RAYAN - Die Serie (Teil 1 - 4). Indira Jackson. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Indira Jackson
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738093896
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zu kümmern, man würde ihr sowohl Gewänder, als auch ein Pferd stellen und es käme jemand, um sie zwei Stunden vor Morgengrauen abzuholen.

      Ihr Herz tat einen Riesensprung! Würde sie wirklich mitkommen dürfen? Nach Zarifa? Sie konnte es nicht fassen.

      Was sie nicht wusste, dass es dem Scheich einige Überwindung gekostet hatte.

      Erst als der Kampf mit den Männern des Fürsten und vor allem auch die Granate, die ihn verletzt hatte, ihm wieder einmal vor Augen geführt hatte, wie schnell das Leben vorbei sein konnte, rang er sich dazu durch, mit Hanif über das Thema zu sprechen.

      Sie saßen abends am Feuer, in der offenen Wüste, hatten ihr neu errungenes Gebiet gerade zwei Tage hinter sich gelassen und die Schrecken der vergangenen Kämpfe begannen, langsam von den Kriegern abzufallen.

      Da erzählte Rayan seinem Gefährten, wie das Gespräch im Krankenhaus verlaufen war. Hanif lachte laut und stellte dann fest: „Endlich einmal eine Frau, die Euch um den Finger wickelt!“

      Im ersten Moment ärgerte sich Rayan, dass der andere sich über ihn zu amüsieren schien, aber dann musste auch er ein wenig lachen. Er wurde aber recht schnell wieder ernst und fragte Hanif, was wäre, wenn sie Carina mit nach Zarifa nehmen würden. Dieser dachte erst nach und antwortete dann wahrheitsgemäß: „Das wäre definitiv etwas Neues und würde einige unserer Regeln brechen.“

      Hanif starrte eine Zeitlang ins Feuer und meinte dann: „Aber ich denke, dass es Euch guttun wird. Und Ihr müsst sie ja nicht für immer behalten, wenn sie zu nervig ist, verkaufen wir sie auf dem nächsten Sklavenmarkt.“

      Rayan hatte ebenfalls ins Feuer gestarrt. Beim letzten Wort fuhr sein Kopf empört hoch und als sein Blick dem Hanifs begegnete, sah er das amüsierte Funkeln in dessen Augen. Mit einem leichten Lächeln sagte Hanif: „Wusste ich doch, dass sie Euch viel bedeutet …“

      Etwas verlegen fragte Rayan ihn dann: „Aber was werden die Männer sagen? Eine Frau, die mit uns reitet? Sie werden nicht begeistert sein. Normalerweise bin ich derjenige, der auf die Einhaltung der Regeln pocht und dann breche ich sie selbst?“

      Wieder lachte Hanif leise: „Ihr seid unser Scheich, wenn jemand die Regeln brechen darf, dann doch wohl ihr? – und was die Männer angeht: es wird ihnen gefallen und sie werden Euch umso mehr lieben.“

      Überrascht schaute Rayan Hanif prüfend in die Augen: „Wieso glaubst du das?“

      Ohne zu zögern, antwortete Hanif wahrheitsgemäß: „Weil sie sehen, dass Ihr auch nur ein Mensch seid …“

      Und so kam es, dass Carina die Erlaubnis erhielt, sie zu begleiten.

      2001 - Tal von Zarifa - Hanif

      Hanif hatte Mühe seine Wut zu bezwingen.

      Ruhi hatte ihm immer wieder gesagt, dass er zwar der beste Schüler sei, den er je hatte, dass jedoch sein Stolz und sein Hang zu Wutausbrüchen seine größte Schwäche im Kampf darstellte. Ein wahrer Krieger war stets besonnen und behielt den Überblick. Leichter gesagt als getan!

      Er hatte die letzten vier Jahre noch mehr trainiert als vorher und hatte seine Schwächen inzwischen gut im Griff. Er hatte es sich zum Ziel gesetzt, seinem Herrn immer und überall zur Seite zu stehen und war bereit, wenn es sein musste, auch sein Leben für ihn zu geben.

      Schon solange er denken konnte, war der Scheich sein großes Vorbild gewesen. Er kannte natürlich die alten Geschichten von der verstorbenen Familie Sedats, hatte sich jedoch seine eigene Meinung dazu gebildet. Eine wunderschöne Frau, die bei der Geburt des zweiten Sohnes starb? Ohne Frage eine Tragödie, die das Heldentum seines Idols in seinen Augen noch vergrößerte. War es nicht bei allen echten Helden so, dass sie einsam sein mussten?

      Weniger Verständnis hatte er dafür, dass Sedat insgeheim noch immer seinem verstorbenen Sohn nachtrauerte. Hatte dieser ihn nicht feige verraten? Er hatte bekommen, was allen Verrätern zustand. Oft stellte sich Hanif vor, was er getan hätte, wäre er damals bereits alt genug gewesen. Er hätte den Verräter mit eigener Hand gerichtet.

