Sie denken, das sei einfach? Keineswegs. Nehmen Sie Elvis Aron Presley, geboren am 8. Januar 1935 in Tupelo, Mississippi, USA. Angeblich soll er am 16. August 1977 in Memphis, Tennessee, gestorben sein. Seinen Vitalstatus (wenn er denn Teilnehmer einer epidemiologischen Studie wäre) müssten Sie demnach mit »tot« angeben.
Als sorgfältig arbeitende Epidemiologen hegen wir Zweifel. Zunächst: Auf dem Grabstein ist sein zweiter Vorname als »Aaron« mit zwei »A« angegeben, also falsch geschrieben. Daher handelt es sich möglicherweise gar nicht um sein Grab. Und so stellt sich die epidemiologisch relevante Frage: Lebt Elvis?
Wir sind nicht die einzigen Zweifler. Gerüchte behaupten, Elvis hätte Ärger mit der Mafia und sei deswegen in einem Zeugenschutzprogramm untergetaucht. Andere wollen herausgefunden haben, dass er mittlerweile als Installateur arbeitet.
Alle diese Gerüchte sind falsch. Einer von uns hat Elvis gesehen! Und zwar am 19. April 2008 um 21.07 Uhr in Heidelberg. Wie immer mit Haartolle und flottem Glitzeranzug (und ganz ohne Werkzeugkasten), stimmlich voll auf der Höhe und mit einem Hüftschwung, der die anwesenden Damen verzückte. Dass er dann auch noch singend auf einen Bartisch sprang, beseitigte die letzten Zweifel: Elvis ist nicht zu einem epidemiologischen »Fall« geworden. Elvis lebt!
ICD-10: Ordnung muss sein
Ärzte und Epidemiologen müssen möglichst die gleiche Sprache sprechen, wenn es um Fälle und Outcomes geht. Deshalb verwenden sie eine Klassifizierung von Erkrankungen und Todesfällen, die weltweit standardisiert ist: die »International Classification of Diseases and Related Health Problems«, abgekürzt ICD-10. Die »10« steht für die zehnte Revision dieser Klassifikation, sie wird in Deutschland seit 1998 eingesetzt.
Die International Classification of Diseases besteht aus drei Bänden. Der zweite Band erläutert die Regeln zur Verschlüsselung der Todesursachen. Der erste Band enthält das systematische und der dritte Band das alphabetische Verzeichnis der Todesursachen.
Mit der ICD-10 werden die Todesursachen bestimmten Krankheitsgruppen (sogenannten Klassen oder Kapiteln) zugeordnet. Die ICD-10 umfasst 21 Kapitel. Das Kapitel IX trägt den Titel »Krankheiten des Kreislaufsystems«.
Jedes Kapitel ist in Krankheitsgruppen untergliedert, die jeweils mit einem Buchstaben und zwei Ziffern codiert werden. Diese Ebene, die dreistellige Systematik, umfasst rund 2.000 Krankheitsgruppen. Die Herzkrankheiten mit einer verminderten Sauerstoffversorgung des Herzens (ischämische Herzkrankheiten) bilden eine Gruppe mit der ICD-Notation I20 bis I25. Der Herzinfarkt Ihres Nachbarn heißt auf Medizinisch »akuter Myokardinfarkt« und erhält den Code I21.
Auf der vierten Ebene können Sie noch Untergruppen des akuten Myokardinfarkts codieren, zum Beispiel einen akuten transmuralen (also die gesamte Muskelschicht betreffenden) Myokardinfarkt der Hinterwand des Herzens als I21.1. Die vierte Stelle ist durch einen Punkt von den drei vorangehenden Zeichen getrennt. Wir haben Ihnen hier die Ebenen am Beispiel der Erkrankung Ihres Nachbarn aufgelistet:
1. Ebene: Kapitel IX, I01 bis I99 – Krankheiten des Kreislaufsystems
2. Ebene: I20 bis I25 – Ischämische Herzkrankheiten
3. Ebene: I21 – Akuter Myokardinfarkt
4. Ebene: I21.1 – Akuter transmuraler Myokardinfarkt der Hinterwand
Es lebt sich gefährlich in einem Krimi!
Wenn Sie genauso gerne Krimis lesen wie wir, wissen Sie, wie Menschen gewöhnlich zu Tode kommen: von Kugeln durchsiebt, mit einem Messer im Rücken oder heimtückisch vergiftet. Und als epidemiologisch Interessierter wollen Sie die Todesursache genau wissen, so wie die Kommissare im Krimi. Wie klassifizieren Sie etwa die Todesursache »Mord durch einen Pistolenschuss«?
Sie schlagen das Kapitel XX der ICD-10, »Äußere Ursachen von Morbidität und Mortalität« (V01 bis Y98) auf. Blättern Sie bis zur Gruppe »Tätlicher Angriff« (X85 bis Y09). Diese Gruppe umfasst sämtliche Arten des tätlichen Angriffs einschließlich der Tötung mit allen denkbaren Methoden. Einen Mord mit einer Pistole können Sie präzise als X93 codieren – als tätlichen Angriff mit einer Handfeuerwaffe.
Sie können auf den Internetseiten des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI,
http://www.dimdi.de
) verschiedene Versionen der ICD-10 einsehen und herunterladen. Die internationale Version steht auf den Internetseiten der Weltgesundheitsorganisation WHO: http://apps.who.int/classifications/apps/icd/icd10online/
Die zehn häufigsten Todesursachen in Deutschland
In Tabelle 3.1 haben wir aus der Todesursachenstatistik die zehn häufigsten Todesursachen für beide Geschlechter zusammengestellt. Zusammen sind sie für 38 Prozent der rund 939.520 Todesfälle im Jahr 2019 verantwortlich. Ihr Nachbar hat seinen bescheidenen Teil dazu beigetragen, dass der akute Myokardinfarkt auf Platz 4 der Todesursachenstatistik steht.
Tabelle 3.1: Die häufigsten Todesursachen, Deutschland 2019, Männer und Frauen
Platz | Todesursache | Anzahl der Fälle | Anteil in Prozent |
---|---|---|---|
1 | Chronische ischämische Herzkrankheit | 73.459 | 7,8 |
2 | Nicht näher bezeichnete Demenz | 45.070 | 4,8 |
3 | Bösartige Neubildung (Krebs) der Bronchien (Verzweigungen der Luftröhre) und der Lunge | 44.847 | 4,8 |
4 | Akuter Myokardinfarkt | 44.282 | 4,7 |
5 | Herzinsuffizienz (Herzmuskelschwäche) | 35.297 | 3,8 |
6 | Sonstige chronische obstruktive (»verstopfende«) Lungenkrankheit | 31.372 | 3,3 |
7 | Sonstige ungenau oder nicht näher bezeichnete Todesursachen | 24.065 | 2,6 |
8 | Hypertensive (durch Bluthochdruck bedingte) Herzkrankheit | 21.937 | 2,3 |
9 | Vorhofflattern und Vorhofflimmern | 20.715 | 2,2 |
10 | Bösartige Neubildung des Pankreas | 19.222 | 2,0 |
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