And you her father. Every gentle maid
Should have a guardian in each gentleman.
Es war Sir James Chettam selbst sehr merkwürdig, wie viel Vergnügen er auch jetzt noch daran fand, nach Tipton-Hof zu gehen, nachdem er einmal die Schwierigkeit, Dorothea als die Braut eines Andern anzusehen, überwunden hatte. Natürlich durchzuckte es ihn bei der ersten Begegnung schmerzlich und er blieb sich während des ganzen Besuchs der Unbehaglichkeit seines Zustandes, die er geflissentlich zu verbergen suchte, sehr wohl bewußt; dabei dürfen wir aber doch nicht verhehlen, daß er bei aller Herzensgüte sich weniger unbehaglich fühlte, als es der Fall gewesen sein würde, wenn er die Verheiratung mit seinem glücklichen Nebenbuhler für eine glänzende und wünschenswerte hätte halten können. Er hatte durchaus nicht das Gefühl, durch Herrn Casaubon verdunkelt zu sein; es berührte ihn nur peinlich, daß Dorothea in einer so betrübenden Täuschung befangen war, und seine Kränkung verlor dadurch, daß sich Mitleid in dieselbe mischte, etwas von ihrer Bitterkeit.
Gleichwohl konnte sich Sir James, wenn er sich auch sagte, daß er jeden Gedanken an Dorothea aufgeben müsse, nachdem sie mit der naturwidrigen Verkehrtheit einer Desdemona eine ihr proponierte, offenbar sehr passende und naturgemäße Partie ausgeschlagen hatte, doch bei dem Gedanken an ihre Verlobung mit Casaubon noch nicht ganz beruhigen. Als er die Beiden zuerst nach ihrer Verlobung zusammen wieder sah, wollte es ihn bedünken, als habe er die Sache bis jetzt nicht ernst genug genommen; Brooke war wirklich zu tadeln, er hätte es nicht zugeben dürfen. Vielleicht konnte noch jetzt etwas geschehen, um die Heirat wenigstens aufzuschieben. Es fragte sich nur, wer zu diesem Zweck mit Brooke reden solle.
Auf seinem Heimwege sprach Sir James im Pfarrhause vor und fragte nach Herrn Cadwallader. Glücklicherweise war der Pfarrer dieses Mal zu Hause und Sir James wurde in sein Studierzimmer geführt, an dessen Wänden ein reicher Vorrat von Fischgerätschaften hing. Der Pfarrer selbst war in einem anstoßenden Zimmer an einer Drechselbank beschäftigt und rief dem eintretenden Baronet zu, doch da hinein zu kommen. Die Beiden standen auf besserem Fuße mit einander, als sonst irgend ein Grundbesitzer mit einem Geistlichen in der Grafschaft, – eine bedeutsame Tatsache, die aber ganz dem freundlichen Ausdrucke ihrer beiden Gesichter entsprach.
Herr Cadwallader war ein Mann von hoher kräftiger Statur, um dessen volle Lippen immer ein mildes Lächeln schwebte, ein Mann von häßlichem und nicht sehr feinen Äußern, aber von jener soliden und unerschütterlichen Behaglichkeit des Wesens, welche sich Anderen mitzuteilen pflegt und, – gleich großen, grasbewachsenen Hügeln im Sonnenschein –, selbst auf egoistische Aufgeregtheit eine so beruhigende Wirkung übt, daß sie dieselbe, wenigstens auf Augenblicke, zu einer beschämenden Selbsterkenntnis bringt.
»Nun, wie geht es Ihnen?« sagte er, indem er Sir James seine zum Darreichen nicht eben geeignete Hand zeigte. »Es tut mir leid, daß Sie mich neulich verfehlt haben. Führt Sie etwas Besonderes zu mir? Sie sehen verstimmt aus.«
Sir James' Stirn war leicht gerunzelt, und seine Augenbrauen etwas herabgezogen, ein Ausdruck, den er absichtlich noch stärker hervortreten zu lassen schien, als er antwortete:
»Mich verdrießt nur Brooke's Benehmen! Ich glaube, es müßte noch Jemand mit ihm reden.«
»Was? Will er sich wirklich zum Kandidaten aufstellen lassen?« fragte Herr Cadwallader, während er fortfuhr, die kleinen Fischgerätschaften, die er sich eben gedrechselt hatte, in Ordnung zu bringen. »Ich glaube nicht, daß es ihm Ernst damit ist. Aber wenn es ihm wirklich Vergnügen macht, was ist denn Schlimmes daran? Jeder, der mit Whiggismus nichts im Sinne hat, sollte froh sein, wenn die Whigs nicht gerade die besten Köpfe aufstellen. Wenn sie keinen andern Sturmbock ins Feld führen, als unseren Freund Brooke, so werden sie schwerlich die Verfassung über den Haufen werfen.«
»O, davon rede ich nicht,« erwiderte Sir James, welcher, nachdem er seinen Hut abgelegt und sich in einen Sessel geworfen hatte, mit einem sehr sauern Gesichte sein Bein wiegte und seine Fußsohle betrachtete. »Ich rede von dieser Heirat, davon, daß er das blühende Mädchen den Casaubon heiraten läßt.«