      Dunkel konnte er sich sogar an Rayan erinnern. Er war ein hochgeschossener, dünner Junge gewesen, der Größte in seiner Klasse. Ganz wie sein Vater. Hanif wusste noch, dass er Rayan damals nicht besonders leiden konnte. Ein Streber, der immer überall der Beste und der Erste sein musste. Bah! Hanif hatte er nie beachtet, nachdem er fünf Jahre jünger war und somit eines der „Babys“, mit denen man nicht sprach.

      Dass Rayan damals weglief, fand Hanif nicht schlimm. Er konnte sich noch gut an den Tag erinnern, obwohl er erst acht oder neun Jahre alt gewesen war. Es bestätigte für ihn nur die traurige Einsamkeit seines Helden Sedat. Rayan wusste ja gar nicht, was er an seinem Vater hatte! Und wie herrlich war Sedat in seiner Wut auf seinen Sohn – was für ein Feuer loderte in diesem Mann! So wollte er auch werden, wenn er groß war.

      Den einzigen Sprung, den sein Heldenbild jemals bekommen hatte, war, dass er sich nach dem Tod seines Sohnes zu verändern begann. Er wurde weicher, zog sich zurück.

      Die Flamme, die in ihm loderte, kam nur noch selten zum Vorschein.

      Dann kam dieses schreckliche, schicksalhafte Ereignis für Hanif. Er war mit seiner ganzen Familie in Richtung der Oase von Farah unterwegs gewesen. Sie wollten dort einkaufen und handeln. Doch sie sollten nie dort ankommen. Räuber hatten sie erspäht und in einem unübersichtlichen Teil des Weges erbarmungslos überfallen. Sie waren zu fünft, die Räuber waren 20. Sein Vater war der Erste, der fiel, geschickt hatten sie ihn als stärksten Kämpfer zum ersten Todesopfer auserkoren. Doch weil er ein guter Kämpfer gewesen war, riss er fünf der Angreifer mit in den Tod. Hanifs zwei jüngere Brüder waren mit 12 und 14 Jahren noch zu jung, um ernst zu nehmende Gegner zu sein und sanken daher ebenfalls schnell zu Boden.

      Der 18-jährige Hanif hatte sich vor seine Mutter gestellt und verteidigte sie mit allem, was er hatte. Er hatte inzwischen erkannt, dass er gegen die verbleibenden fünfzehn Männer kaum Chancen hatte, aber er würde sein Leben so teuer wie möglich verkaufen. Vielleicht konnte er wenigstens seine Mutter retten. Es gelang ihm, ebenfalls drei der Männer zu töten, doch seine Kräfte ließen bereits nach.

      Und dann kam Scheich Sedat Suekran. Es war ein Zufall, dass er an diesem Tag ebenfalls diesen Weg nahm. Von Weitem hatte er den feigen Hinterhalt erkannt und eilte nun herbei, um seinen Stammesgenossen beizustehen.

      Und wie loderte sein Feuer an diesem Tag! In kurzer Zeit hatte er alle verbleibenden Gegner niedergestreckt. Er galoppierte auf seinem Hengst mitten in sie hinein und streckte sie mit seinem Säbel nieder – wie ein Racheengel direkt aus dem Paradies!

      So verdankte Hanif sein Leben und das seiner Mutter dem Scheich und fühlte sich nach den alten Gesetzen der Wüste nun mit dessen Leben verbunden.

      Durch weiteres, intensives Training war es ihm bald gelungen, einer der besten Krieger des Stammes zu werden. Und er hatte Talent. Noch dazu hatte er seine Jugend. Nachdem die anderen Krieger irgendwann ihr Alter nicht mehr leugnen konnten, war Hanif ihnen gegenüber im Vorteil. Er ließ sich dies jedoch nie anmerken, geschweige denn bildete er sich etwas darauf ein. Er hatte stets gelernt, vor den Alten und ihren Erfahrungen großen Respekt zu haben.

      Sedat seinerseits schien sich über das Interesse des jungen Mannes zu freuen und ließ seine Nähe zu. Auch er kannte und lebte nach den alten Gesetzen und fühlte sich Hanif verbunden.

      So war es zumindest die letzten fünf Jahre gewesen.

      Und nun kam dieser Yasin Tanner und drängte sich in ihr Leben! Wo war der überhaupt so schnell hergekommen? Hanif zweifelte zum ersten Mal an seinem Idol Sedat. Was war das für eine Verbindung, die er mit diesem Amerikaner hatte? Wie konnte er ihm so vertrauen? Nicht nur, dass er ihn, Hanif, von seiner Seite fortschickte – das hatte es noch nie gegeben! Nein, außerdem hatte er ihm sein Pferd gegeben. Ein Fremder –nicht Araber! - auf einem ihrer Pferde? Undenkbar!

      Aber war er überhaupt Amerikaner? Für einen völlig Fremden wusste er viel zu viel von ihren Sitten. Wie er sich in ihrem Kreis bewegte! Er fügte sich komplett