Die Schwangerschaft und die Geburt
Mein Leben mit Bilal verlief scheinbar normal, manchmal besser, manchmal schlechter. Unserer Gemeinschaft basierte nicht auf Liebe, sondern auf dem Willen der Tradition. Bald war ich erneut schwanger und wir freuten uns beide sehr auf ein weiteres Kind. Ich war so glücklich und konnte es kaum abwarten, diese gute Nachricht meinen Freundinnen zu berichten, erlebte dann jedoch eine böse Überraschung. Eine von ihnen reagierte gar nicht positiv, sondern schimpfte mich aus und gab mir das Gefühl, eine schwere Sünde begangen zu haben. Sie fragte mich, ob ich denn nichts Besseres zu tun habe, als Kinder zu gebären. Ob ich mir nicht darüber im Klaren wäre, wie schwer es in der Welt war, in der wir lebten, und dass es nicht gut sei, Kinder in die Welt zu setzen, die darunter litten. Ich sah sie verwirrt an. Ich legte meine Hand auf meinen Bauch und brach in Tränen aus, weil ich mich schuldig fühlte. Doch ich war nicht wirklich davon überzeugt, einen Fehler gemacht zu haben. Ich habe nie bereut, mit diesem wundervollen Kind schwanger gewesen zu sein, aus dem inzwischen ein prima Mann geworden ist. Ich ging sogar weiter zur Arbeit und fehlte bis zur Geburt nicht einen Tag. Mein Chef sagte oft: »Frau Laoula, machen Sie langsam, Sie arbeiten zu viel für Ihren Zustand.« Ich war klein und dünn mit einem großen Bauch, und doch hörte ich nicht auf seine Ratschläge. Ich war erfüllt von einer inneren Pflicht, die mich schnell und ohne Pause arbeiten ließ. Ich hatte immer Angst, angeschrien zu werden, wie es mir in meiner Vergangenheit ergangen war, von meinen ehemaligen Herren, und das hatte sich mir in den Kopf eingebrannt. Niemand konnte dieses Programm löschen, bis zu dem Tag, an dem ich beschloss, mich dagegen aufzulehnen.
Während der Schwangerschaft war ich depressiv und weinte viel. Ich hatte das verzweifelte Verlangen, geliebt zu werden und mich sicher zu fühlen. Stattdessen fühlte ich mich vernachlässigt, wie ein Objekt, das nur dem Zweck diente, Kinder in die Welt zu setzen und für die Familie zu sorgen, wie es die Tradition wollte. Ich dankte Gott dafür, dass ich jetzt endlich die Familie hatte, die mir während meiner ganzen Kindheit gefehlt hatte, doch das, was noch mehr als alles andere fehlte, war Liebe und Zärtlichkeit. Glücklicherweise hatte ich meinen Youns, der mir alle Liebe der Welt gab, der mich tröstete und mich alles ertragen ließ. Oft legte ich mich in sein Bettchen und wir schliefen Arm in Arm ein. Im Alter von zwei Jahren konnte er bereits deutlich sprechen und so sagte er zu mir, wenn er mich weinen sah: »Mami, komm her. Lege deinen Kopf hierhin.« Er streckte seine Ärmchen aus und ich machte mich klein und legte meinen Kopf auf seinen Arm, er umarmte mich, küsste mich und sagte zu mir, während er mir den Kopf streichelte: »Nicht weinen, Mami, ich bin hier, nicht weinen.« Er war der Engel meines Lebens. Er spielte ruhig und manchmal sprach er während des Spielens mit sich selbst, wie ich es als kleines Mädchen auch getan hatte. Ich hatte mit mir gesprochen, da ich niemanden hatte, mit dem ich hätte sprechen können. Doch mit Youns sprach ich sehr viel und wir spielten zusammen wie zwei Kinder. Youns hatte so viel Liebe zu geben, auch für unsere Freunde, die Nachbarn, die Kollegen, für mich, Bilal und Miriam.
Ich war im neunten Monat, als ich überraschend Schmerzen bekam. Carla brachte mich ins Krankenhaus, während Youns bei ihr blieb. Ich lag in einem Bett in einem Zimmer und wand mich vor Schmerzen, als ich sah, dass Bilal von der Arbeit gekommen war, um mich zu besuchen, überglücklich darüber, erneut Vater zu werden. Er setzte sich neben mich und blickte auf ein Foto an der Wand, während er meine Hand nahm und sagte: »Nur Mut! Bald bringst du ein hübsches Mädchen auf die Welt, so wie das auf dem Foto.« »Ach, lass, ich bin nur froh, wenn es gesund auf die Welt kommt, ganz egal welches Geschlecht, denn ich werde es lieben, wie ich Youns liebe.« »Ich sage dir, es wird ein Mädchen, ich spüre das. Ich werde sie Adjimona nennen, wie meine Hündin, die ich in Rom hatte, als ich in Italien lebte.« »Jetzt reicht es aber, geh weg! Du gehst mir auf die Nerven! Immerhin ist es deine Schuld, dass ich diese Schmerzen habe. Du hast mich geschwängert, eine einfache Aufgabe für dich, aber ich muss jetzt leiden. Und jetzt willst du mir auch noch erzählen, dass du unsere Tochter nach deinem Hund nennen willst? Über so etwas spricht man noch nicht einmal. Denke lieber einmal über einen Jungennamen nach, denn ich glaube, es wird ein Junge.« »Nein, ich bin sicher, dass es ein Mädchen wird.« »Lass mich in Ruhe, ich habe Schmerzen!« Er lächelte weiter das Foto an der Wand an. Es war elf Uhr morgens, als ich einen wunderschönen Jungen auf die Welt brachte. Ich war am Ende, aber voller Freude über mein Baby an meiner Brust. Er war so schön und so munter. Er hatte die Augen geöffnet und versuchte verzweifelt, die Milch zu nuckeln, doch zuvor musste er noch gewogen und gebadet werden. Ihm gefiel das überhaupt nicht, er begann so laut zu schreien, dass die Krankenschwestern ihn voller Eile baden und umziehen mussten, um ihn mir zurückzubringen. Sobald er an meiner Brust lag, begann er mit einer solchen Kraft zu saugen, als wäre er bereits einen Monat alt. Bilal stand stocksteif mit verschränkten Armen da. Er war enttäuscht. Ich hingegen war sehr glücklich. Ich weiß nicht warum, aber ich hatte es immer gespürt und mir auch gewünscht, dass es ein Junge würde. Einige Minuten später sah ich das Lächeln auf Bilals Gesicht, der seinen Sohn willkommen hieß, ihn in den Arm nahm und glücklich mit ihm kuschelte.
