RAYAN - Die Serie (Teil 1 - 4). Indira Jackson. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Indira Jackson
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738093896
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Rayan ebenfalls auf einem Schimmel, ein fast weißes Tier, der nur am Kopf und den Innenseiten der Hinterbeine eine leicht graue Färbung zu haben schien.

      Hanif ritt denselben Hengst, wie vorher auch schon: ein Goldfuchs mit breiter Blässe am Kopf. Und schon jetzt wusste Carina, dass alleine die Chance, all diese edlen Pferde zu sehen, jede Mühe wert sein würde.

      Für Carina war es wie Zauberei, dass fast alle Reiter gleichzeitig loszureiten schienen. Es gab eine Art Ordnung, die sie aber noch nicht durchschauen konnte.

      Sie erinnerte sich an die Zeiten der Kamelkarawane, bei ihrem Ritt von Dubai nach Wahi, die auch aus etwa 300 Tieren bestanden hatte. Es hatte immer einige Zeit gedauert, bis sich alle in Bewegung gesetzt hatten.

      Von Wahi hierher waren sie in einem kleineren Pulk von nur etwa 60 Reitern geritten, was die Ordnung einfacher machte. Nicht so bei den fast 500 Reitern hier. Doch sie hatte keine Zeit weiter darüber nachzudenken. Sie hatte genug zu tun, ihr Pferd in einem gemäßigten Galopp neben Nihat zu halten.

      2014 - Rub‘ al Khali - Unterwegs

      Die ersten beiden Tage in der Wüste waren denen von Wahi nach Alessia sehr ähnlich: Sie brachen noch vor Sonnenaufgang auf, um die Kühle des Morgens auszunutzen, machten um die Mittagszeit zwei Stunden Pause und ritten dann bis kurz vor Sonnenuntergang.

      Allerdings ritten sie insgesamt entspannter. Fast so, als hätten sie jetzt mehr Zeit als damals.

      Rayan sah sie an beiden Tagen jeweils nur von weitem. Er zog wieder seine endlosen Runden, morgens als Erster, abends als Letzter, um sicher zu sein, dass alles in Ordnung war.

      Nihat sprach nicht viel und so hing sie meist ihren Gedanken nach. Wie würde Zarifa sein? Angeblich waren es etwa fünf bis sechs Tage von Alessia dorthin. Und wie würde Rayan sich dort verhalten? Würde er auch so distanziert sein? Immerhin hatte sie ihn seit dem Tag, als er sie im Garten besucht hatte, nicht mehr gesprochen. Er hatte sie nicht einmal begrüßt, schien sie völlig zu ignorieren.

      Da sie auch diese zweite Nacht mitten in der Wüste verbrachten, hatten sie nur kleine Zelte aufgeschlagen, die sie um die einzelnen Feuer arrangierten.

      Carina war gerade mit den ihr zugewiesenen Aufgaben fertig und setzte sich, da hörte sie, dass sich ein Pferd näherte, und tatsächlich, da kam der Scheich langsam auf sie zugeritten. Er hatte seine letzte Kontrollrunde beendet. Nicht weit von ihr stieg er ab.

      Sofort sprang Nihat auf, verneigte sich, übernahm wortlos die Zügel seines Pferdes und führte es weg. Rayan setzte sich zu ihr ans Feuer.

      Zufrieden stellte Carina fest, dass er erheblich besser aussah, als damals im Garten. Ausgeruhter. Er schien auch wieder etwas Gewicht zugelegt und zu seiner alten Form zurückgefunden zu haben. Lächelnd nahm er die Musterung zur Kenntnis und fragte dann spöttisch: „Und? Wie ist das Ergebnis der Überprüfung?“

      Carina spürte, wie sie rot wurde, es war unhöflich, dass sie ihn so angestarrt hatte. Erleichtert stellte sie fest, dass er mit ihr Deutsch gesprochen hatte und so antwortete sie: „Ja, Sie sehen erholter aus als damals im Garten.“

      Das ließ er unkommentiert und fragte sie stattdessen: „Wie geht es Ihnen? Alles in Ordnung?“

      Und es war wie bei den anderen Malen auch: Meist erzählte er fast nichts von sich, aber er brachte sie dazu, durch geschickte Fragen, die letzten Tage aus ihrer Sicht farbenfroh geschildert zu bekommen. Sie schaffte es wie immer, ihn zum Lachen zu bringen. Erstaunt bemerkte sie zum ersten Mal, dass er ihr fasziniert und mit voller Aufmerksamkeit zuhörte. Sie fragte sich, ob das nur Höflichkeit war, denn was sollte sie in ihrer naiven Art ihm schon Spannendes zu berichten haben?

