RAYAN - Die Serie (Teil 1 - 4). Indira Jackson. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Indira Jackson
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738093896
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kannte Mehmet das aus England und wollte sie nicht überfordern. Denn hier war eigentlich der Freitag der Feiertag.

      Ihr war es recht, denn sie wollte wirklich lernen, und wie sie nach kurzer Zeit feststellte, war Arabisch für einen Europäer nicht leicht. Vor allem die Aussprache war schwierig. Aber Mehmet übte mit Engelsgeduld mit ihr.

      Als sieben Wochen vergangen waren, begann sie unruhig zu werden, ob man sie vielleicht doch hier vergessen hatte. Da kam eine Veränderung in ihr bisheriges Leben in Form des Hausbesitzers. Joe Jackson war ein Amerikaner afrikanischer Abstammung, dunkelhäutig und groß wie ein Haus. So kam es der eher kleinen und schlanken Carina zumindest vor. Er war in der Bronx aufgewachsen und „irgendwie hier gelandet“. Genauere Umstände erklärte er ihr nicht.

      Lachend verriet er ihr sofort, dass sein Aussehen der Grund war, warum seine Freunde ihn „Hummer“ – nach dem amerikanischen Geländewagen, getauft hatten.

      Abends saßen sie zusammen und Hummer erzählte am laufenden Band irgendwelche Geschichten, die er in aller Herren Länder erlebt hatte.

      Sie mochte seine unkomplizierte, offene, meist etwas laute Art, die so anders war, als die Menschen hier und daher eine willkommene Abwechslung darstellte. Hin und wieder erzählte er auch Geschichten, in denen Rayan vorkam und sie spürte, dass die beiden schon einiges durchgestanden hatten und sie eine tiefe Freundschaft verband, so unterschiedlich sie auch waren.

      Genaueres über ihr Kennenlernen erzählte er ihr nicht. Und auch sonstige Fragen nach dem Scheich und seiner Vergangenheit tat er immer lachend ab, dass sie ihn nicht zu verhören brauche und doch besser Rayan selber fragen solle.

      Ab und zu telefonierte sie auch mit ihrem Chef in München, der schon drängelte, ob sie nicht irgendwann noch einmal wiederkommen wolle? Sie hatte sich glücklicherweise mit ihm einigen können, dass er ihr immerhin so viel weiter zahlte, dass sie nicht um ihre Wohnung daheim fürchten musste. Carina freute sich über sein großzügiges Entgegenkommen, wusste aber nicht, dass auch hier Rayan seine Finger im Spiel hatte, der sie somit indirekt auch hierbei finanziell unterstützte.

      Nachdem ihm klar war, dass sie zu stolz wäre, das zu akzeptieren, hatte er den Weg über ihren Chef gewählt, der froh war, dass er einen Ausweg aus seinem Dilemma fand: Carina war eine gute Mitarbeiterin, die er ungern verlieren wollte, aber er war auch nicht die Seelsorge.

      Durch Hummers Ankunft waren zwei weitere Wochen wie im Fluge vergangen und so hatte sie kaum gemerkt, dass inzwischen insgesamt neun Wochen vergangen waren, seit Rayan gegangen war. Er hatte sie auch immer beruhigt, dass sie sich um ihn mal keine Sorgen machen sollte, er könne schon auf sich aufpassen. Wie genau er das meinte und warum er sich da so sicher war, erklärte er zwar nicht, aber Carina glaubte ihm.

      Dann jedoch musste Hummer wieder abreisen und es wurde erneut still im Haus.

      Insgeheim vermutete Carina, dass Jamal nicht böse darüber war, denn seine Mentalität war so ganz anders als die seines Herrn, aber laut sagen würde er das natürlich nie. Und mit Hummers Abreise ging auch dessen Selbstvertrauen in Rayans Wiederkehr. So verbrachte sie weitere Tage, unsicher, ob sie Rayan jemals wiedersehen würde.

      In der zehnten Woche war sie gerade mitten im Unterricht mit Mehmet, den sie morgens wie üblich in dem kleinen Pavillon im Garten abhielten, als Mehmet auf einmal mitten im Satz innehielt, erstarrte, und sich dann nicht nur tief verbeugte, sondern gleich zu Boden warf.

      Carina kannte lediglich eine Ursache, die dies bewirken konnte. Sie fuhr herum und tatsächlich, da stand Rayan. Er trug ein schwarzes, arabisches Gewand, mit traditionellem Turban, der mit roten Kordeln festgebunden war. Was für ein Anblick!

      Sie sprang voller Erleichterung auf und wäre ihm am liebsten um den Hals gefallen. Doch als sie näher kam, hielt sie erschrocken inne, denn er sah nicht gut aus. Blass, abgemagert und sie vermutete, dass es nicht gut gelaufen war.

      Ihr Gesicht musste ihre Gedanken verraten haben, denn er lächelte leicht. Dann grüßte er sie auf arabische, traditionelle Weise und sagte ebenfalls auf Arabisch: „Hallo Carina, schön Sie zu sehen. Keine Angst, es geht mir gut.“ Offenbar hatte er ihr angesehen, was sie über sein Aussehen dachte.