Die Hebamme fragte uns nach dem Namen des Kindes, den wir nicht wussten, Bilal und ich hatten uns noch auf keinen Jungennamen geeinigt. »Siehst du, was habe ich dir gesagt? Und welchen Namen geben wir ihm jetzt?« Er kratzte sich am Kopf und überlegte einen Moment. Die Frau mit dem Notizblock in der Hand sagte: »Sie haben sich noch keinen Namen ausgedacht?« Wir sahen sie an und wussten nicht, was wir antworten sollten. Plötzlich sagte Bilal: »Er heißt Mounir.« »Was? Du gibst unserem Sohn einen Namen, ohne mich nach meiner Meinung zu fragen?« »Es ist so, dass mein bester Freund in der Schule so hieß und mir gefällt dieser Name.« »Aber hast du dich gefragt, ob er mir auch gefällt?« »Jetzt ist es Tatsache, wir verhandeln hier nicht«, sagte Bilal, der mal wieder in letzter Minute eine Entscheidung getroffen hatte, ohne über die Folgen nachzudenken. Das war es, was mich immer wieder so wütend über ihn machte.
Mounir brachte große Freude in die Familie. Wie es mir schien, fühlte sich Youns etwas unabhängiger, nachdem ich mich nun nicht nur um ihn, sondern auch um seinen kleinen Bruder kümmern musste. Eines Nachmittags überkam mich ein furchtbarer Schreck. Ich hielt meinen Nachmittagsschlaf und lag mit ihm und Mounir auf meinem Bett. Ich wachte auf und Youns war im Haus nicht aufzufinden. Ich ging zu den Nachbarn, doch sie hatten ihn auch nicht gesehen. Ich zitterte vor Verzweiflung und wusste nicht, was ich tun sollte. Carla, die nur 500 Meter von unserer Wohnung entfernt wohnte, konnte ich nicht anrufen. Weil wir immer sparen mussten, hatten wir kein Telefon zu Hause. Ich bat die Nachbarin, auf Mounir aufzupassen, während ich mich auf die Suche nach Youns machte, der erst zwei Jahre alt war. Direkt vor dem Haus verlief die viel befahrene Hauptstraße. Ich hatte fürchterliche Angst, dass er diese gefährliche Straße überquert haben könnte. Oh mein Gott! Ich hoffte so sehr, dass nichts passiert war! Ich rannte zu Carla. Ich raste die Treppe in den vierten Stock hinauf und hoffte völlig außer Atem, dass sie mir sofort öffnen würde. Sie öffnete mir die Tür mit einem Lächeln. »Carla! Ich weiß nicht, wo mein Sohn ist! Was soll ich tun?« Sie sagte: »Beruhige dich, sieh mal, wer dort sitzt.« Ich blickte nach hinten in ihr Esszimmer, dort saß Youns auf der Bank, die Arme verschränkt, die Beine baumelten hinunter. Ich lief auf ihn zu: »Youns! Wer hat dich hier hergebracht? Bist du allein gegangen?« »Ja.« Ich weinte und heulte: »Youns, warum tust du mir so etwas an? Und wenn dich ein Auto angefahren hätte?« »Aber Mama, ich bin nicht über die Straße mit den Autos gekommen, sondern über die der Kühe. Ich wollte mit Tante Carla Spaghetti essen.« Während er dies sagte, warf er einen Blick in die Küche, in der eine Pfanne auf dem Herd vor sich hin köchelte. Carla erwiderte: »Es tut mir leid, ich hatte keine Möglichkeit, dir Bescheid zu geben. Youns sagte mir, dass ihr schlaft, daher dachte ich, es sei in Ordnung. Ich konnte seiner Bitte nicht widerstehen, er wollte, dass ich ihm Spaghetti koche.« Er hatte zu Mittag gegessen, aber er hatte in seinem Bauch immer noch ein Plätzchen frei für die Spaghetti mit Butter von Tante Carla. Er liebte seine Tanten Carla und Pina. Glücklicherweise hatte er nicht die belebte Straße überquert, sondern einen langen Weg durch die Gärten genommen, in denen oft viel Kuhmist lag. Und Youns nannte sie die Straße der