Aus der Sicht der Lichtplanung braucht man Kenngrößen und Metriken, die das komplexe Themenfeld des HCL in ihren gegenseitig bedingten Wechselwirkungen beschreiben können. Aus der Sicht von heute ergibt sich eine Struktur für diese HCL-Metriken oder HCL-Kenngrößen, die in der Abb. 3.17 dargestellt ist.
Die aus dem spektralen Strahlungsfluss der Lichtquellen (Lampen, Leuchten) oder den spektralen Verteilungen an den Wänden oder auf der Arbeitsebene gewonnenen Kenngrößen in der Abb. 3.17 können demnach in die drei Gruppen visuelle Leistung, Farbqualität und nicht visuelle (melanopische) Wirkungen unterteilt werden. Dabei erzeugen die beiden ersten Gruppen eine sofortige Wirkung (innerhalb weniger Minuten erkennbar) und Impression über die beleuchteten Szenen und die Raumumgebung (z. B. „Die Szene ist angenehm“, „Der Raum ist harmonisch beleuchtet“, „Die Szene ist hell und klar“, „Der Raum ist geräumig“), die über längere Zeit auch eine langzeitige Wirkung erzeugen können.
Die nicht visuellen Wirkungen beziehen sich vorwiegend auf die langzeitige Nachhaltigkeit, die nur entsteht und sich bemerkbar macht, wenn die eingesetzte Beleuchtung über längere Zeit positive Wirkungen (wie gute Schlafqualität und Konzentration) oder im schlechten Fall negative Wirkungen (wie Unkonzentriertheit, Müdigkeit) erzeugt. Die sofortigen und langzeitigen Effekte im Kontext von HCL (oder integratives Beleuchtungskonzept) führen dann zu einer nachhaltigen Raumwirkung, Raumbewertung und zu einem positiven Effekt auf die Gesundheit.
Abb. 3.17 Struktur und Rahmen der HCL-Kenngrofeen, die aus dem Spektrum der Beleuchtung abgeleitet werden konnen. Quelle: TU Darmstadt.
Im Prozess der Erforschung der HCL-Wirkungen betrachten die Lichtwissenschaft und die Schlafforschung die Gesamtheit der oben geschilderten Komplexität (s. Abb. 3.18).
Abb. 3.18 Gesamtheit der HCL-Komplexe. Quelle: TU Darmstadt.
Das HCL-System beginnt laut Abb. 3.18 mit den Einflussparametern (Uhrzeit, Jahreszeit, Zeitdynamik, Wetter, Geografie, Gebäudebeschaffenheit, Fensterorientierung) und berücksichtigt die Anwendungen mit deren spezifischen Inhalten (z. B. Schulen, Krankenhäuser, Industriehallen, Büros). Alle Nutzer/-innen haben dabei eine eigene Lebensgeschichte und Individualität (Gewohnheiten, Kultur, Geschlecht, Alter, Lichtsensitivität) und äußern sich in ihrer Lichtempfindung und Lichtwahrnehmung mit der visuellen Leistung (z. B. Lesezeit, Sehschärfe), der psychologischen und subjektiven Raumbewertung (z. B. zu hell, dunkel, angenehm, bevorzugt, nicht schön) und den physiologischen Biosignalen (Herzfrequenz, EEG, Blutdruck, Melatoninspiegel, Stresshormonspiegel).
In der Abb. 3.18 sind auch bereits die Steuerungs- und Regelungsparameter skizziert, mit denen die Leuchtenentwickler/-innen, Programmierer/-innen von Cloud-Software und die Gebäudetechniker/-innen lichttechnisch die Beleuchtungsqualität und die Raumwirkung beeinflussen können. Die technischen Aspekte von Smart Lighting im Zusammenhang mit Human Centric Lighting werden ausführlich in Kap. 11 vorgestellt.
