Abbildung 1.4: Amazon dominiert den Markt
Quelle: S. Banjo, P. Ziobro, The Wall Street Journal: After Decades of Toil, Web Sales Remain Small for Many Retailers. Für 2016 hat Amazon bereits einen Gesamtumsatz von 136 Milliarden US-Dollar reportet.
Im permanenten Abwärtsflug will der stationäre Handel jetzt jedoch das Steuer herumreißen – und die Lösung heißt Multichannel. Wenn offline sinkt, muss eben mehr online her. Die Kanalverknüpfung soll den Kunden entlang des Kaufprozesses immer dort erreichen, wo es ihm gerade am besten passt – in der Filiale, online oder auf dem Smartphone. Eine tolle Idee, jedoch haben es die traditionellen stationären Händler hier noch nicht geschafft, den Kunden neben Services wie „Online-Bestellung in der Filiale abholen“ (Click & Collect) oder „Retouren vor Ort zurückgeben“ einen echten Mehrwert zu bieten. Ist der Kunde gerade online auf der Suche nach einem Produkt, so zählen eben ganz andere Entscheidungskriterien. Kurzum: Ein Händler kann nur dann im jeweiligen Kanal bestehen, wenn er dem Kunden hier auch echte Mehrwerte bietet, denn die Verknüpfung verschiedener Kanäle an sich kann die Kostenproblematik der Brick-and-Mortar-Filialen nicht retten.
Insgesamt ist kundenseitig 2012 noch ein deutlicher Unterschied in den Kanalpräferenzen zu erkennen. So bevorzugen in etlichen Produktkategorien (zum Beispiel Reisen, Entertainment und Bücher) deutlich über 60 Prozent der jüngeren Kunden in Deutschland den Online-Kanal gegenüber dem stationären Handel, wobei der Gesamtdurchschnitt in den genannten Kategorien eher bei 45 Prozent liegt. Die Entwicklung hin zur Selbstberatung im Internet ist vor allem unter jüngeren Kunden und Digital Natives verbreitet und unterstützt das Umsatzwachstum komplexer und informationsintensiver Produkte über Online-Shops zunehmend. So steigern beispielsweise von 2011 auf 2012 beratungsintensive und teilweise hochpreisige Produktgruppen wie Möbel (plus 58 Prozent) und Kosmetik/Parfüm (plus 67 Prozent) ihren Umsatz deutlich – wenngleich bei geringer Basis.35 Unterstützt wird diese Entwicklung durch Kundenbewertungen, Empfehlungen der Händlershops, Produktvergleichsportale sowie ein wachsendes Informationsangebot der Hersteller. Diesen Trend verdeutlicht ebenfalls die vom ECC Köln durchgeführte Studie36 zum Online- und Offline-Kaufverhalten. Darin gaben die Befragten unter anderem an, aus welchen Gründen sie nach der Internetrecherche am Ende doch im Laden eingekauft haben. 57 Prozent der Befragten nannten fehlende Haptik, 44 Prozent nannten die sofortige Verfügbarkeit des Produktes. Lediglich 27 Prozent gaben an, aufgrund der persönlichen Beratung im Ladengeschäft stationär gekauft zu haben. Fast drei Viertel der Befragten sahen also in der persönlichen Beratung keinen wichtigen Kaufgrund für den stationären Handel. Umgekehrt wurde auch untersucht, welches die Gründe für den Online-Kauf im Vergleich zum Kauf im stationären Handel sind: 48 Prozent der Befragten nannten die schnelle und einfache Online-Bestellung, 44 Prozent gaben den günstigeren Preis als Grund an. Aus der Kombination der Faktoren gute Online-Beratung, schnelle Bestellprozesse und kompetitive Preisstrategie lässt sich also der Erfolg bestehender E-Commerce-Konzepte wie Amazon, Zalando und Ebay erklären.
