Haily. Roberta C. Keil. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roberta C. Keil
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742732897
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stiegen von den Maschinen. Der erste, ein Hüne, der bestimmt zwei Meter maß, ging auf Sandy zu und reichte ihr die Hand.

      „Aiden sagt, ihr braucht etwas Unterstützung? Ich bin Joe Black Elk!“

      „Hi, ich bin Sandy. Sie ist Emma. Tja, wir schaffen das sicher, aber möglicherweise sind wir nicht sicher.“ Sie lachte leise.

      „Verstehe!“, brummte der Motorradfahrer. Der zweite kam heran und hob gleich wortlos das Reserverad aus dem Kofferraum. Ich hielt dem anderen den Wagenheber hin und trat von dem Wagen weg. Unheimlich, wie die beiden Männer hier auftauchten. Wer war dieser Aiden, dass er uns an dieser einsamen Stelle in so kurzer Zeit Hilfe schicken konnte.

      Es dauerte nur wenige Minuten bis der Reifen gewechselt war und die beiden Männer sich die Hände an ihren Hosenbeinen abwischten.

      „Wir geben Euch ein Stück weit Geleit. Nicht, dass Eure Pause hier Aufsehen erregt hat.“

      Sandy bedankte sich brav und reichte beiden die Hand. Ich verzichtete darauf und gab dem Beifahrersitz für die restliche Fahrt den Vorzug.

      „Nun werden wir die Ranch erst im Morgengrauen erreichen. Dann siehst du sie gleich von ihrer schönsten Seite.“

      Sie gab eine kurze Meldung an den Boss ab, bevor sie einstieg und den Motor startete.

      Eine Ranch also. In Montana? Oder Wyoming? In Colorado gab es nette Farmen. Eine Ranch bedeutete Tiere. Ich machte mir nichts aus Tieren. In Vegas gab es Straßenhunde zur Genüge. Ihre Verfassung war so schlecht, dass sie gerne als Schimpfwort herangezogen wurden, weil jeder wusste, was es bedeutete, ein ‚räudiger Köter‘ genannt zu werden. Ich lehnte den Kopf an die Scheibe und genoss das gleichmäßige Dröhnen des Motors. Im Außenspiegel sah ich die Lichter der Harleys.

      Gegen fünf Uhr morgens erreichten wir eine kleine Ortschaft mit einem 24-Stunden-Diner. Sandy parkte den Wagen, der sofort von den beiden Motorrädern flankiert wurde. Die Männer nahmen ihren Auftrag ernst. Dieser Aiden beeindruckte mich bereits, bevor ich ihn kennengelernte.

      Als ich zur Toilette ging, fiel mein Blick in dem Gang dorthin auf ein Münztelefon. Meine Mutter kam mir in den Sinn. Vielleicht sollte ich sie anrufen. Ich brauchte ihr ja nur mitzuteilen, dass ich freigesprochen worden war. Nur, um ihr meine Unschuld zu beweisen. Mickey hatte mich in den Schlamassel hineingeritten. Und die Justiz fand den wahren Schuldigen. Er war verurteilt und ich freigesprochen worden. Nein, sie ließen die Anklage gegen mich fallen.

      Mir fehlte ein Vierteldollar. Und Sandy brauchte ich sicher nicht darum zu bitten. Keine Telefonate! Black Yvis Warnung ging mir nicht aus dem Kopf. Vielleicht war es besser so. Ich schritt an dem Apparat vorbei.

      Als ich an unseren Tisch zurückkehrte, nutze ich die Gelegenheit, die beiden Motorradfahrer genauer zu betrachten. Sie beachteten mich kaum, unterhielten sich mit Sandy über irgendwelche Kids.

      Der ältere von Beiden trug sein Haar lang und in einem geflochtenen Zopf. Es war schon etwas angegraut. Seine dunklen Augen funkelten, wenn er von der kleinen Devon und dem klugen Dylan sprach. Es waren Native People, stellte ich nun am Aussehen fest. Der Name Black Elk verriet es mir schon in der Nacht. Der Jüngere trug sein glänzend schwarzes Haar offen und nur schulterlang. Aber seine Augen und sein dunkler Teint sprachen für seine indianische Abstammung. Er war stiller, als Joe.

      Ich bekam Kaffee und Bagels, so viele ich wollte. Das erste vernünftige Essen, seit Tent City. Dort gab es täglich das Gleiche. In den vier Monaten verlor ich sicherlich mehrere Kilo Gewicht.

      Sandy beobachtete mich gespannt.

      „Nach Wasser und Brot sicher ein Hochgenuss, wie?“

      „Na ja, das Essen im Hotel ließ schon zu wünschen übrig.“ Es musste nicht jeder wissen, wo ich die letzten Monate verbracht hatte.