      In Carinas Kopf machte sich eine leichte Enttäuschung breit – er war so distanziert und dass er dann auch unbedingt gleich wissen wollte, ob sie sich an ihre Vereinbarung während seiner Abwesenheit fleißig zu lernen gehalten habe.

      Um ihren Lehrer Mehmet nicht zu blamieren, der in der Zwischenzeit noch immer wortlos und wie erstarrt auf dem Boden verharrte, grüßte auch sie ihn, wie sie es gelernt hatte und antwortete ebenfalls in Arabisch, ein wenig steif: „Auch ich freue mich, Sie gesund und wohlbehalten wieder zu sehen.“

      Neben rein sprachlichen Übungen hatte Mehmet ihr auch viel über das Land und übliche Sitten und Verhaltensweisen beigebracht.

      Rayan forderte sie auf, ein Stück mit ihm zu gehen und etwas mühsam tauschten sie zunächst Belanglosigkeiten aus. Dann fragte der Tarmane sie nach ihrer Zeit in den vergangenen Wochen hier in Alessia und als sie voller Feuereifer von ihren Erlebnissen zu erzählen begann, schien sich Rayan etwas zu entspannen und lockerer zu werden. Als sie von den beiden Wochen mit Hummer und seinen Geschichten erzählte, lachte er sogar das ein oder andere Mal.

      Sie bemerkte, dass er nicht so federnd lief wie sonst, auch leicht hinkte und schloss daraus, dass er verletzt war. Daher täuschte sie ihrerseits Müdigkeit vor und sie setzten sich auf eine Bank im Garten in den Schatten.

      Schließlich meinte Rayan auf Deutsch: „Ich freue mich sehr, dass Sie die Zeit so gut nutzen konnten, um Arabisch zu lernen. Sie haben wirklich viel erreicht und Mehmet hat sie gut unterrichtet.“ Wie immer bei den ersten Sätzen in Deutsch nach langer Zeit war sein Akzent leicht zu hören.

      „Wir werden nun einige Tage hier bleiben, um … uns auszuruhen.“ Nur ein leichtes Zögern verriet, dass er eigentlich zuerst etwas anderes hatte sagen wollen. „Zu trauern, zu heilen“ wäre passender gewesen, denn er hatte einige Männer verloren.

      Dass er vorher so lange in Alessia geblieben war, hatte sich als Fehler herausgestellt, denn der feindliche Fürst hatte so längst erfahren, dass er auf dem Weg war und war entsprechend vorbereitet gewesen. Ausschließlich Rayans Erfahrung in derlei Operationen und einige Hilfe durch technische Mittel in Form von Waffen hatten ihnen letztendlich zum Sieg verholfen.

      Khalid Raisuli war eher traditionell eingestellt und hatte ihnen lediglich veraltete Springfield M1903–Gewehre, Reste aus dem Zweiten Weltkrieg und Pferde entgegenzusetzen, während Rayan sich in Form von einigen Militär-Lkw und automatischen MK 16 Sturmgewehren Hilfe verschafft hatte. Außerdem kommunizierten sie mit Funkgeräten, Iridium Satellitentelefonen und hatten auch jede Menge Sprengstoff dabei, wo der Fürst sich mit reitenden Boten und einigen veralteten Handgranaten aus früheren Jahren begnügen musste.

      Aber einige seiner Männer, einige gute Männer und Freunde hatte Rayan trotzdem verloren. Ihn selbst hatte Hanifs Geistesgegenwart vor Schlimmerem bewahrt, eine Handgranate war nicht weit entfernt explodiert und Splitter hatten ihn am Oberschenkel und an der linken Hüfte verletzt. Hanif, der neben ihm ritt, hatte ihn zu Boden gerissen und somit war es bei blutigen, schmerzhaften Kratzern geblieben.

      Sein geliebtes Pferd hatte den Anschlag nicht überlebt, was für ihn ebenfalls ein unbezahlbarer Verlust war.

      Sie waren dann noch eine Weile dort vor Ort geblieben, um die Ordnung in der Region wieder herzustellen und dafür zu sorgen, dass keiner der Bewohner anfing, wieder einen Herd des Widerstandes aufzubauen.

      Und natürlich hatten sie den unbeteiligten Bauern geholfen, die durch den Kampf geschädigt worden waren. Dadurch hatte Rayan es geschickt verstanden, sie für sich einzunehmen, denn der Fürst hatte sie vorher nur durch Steuern und sonstige Repressalien ausgenutzt. Nun ging es ihnen besser und ihr Befreier hieß Scheich Suekran. Das würden sie so schnell nicht vergessen und somit war Rayan in Zukunft vor weiteren Anschlägen aus dieser Region relativ sicher.

      Nun musste Rayan sich unbedingt ausruhen, er hatte die letzten zehn Wochen kaum geschlafen.

      Darum verabschiedete er sich schnell von