3.7 Werkzeuge und Methoden für die Ermittlung der subjektiv und objektiv messbaren Lichtwirkungen
Für die Ermittlung der notwendigen Sehleistungen bzw. Arbeitsleistungen wurden psychophysische und arbeitswissenschaftliche Methoden und Werkzeuge seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts bis heute entwickelt und angewandt. Diese Methoden werden ausführlich in Kap. 4 erörtert. Für die Ermittlung der farbqualitätstechnischen Merkmale einer Beleuchtungsszene werden einige Fragebögen in Kap. 6 im direkten Kontext mit den dort beschriebenen Farbexperimenten vorgestellt. In diesem Abschn. 3.7. werden einige Methoden und Werkzeuge zur Ermittlung der nicht visuellen Lichtwirkungen und der Beleuchtungsqualität zusammengefasst. Die Leser/-innen, die sich detaillierter informieren möchten, erhalten an den passenden Stellen Literaturhinweise auf Fachartikel.
3.7.1 Fragebögen zur umfassenden subjektiven Bestimmung der Beleuchtungsqualität von Innenräumen
Für die Charakterisierung der Gütemerkmale einer Innenraumbeleuchtung werden oft Fragebögen verwendet, um die Bewertungen der Nutzer/-innen qualitativ zu ermitteln. Solche Gütemerkmale sind u. a. Helligkeitsniveau, Leuchtdichteverteilung der Wände, Tageslicht, Blendung, Farbe und Farbwiedergabe, Spiegelungen und Bedienbarkeit. Ein solcher Fragebogen wurde innerhalb der Lichttechnischen Gesellschaft Deutschlands erarbeitet [36] und ist sowohl für Forschungszwecke in den Laboren als auch in Feldstudien einsetzbar. Alle Fragen sind mit einer bipolaren Antwortskala verbunden und im Anhang A dieses Buches dargestellt.
Der Fragebogen [36] umfasst 25 Fragen, deren Beantwortung ca. 10 min dauert. In Laborversuchen wird eine siebenstufige Skala verwendet und das Feld „keine Angabe“ soll entfernt werden. In Feldversuchen werden die fünfstufige Skala und das Feld „keine Angabe“ verwendet. Außerdem werden persönliche Daten der Testpersonen wie Alter (in Jahren oder Geburtsjahr), Geschlecht und Brille abgefragt.
3.7.2 Fragebögen zum Schlafverhalten, Schläfrigkeit, Wachheit – subjektive Basis
Die Schläfrigkeit der Testpersonen wird mit dem subjektiven Fragebogen Karolinska Sleepiness Scale (KSS) nach Akerstedt und Gillberg [37] aufgenommen. Der KSS-Fragebogen ist eine neunstufige Skala, wobei 1 die niedrigste Schläfrigkeit und 9 die größte Schläfrigkeit bezeichnet (s. Abb. 3.19).
Die Testperson wird dabei (s. Abb. 3.19) zu einem gewählten Zeitpunkt nach ihrer Schläfrigkeit gefragt und sie soll ihre Schläfrigkeit anhand der vorgegeben ausformulierten Skala einschätzen. In den Laborstudien oder Feldstudien wird oft stündlich der Stand der Schläfrigkeit mit diesem Fragebogen ermittelt.
Der Fragebogen Munich Chrono Type Questionnaire (MCTQ) verfolgt das Ziel, anhand der subjektiven Bewertung von Testpersonen das Schlafverhalten und den Chronotyp zu ermitteln [38]. Der Fragebogen wird in das Geschehen an den Werktagen und an den freien Tagen sowie an Wochenendtagen unterteilt. Dabei werden die Arbeitsbelastung (Anzahl der Arbeitstage pro Woche), Schlafverhalten zum Schlafbeginn (Uhrzeit, bei der die Test-person ins Bett geht, Zeit des Schlafbeginns, Schlaflatenzzeit) sowie nach dem Aufwachen (Zeitpunkt des Aufwachens, Zeitdauer zum Aufstehen nach dem Aufwachen), die Zeitdauer des Aufenthalts im Außenbereich unter dem Tageslicht sowie Trinkgewohnheiten u. ä. abgefragt.
Eine Methode, die Schlafqualität in Labor- und Feldstudien auf einer subjektiven Basis zu ermitteln, ist der sog. Pittsburgh Sleep Quality Index (PSQI), der von Buysse et al. [39] erstellt