      „Ich habe seitdem noch nicht wieder Eintopf mit weißen Bohnen gegessen.“

      Ich verschluckte mich. Sandy wusste, wie das Essen in Tent City war.

      „Du warst auch…“, ich ließ das Ende offen.

      „Ja, sieben Monate. Mein Anwalt war zu dämlich.“

      „Oha“, entglitt es mir nur. Ich dachte, die vier Monate, die ich dort zugebrachte, wären kaum auszuhalten gewesen. Aber sieben Monate? Das war hart!

      „Dann kennst du Black Yvi?“

      „Ja, sie hat mich damals selbst nach meiner Entlassung ins Diamond Valley gebracht. Ich war sozusagen das Pilotprojekt.“ Sie grinste mich an. „Und weil das so gut läuft, bist du die nächste, mit der die Springfields es versuchen wollen. Also, verdirb es dir nicht!“

      Ich verstand die freundliche aber klare Warnung. Hoffentlich wurde von mir nicht allzu viel Anpassung erwartet. Ich würde dann Schwierigkeiten bekommen.

      Joe Black Elk sah mich an. „Folge deinem Herz! Und nicht dem, was man dir beigebracht hat. Dann machst du nichts falsch.“

      Ich starrte ihn an. Seine dunklen Augen ruhten auf mir und sein Gesicht drückte Offenheit aus. Er lächelte leicht und zwinkerte mir jetzt zu. Kannte der Mann mich? Woher wusste er, welch verkorkste Erziehung ich durchgemacht hatte?

      „Und wer sagt, dass mein Herz das Richtige sagt?“ Ich musste einfach provozieren. Aber der Indianer grinste mich nur an.

      „Deine Augen!“ Er hob seine Kaffeetasse und trank sie in einem Zug leer. „Wir sollten aufbrechen, Kleiner. Sagt Aiden und Jacklyn herzliche Grüße von uns.“

      Aiden und Jacklyn. Er gab dort eine Frau? Natürlich. Außerdem sprach Sandy von ‚den Springfields‘.

      „Wir sollten weiterfahren“, riss Sandy mich aus meinen Gedanken. Jetzt im Hellen stellte ich fest, dass sie nur wenige Jahre älter war, als ich.

      Kapitel 4

      „Sie sollten längst hier sein!“ Jacky wanderte nervös an den großen Fenstern entlang. Aiden ging zu seiner Frau und legte ihr beruhigend die Hände auf ihre Oberarme. Sanft zog er sie an sich.

      „Joe hat mir eine Nachricht geschickt. Sie haben in einem Diner gut gefrühstückt und sind vor einer halben Stunde wieder aufgebrochen. Sicher kommen sie gleich.“ Er küsste sie auf ihr Haar.

      Sie nickte. „Du hast Recht. Ich sollte mir keine Sorgen machen. Es ist nur – wir haben noch nie jemanden vor der Mafia versteckt. Wir hätten sie selbst abholen sollen.“

      Aiden lachte leise und schloss sie in ihre Arme. „Sandy schafft das schon! Und du hast gehört, was Black Yvi dazu gesagt hat. Eine kleine Splittergruppe der Mafia aus Las Vegas. Wer weiß, wie groß ihr Interesse an einer unwichtigen Zeugin ist, falls sie überhaupt eine Zeugin ist!“

      „Trotzdem!“

      „Wir hätten ablehnen können, aber es ging uns um das Mädchen!“

      Jacky nickte und atmete tief ein. Ihre Hand legte sich auf ihren gut gewölbten Unterleib. Das Baby trat heute sehr häufig. Ein kleiner Unruhegeist.

      Jack betrat das Esszimmer, gemeinsam mit Waleah, seiner Frau, die gleichzeitig Aidens Mutter war. Waleah hielt die Zwillinge an der Hand und Jack trug seinen jüngsten Enkel auf dem Arm, der jetzt seine Ärmchen zu seiner Mutter reckte. Jacky nahm ihrem Vater den Jüngsten ab.

      Esmeralda, die Krankenschwester, folgte mit Marilyn, die ihren Rollstuhl kaum selbst steuern konnte. Durch die ständige Massage, die Marilyn erhielt, war es gelungen, dass sie durch Bewegung ihrer Schultern mit ihrer Hand den Steuerhebel betätigen konnte. Ein bahnbrechender Fortschritt, seit dem Unfall vor sieben Jahren.

      Ein Gesprächsgewirr entstand innerhalb weniger Sekunden und niemand verstand etwas. Die Kinder quietschten und suchten ihre Plätze an der Tafel auf. Jacky setzte Michael in sein Kinderstühlchen, für das er bald schon zu groß war. Esmeralda platzierte Marilyn an ihrem Spezialplatz und Aiden zog einen Stuhl für Jacky zurück, die gern neben ihrem Jüngsten saß. Dann kehrte für einen Moment Stille ein.