      Nach etwa einer halben Stunde verabschiedete er sich und schlenderte in Richtung seines eigenen Zeltes, das auf der anderen Seite des Lagers war. Er hatte ihr gesagt, dass sie morgen Mittag in einer Oase ankommen würden, wo sie den Rest des Nachmittags die Pferde ausruhen lassen würden. Nachdem sie es nicht eilig hatten und einige der Krieger noch immer verletzt waren, würde die Pause allen guttun, bevor sie die letzten drei Tage bis Zarifa ohne weitere Oasen bewältigen mussten.

      2001 - Tal von Zarifa - Die Befragung

      Bereits seit einer Stunde löcherten die Ältesten Yusuf mit Fragen, doch der saß nur stur auf seinem Platz und ignorierte alle um sich herum.

      Eine schallende Ohrfeige von Ruhi, die ihn zu Boden warf, entlockte ihm lediglich einen verächtlichen Blick, doch er schwieg weiterhin.

      Schließlich trat Rayan in den Kreis der ratlosen Araber. Er hatte gehofft, dies vermeiden zu können, doch wieder einmal schien es unabwendbar. „Hört zu“, sagte er leise, „so wird er Euch nie etwas verraten. Er weiß genau, dass ihr ihn danach umbringen werdet.“

      „Gebt mir einen Raum und lasst mich eine Weile mit ihm alleine.“ Und mit einem eiskalten Ton in der Stimme fuhr er genauso leise fort: „Ich verspreche Euch, dass er in spätestens zwei Stunden darum betteln wird, Euch alles erzählen zu dürfen.“

      Unsicher sahen ihn die Männer an, sie waren es nicht gewohnt, dass Fremde ihre internen Probleme für sie lösen wollten, doch sie wussten auch keinen anderen Rat.

      Und so brachten sie Yusuf in den Keller des Hauses und banden ihn nach Vorgabe von Rayan an einem Stuhl fest.

      Dann verließen alle bis auf Hanif den Raum.

      Gleichmütig blickte Rayan ihn an: „Bist du sicher, dass du das sehen willst?“, doch er wartete keine Antwort ab und wandte sich Yusuf zu.

      2001 - Tal von Zarifa - Hanif

      Hanif trat schweigend zu Sedat, der vor dem Haus auf der Terrasse stand und wartete.

      Er war kreidebleich, seine Hände zitterten leicht, als er sich über die Stirn fuhr. Es machte den Eindruck, als wollte er das soeben Erlebte wegwischen.

      „Tanner ist wie eine Maschine! Eiskalt! Er hat Yusuf in der letzten Stunde keine einzige Frage gestellt … nur ihn immer wieder … “ Seine Stimme brach ab. Er fand keine Worte für die Szenen, die er miterlebt hatte.

      Er war zwar ein sehr guter Kämpfer, aber so etwas hatte er in seinen jungen Jahren noch nicht sehen müssen.

      „Du bist ein Narr“, sagte er sich selber. Nach dem Überfall auf seine Familie war er der Meinung gewesen, dass er die Welt und ihre unschönen Seiten kannte. Jedoch der Folter eines Mannes zuzusehen, brachte ihn an den Rand seines Fassungsvermögens und führte ihm vor Augen, wie viel er noch zu lernen hatte. Er dachte einen Moment lang sich übergeben zu müssen, doch die frische Luft half ihm.

      Sedat legte beruhigend seine Hand auf seine Schulter, sagte aber nichts.

      Gedämpft hörten sich noch immer die Schreie Yusufs aus dem Keller zu ihnen dringen.

      Hanif spürte, dass sich sein Verhältnis zu Yasin Tanner erneut verändert hatte. Bisher war er ihm mit Misstrauen begegnet, gemischt mit Eifersucht. Aber insgesamt hatte er ihn für einen gleichwertigen Gegner gehalten, der ihm altersmäßig nicht weit voraus war.

      Nun fragte er sich, was einen Mann dazu bringen konnte, so eiskalt zu werden und zum ersten Mal empfand er so etwas wie Angst vor ihm.

      2001 - Tal von Zarifa - Die Geschichte eines Spielers

      Rayan trat auf die Terrasse. Wie er gesagt hatte, hatte es keine zwei Stunden gedauert, Yusuf zu brechen. Er hatte ihn bis an den Rand seiner Existenz und darüber hinaus gebracht, sodass es dem Diener inzwischen egal war, was man mit ihm danach anstellen wollte. Er hoffte nur, dass es schnell ging und man ihn von diesem eiskalten Killer befreite.

      „Er ist jetzt soweit, Eure Fragen zu beantworten“, sagte er ruhig, als würde er über das Wetter sprechen.

      Die Reaktion war wie immer, auch