen die erste Wache, die anderen gingen früh schlafen.

      Carina hatte seit dem Überfall kein einziges Wort mehr gesagt.

      Zu schaurig waren ihr die Bilder noch immer vor Augen. Als sie in ihrem kleinen Zelt lag, brauchte sie die Augen noch nicht einmal zu schließen, um jedes einzelne Detail wieder und wieder zu sehen.

      Doch irgendwann war die Erschöpfung zu groß und ihr Körper holte sich den fehlenden Schlaf, da ja auch die vorangegangene Nacht nicht gerade erholsam gewesen war.

      Sie wachte trotzdem noch lange vor Sonnenaufgang wieder auf und beschloss einige Meter zu gehen, anstatt sich weiterhin nutzlos auf ihrem Lager herumzuwälzen.

      Wie üblich hatten sie in einer Senke angehalten und so kletterte sie die Sanddüne hinauf.

      Einen Moment hielt sie müde und etwas außer Atem inne, dann ging sie ein paar Schritte weiter, um einen freien Blick auf die Sterne zu bekommen.

      Leise hörte sie seine Stimme links von ihr: „Guten Morgen.“ Er hatte es ganz sanft gesagt, um sie nicht zu erschrecken, doch sie zuckte trotzdem zusammen.

      Carina wusste nicht, ob sie ausgerechnet mit ihm reden sollte und zögerte.

      Rayan drängte sie nicht und sagte auch nichts mehr, er spürte, wie sehr sie mit sich rang.

      Dann gab sie sich einen Ruck und ging auf ihn zu.

      Er saß am äußeren Rand der Düne, mitten im Sand im Schneidersitz.

      „Was machen Sie hier?“, fragte sie verblüfft.

      „Der Wüste zuhören.“ Sie konnte im Dunkeln hören, dass er lächelte und doch war seine Antwort ernst gemeint.

      Carina wusste nicht, ob sie ihn dabei störte und besser wieder gehen sollte, aber er klopfte