»Was haben Sie gegen Casaubon? Ich sehe nichts Schlimmes dabei, – wenn er dem Mädchen gefällt!«
»Sie ist zu jung, um zu wissen, was ihr gefällt. Ihr Vormund sollte sich ins Mittel legen. Er sollte nicht zugeben, daß die Sache in einer so überstürzten Weise vor sich geht. Ich begreife nicht, wie Sie, Cadwallader, mit Ihrem vortrefflichen Herzen, und der Sie selbst Töchter haben, die Sache so gleichgültig ansehen können. Denken Sie doch einmal ernstlich darüber nach.«
»Ich scherze durchaus nicht, ich bin so ernsthaft wie möglich,« erwiderte der Pfarrer, indem er dabei, zu Sir James Verdruss, behaglich in sich hineinlachte. »Sie sind ja gerade so schlimm wie meine Frau. Die hat von mir verlangt, ich solle hingehen und Brooke zur Rede stellen, und ich habe sie daran erinnern müssen, daß ihre Familie eine sehr geringe Meinung von der Partie hatte, welche sie machte, als sie mich heiratete.«
»Aber sehen Sie sich doch Casaubon an,« entgegnete Sir James entrüstet, »er muß mindestens fünfzig Jahre alt sein und ich kann mir nicht denken, daß er jemals nicht die schattenhafte Gestalt gehabt hat, mit der er Einen jetzt erschrickt. Sehen Sie sich doch nur seine Beine an!«
»Hole der Henker Euch hübsche junge Bursche! Ihr meint auch die ganze Welt müßte sich nach Euch richten. Ihr versteht Euch nicht auf die Frauen. Sie sind nicht halb so entzückt von Euch, wie Ihr es von Euch selbst seid. Meine Frau pflegte ihren Schwestern zu erzählen, sie heirate mich um meiner Hässlichkeit willen; diese Hässlichkeit sei ihr so ergötzlich gewesen, daß sie alle Überlegung darüber verloren habe.«
»O Sie! Es war nicht schwer für eine Frau, Sie zu lieben; aber hier ist von Schönheit gar keine Rede, Casaubon mißfällt mir.«
Das war in Sir James' Munde der stärkste Ausdruck fürs sein ungünstiges Urteil über den Charakter eines Menschen.
»Warum? Was wissen Sie Nachteiliges über ihn?« fragte der Pfarrer, indem er sich dieses Mal in seiner Beschäftigung unterbrach und die Daumen mit einem Ausdruck neugieriger Aufmerksamkeit in die Armlöcher seiner Weste steckte.
Sir James hielt inne; es wurde ihm in der Regel nicht leicht, seine Gründe für eine ausgesprochene Ansicht anzugeben. Es kam ihm immer so sonderbar vor, daß die Leute diese Gründe nicht wüßten, ohne daß er sie ihnen ausdrücklich sagte, da er sich doch der Triftigkeit derselben bewußt war. Endlich sagte er:
»Ich frage Sie, Cadwallader, ob Sie glauben, daß der Mensch ein Herz hat.«
»O ja! – Ich will nicht sagen, ein weiches Herz; aber ein Herz von ganz gesundem Kern, darauf können Sie sich verlassen. Er ist sehr gut gegen seine arme Familie, gibt mehreren weiblichen Mitgliedern derselben Pensionen, und läßt einen jungen Burschen mit bedeutenden Kosten erziehen. Casaubon führt das, was er für Recht hält, auch wirklich aus. Die Schwester seiner Mutter machte eine schlechte Partie – eine Pole, glaube ich – ging zu Grunde – auf jeden Fall wurde sie von ihrer Familie verleugnet. Ohne diesen Vorfall hätte Casaubon nicht halb so viel Geld geerbt. Er ließ es sich angelegen sein, seine Vettern aufzusuchen um zu sehn, was er für sie tun könne. Nicht Jedermann würde eine so genaue Prüfung seines Wertes so gut bestehen. Sie schon, Chettam, aber nicht Jedermann.«
»Ich weiß nicht,« erwiderte Sir James, errötend. »Ich bin meiner nicht so gewiß.« Er hielt einen Augenblick inne und fügte dann hinzu: »Das würde ich nicht anders von Casaubon erwartet haben. Aber es kann Jemand das redliche Bestreben haben, das Rechte zu tun und doch eine Art von lebendigem Schweinsleder-Codex sein. Mit einem solchen Menschen kann eine Frau nicht glücklich werden, und ich bin der Meinung, daß wenn ein Mädchen noch so jung ist wie Dorothea Brooke, ihre Freunde sich ins Mittel legen sollten, wo es darauf ankommt sie von einem törichten Schritt zurückzuhalten. Sie lachen, weil Sie denken ich hätte ein besonderes Interesse dabei. Aber ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, es ist nicht das. Ich würde grade so empfinden, wenn ich Dorotheen's Bruder oder Onkel wäre.«
»Nun gut, aber was würden Sie denn tun?«
»Ich würde sagen, daß die Heirat nicht geschlossen werden darf, bevor