Abbildung 1.5: Vertriebspräferenzen nach Altersgruppe
Quelle: Prof. Dr. Renate Köcher, ACTA 2012, (www.ifd-allensbach.de/fileadmin/ACTA/ACTA_Praesentationen/2012/ACTA2012_Koecher.pdf)
Insight
Den Kunden auf allen Kanälen zu bedienen war 2012 noch die ultimative Strategie der Handelsunternehmen mit stationärer DNA, um gegen Amazon, Wayfair, Zalando und Co. zu bestehen. Die Vermutung dahinter war, dass es eine hinreichend große Bindung zur Handelsmarke wie zum Beispiel Macy’s, Sears oder Galeria Kaufhof gibt, die Kunden vom stationären Handel auf die eigene Webseite bringt. Analog dazu funktionieren barnesandnoble.com, bestbuy.com, Karstadt.de und andere. Die vermuteten Kundenbindungseffekte wurden aber leider nicht realisiert. Im Gegenteil – es gibt ausreichend Studien und Belege dafür, dass die Kundenbindung zur Händlermarke gegen null tendiert.37
Ausblick der Marktteilnehmer 2012
Amazon dominiert und lässt die Liste der Online-Marktplätze insgesamt schrumpfen. Trotz des Verlustes kleinerer Akteure wächst das Marktsegment unaufhaltsam weiter und beeinflusst durch die Oligopolstellung der wenigen Gewinner alle weiteren Segmente.
Die so vielversprechend gestarteten Online-Händler verlieren zunehmend Marktanteile an Amazon und Co. Und dort, wo Marktanteile erkämpft werden, werden diese mit hohen Marketingausgaben und Margenverzicht erkauft, was den Druck insgesamt weiter steigen lässt. So wächst der deutsche Fashion-Pure-Player Zalando 2012 beispielsweise um beeindruckende 125 Prozent auf 1,159 Milliarden Euro Umsatz, fährt dabei allerdings Verluste von 90 Millionen Euro ein.38 In den USA ergeht es Pure-Playern wie Wayfair und Zulily ähnlich.
Der Großteil der Intermediäre wird 2012 von Google und einigen wenigen Branchenchampions endgültig aus dem Markt verdrängt. Eine Handvoll Gewinner bleibt bestehen (Google Shopping, Kayak.com, Booking.com etc.). Die Aussicht auf das Wachstum bestehender und das Entstehen neuer Intermediärkonzepte ist negativ.
Für das Kataloggeschäft sieht es weiterhin schwierig aus. Hat man 2007 noch Online-Wachstum verbuchen können, so flacht dieses nun ab, da die meisten Offline-Kunden bereits zum Online-Kanal migriert sind. Die Folge: Zwei der drei großen deutschen Kataloghäuser melden Insolvenz an (Quelle 2009 und Neckermann 2012). Auch in den USA sind fast alle Katalogversender verschwunden – so hatte Sears seinen Katalog bereits 1993 aufgegeben, JC Penney folgte 2009 und Eddie Bauer erlitt nach der ersten Insolvenz 2005 im Jahr 2009 seine zweite.
Der stationäre Handel blickt der Multichannel-Zukunft positiv entgegen: Home Depot und Macy’s investieren stark in Multichannel-Angebote, Media Markt eröffnet seinen Online-Shop (im zweiten Versuch), Conrad stellt in den Filialen Internet-Terminals bereit und Douglas entwickelt eine Erlebnis-App für Smartphones. Doch Insolvenzen wie jene von Sears und Karstadt warnen auch: Investitionen in Digitales sind für stationäre Händler zwar alternativlos, bieten aber keinerlei Garantie, dass der Gang in die Irrelevanz verhindert werden kann.
Für Hersteller verbessern sich endlich die Bedingungen – der E-Commerce ist auf eine professionelle Partnerschaft mit Marken ausgerichtet, und Hersteller gehen selbstbewusst in den Online-Handel. Sie verstehen es mehr und mehr, Marktplätze für sich zu nutzen und mit eigenen Markenshops Umsatz und Gewinn zu steigern. Einige Markenhersteller wie Adidas und Asics kontrollieren allerdings den Online-Vertrieb sehr streng und versuchen den Verkauf über die Marktplätze Amazon und Ebay zu verbieten.39 Somit erhoffen