Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johann Gottfried Herder
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066398903
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nehmen.

      „2) Eine gnugſame Anzahl deutlicher Len„kungen,„ und

      „3) eine Biegſamkeit in der Zuſammenſez„zung vieler Woͤrter in einen Sazz, damit „ein ganzer Gedanke richtig, beſtimmt und „nach Beſchaffenheit der Sache leicht und nach„druͤcklich ausgedruckt werde.„ Hier ſteigt ſchon der Weltweiſe etwas herunter, weil er ſieht, daß ſeine Sprache von Menſchenkindern geredet werden ſoll. Wenn der Weiſe ſich ganz genau, ganz richtig und beſtimmt ausdrucken will: ſo braucht er keinen biegſamen, keinen leichten, keinen nachdruͤcklichen Perioden; die Richtigkeit iſt ſteif, die Gruͤndlichkeit veſt, und die Ueberzeugung ſtatt des Nachdrucks.

      „4) Eine hinlaͤngliche Mannigfaltigkeit „langer und kurzer, hoher und tiefer, heller „und dunkler Sylben, und der daher entſte„henden Fuͤße, Perioden und Versarten.„ Eine vollkommene Sprache braucht dieſe gar nicht. Wenn wir blos als Geiſter einander Begriffe in die Seele reden: ſo fragen wir nicht nach hohen und tiefen Sylben: ſo wenig als in den Buͤchern, wo dieſe Philoſophiſche Sprache allein gelten kann, die helle und dunkle Sylben ins Auge fallen.

      Auf die Art gehe man das ganze Stuͤck von der Sprache durch, und man findet in allen Vorſchlaͤgen den nehmlichen Fehler, daß er dem Schoͤnen der Sprache immer zu nahe tritt. Ja waͤren wir ganz Geiſt: ſo ſpraͤchen wir blos Begriffe, und Richtigkeit waͤre das einzige Augenmerk; aber in einer ſinnlichen Sprache muͤſſen uneigentliche Woͤrter, Synonymen, Jnverſionen, Jdiotismen ſeyn. Sein Plan, der Philoſophiſch ſeyn ſoll, iſt alſo ein Hermaphrodit: die Philoſophiſche Vollkommenheit erreicht er nicht, und der ſinnlichen Schoͤnheit thut er zu viel: als Plan, was eine vollkommene Sprache ſeyn ſollte, zu wenig; als Projekt, was irgend eine wirkliche Sprache ſeyn koͤnnte, viel zu viel: und was die beſte Sprache waͤre, vielleicht nicht getroffen.

      6.

       Inhaltsverzeichnis

      Es muß auch wirklich ſchwer ſeyn, zu dieſen Geheimniſſen zu gelangen; weil wir ſo wenige Deutſche Humoriſten haben. Rabner iſt kein voͤlliger National Swift in Deutſchland ſo wohl in Charakteren, als der Schreibart. Von unſern komiſchen Schriftſtellern vielleicht keiner, als Leßing — dieſer aber in einem großen Grade. Keine Parthei hat auch in dieſem Stuͤck, dem wahren Genie der Deutſchen Sprache ſo ſehr geſchadet, als die Gottſchedianer. Waren es nicht noch einige Schimpfwoͤrter, und poͤbelhafte Ausdruͤcke, die man beibehielt: ſonſt wurde alles waͤſſerich, und eben, durch eine gedankenloſe Schreibart, und durch ſchlechte Ueberſezzungen Franzoͤſiſcher Buͤcher. Man entmannete ſie voͤllig, die ſchon durch den Weiſiſchen, Talandriſchen, und Menantiſchen Stil wenig Mannheit behalten hatte: man machte ſo wohl die Jnverſionen, als Jdiotismen der Schweizer laͤcherlich, ſtatt ſie zu pruͤfen: Kurz, dieſe Sekte hat ſich der Deutſchen Sprache mit Willen der irrdiſchen, nicht aber himmliſchen Muſe angenommen, und von ihr gilts, was jener Griechiſche Koͤnig auf einen ſchwindſuͤchtigen und doch gefraͤßigen Bettler ſagte:

      Αμφοτερους αδικεις, τον Πλουτεα, και Φαεϑοντα;

      Τον μεν, ετ’ εισοροων, τον δε απολειπομενος.

      „Beiden thuſt du Unrecht, dem Pluto, und „Phaeton; dieſem, daß du ihn noch anblickſt; „jenem, daß er dich noch nicht hat.„

      Man muß den Schweizern wirklich das Recht laſſen, daß ſie den Kern der Deutſchen Sprache mehr unter ſich erhalten haben. So wie uͤberhaupt in ihrem Lande ſich die alten Moden und Gebraͤuche laͤnger erhalten, da ſie durch die Alpen, und den Helvetiſchen Nationalſtolz von den Fremden getrennet ſind: ſo iſt ihre Sprache auch der alten Deutſchen Einfalt treuer geblieben. Sie haben unſtreitig manches uͤbertrieben; das uͤbertriebene wird freilich durch den Harlekin am beſten ausgedruckt; und ausgelacht hat man ſie zur Gnuͤge; aber ihr Gutes iſt noch zu wenig gepruͤft. Die Gottſchedianer haben ihre Machtwoͤrter, ihre Jnverſionen ſo ziemlich in ihren Pasquillen geſammlet; jetzt iſt die Hitze des Streits verflogen, nun ſollte man nicht mehr lachen, ſondern pruͤfen. Haͤtte der patriarchiſche Bodmer auch kein andres Verdienſt — wie hoch hat man Ramlern und Leßingen ihren Logau angerechnet; — und aus den alten Schwaͤbiſchen Poeſien iſt doch, meinem Erachten nach, wenigſtens in der Sprache weit mehr zu lernen, als aus Logau. Nur freilich ſollten die Schweizer auch mehr Muͤhe ſich dabei gegeben haben, die Jdiotismen zu zeigen, zu pruͤfen, und kritiſch einzufuͤhren. Wenn ſie auch dieſe Woͤrter verſtehen; wer Deutſches in