Das E-Commerce Buch. Alexander Graf. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alexander Graf
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Зарубежная деловая литература
Год издания: 0
isbn: 9783866415089
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des Konzerns vorantreiben muss. Die Metro Gruppe ist mit ihrer starken B2B-Ausrichtung hier im Vorteil, aber sogar in diesem Multimilliardenkonzern ist es alles andere als einfach, die Weichen für die Zukunft zu stellen. Das betrifft das Geschäftsmodell, die Organisation, aber auch die Sicht auf Technologie, die für Metro immer zentraler wird. Um schneller und agiler zu werden, hat Metro zum Beispiel auf die Software von Spryker Systems gesetzt, ein Unternehmen, das ich 2014 gegründet habe und bei dem mittlerweile rund 250 Menschen arbeiten. Timo Salzsieder beschreibt im Podcast, wie es ist, eine IT-Organisation zu verändern, die früher darauf incentiviert wurde, möglichst wenig Ressourcen zu verbrauchen. Heute wird er mit der Metro-IT-Organisation Metronom zum differenzierenden Puzzlestück des Konzerns – und diese wird zunehmend daran gemessen, wie schnell sie neue Produkte entwickelt.

      In Folge #247 beschreibt einer der renommiertesten deutschen E-Commerce-Manager, Stefan Wenzel, die Transformationserfahrungen des Fashion-Unternehmens Tom Tailor. Als Markenhersteller hat Tom Tailor – verglichen mit Händlern – zwar deutlich bessere Voraussetzungen für die digitale Transformation, aber die richtigen Dinge auch schnell genug umzusetzen ist herausfordernd. Auch ihm stelle ich die Frage, ob man in diesem Prozess überhaupt alle Mitarbeiter mitnehmen kann oder ob man sich auf die machbaren Dinge fokussieren muss. Tom Tailor wurde in diesem Prozess von eTribes begleitet, der mittlerweile führenden Digitalberatung in Deutschland. eTribes hat die Finanzierung der dritten Auflage dieses Buches unterstützt und ermöglicht mir ganz neue Einsichten, die sich auch in diesen aktualisierten Seiten niederschlagen. Besonders in Erinnerung geblieben sind mir die drei Dimensionen der Digitalisierung, die eTribes sehr erfolgreich einsetzt. Im ersten Schritt geht es immer um die (digitale) Optimierung des Kerngeschäfts, im zweiten um die digitale Expansion des bestehenden Geschäfts und dann um neue digitale Geschäftsmodelle, die das Potenzial haben, das eigene Modell zu überholen.

      Im Vorwort der zweiten Auflage hatten wir uns noch gefragt, warum alle Unternehmen so sein wollen wie Zalando. Mittlerweile muss auch Zalando aufpassen, in der Plattformökonomie (oder, um es anders zu formulieren, im E-Commerce 2.0) den Anschluss nicht zu verlieren – und das obwohl das Unternehmen bereits über 2.000 Entwickler zur Verfügung hat, auf die es bei der Umsetzung seiner Ideen zurückgreifen kann. Auch in der dritten Auflage des Buches ist Zalando eines der Erfolgsbeispiele, aber damit ist nicht garantiert, dass es in der vierten Auflage auch so bleibt. Vielleicht muss Zalando sich dann als „altes“ Unternehmen gegen neue aufstrebende Plattformen behaupten. Die meisten klassischen Handelsunternehmen, die sich mit Amazon messen mussten, haben verloren und sind teilweise schon aus dem Markt ausgeschieden, wie die unten stehende Tabelle eindrücklich beweist. Allen Unternehmen ist gemein, dass sie sich bei der Umsetzung der Digitalstrategie auf ihre alten Werte, beispielsweise die Filialstruktur, stützten und dabei die IT weiterhin wie eine lästige Kostenstelle behandelten. Eine Digitalisierungsstrategie auf den Softwarelösungen von SAP, IBM oder Salesforce zu basieren, hat sich wohl als teuerster Fehler der Digitalisierung der letzten Dekade erwiesen.

      Das ist insofern überraschend, als die CEOs der in der Tabelle aufgezählten Unternehmen noch 2016, 2017 und teils 2018 auf den Konferenzbühnen für ihre Multichannel-Modelle gefeiert wurden, mit denen sie versucht haben, die stationäre Welt mit dem Online-Handel zu verbinden. Das ist aber eine Lösung, die nie von Kunden nachgefragt wurde. Die gleichen Unternehmen hadern nun mit langwierigen, teuren und teilweise existenzbedrohenden ERP-Projekten, die noch vor fünf Jahren als Allheilsbringer angepriesen wurden.

      Tabelle: Veränderungen des Börsenwerts in Mrd. USD von 2006 zu 2019

      Einige Leser des Buchs werden sich nach der Lektüre fragen, was unsere Einsichten für ihre Unternehmen bedeuten – oder für die Gewichtung des eigenen Aktiendepots. Stark vereinfacht können wir Folgendes sagen: Unternehmen müssen sich daran bewerten lassen, wie schnell sie neue Marktanforderungen umsetzen, und nicht daran, ob sie Antworten im Powerpoint-Modus finden. Unternehmen, denen es schwerfällt, die Kunden-USPs in ihrem aktuellen Modell zu beschreiben, werden im E-Commerce der zweiten Generation gar keinen Platz mehr finden.

      Auch in dieser zweiten Generation des E-Commerce bleibt Amazon für uns Buchautoren relevant und unser Erfolg misst sich unter anderem an der Anzahl und Qualität der Kundenrezensionen dort. So würden wir uns sehr freuen, wenn Sie sich fünf Minuten Zeit nehmen, um unser Buch dort zu bewerten. *****

       Alexander Graf

       Einleitung: Was ist E-Commerce?

      Seitdem es das Wort „E-Commerce“ gibt, herrscht um seine Bedeutung Unklarheit. Fest steht: Von Anfang an beschrieb der Begriff mehr als nur einen weiteren Kanal für den Vertrieb von Gütern. Dadurch ist es aber nun fast zu einem Ding der Unmöglichkeit geworden, ihn zufriedenstellend zu definieren. Wikipedia versucht sich tapfer daran:

      Elektronischer Handel, auch Internethandel, Online-Handel oder E-Commerce, bezeichnet Ein- und Verkaufsvorgänge mittels Internet (oder anderer Formen von Datenfernübertragung).

      Was sich einfach und abschließend anhört, wird aber schon wieder kniffelig, wenn Handelspraktiker versuchen, die Definition auf ihre eigene Rolle, ihr Unternehmen oder das berufliche Umfeld anzuwenden. Diese haben sich in den letzten 15 Jahren alle durch E-Commerce verändert – aber wie genau? Der Online-Handel ist überall hingekommen, in jeden Prozess, in jeden Kanal, in jedes Tool hat er Einzug gehalten. Noch nebulöser wird der Begriff durch Varianten wie „Multichannel-“ oder „Omnichannel-Commerce“, die dazu herangezogen werden, oft fragwürdige strategische Entscheidungen zu begründen. Durch das Smartphone wird die Entwicklung nun nur noch weiter beschleunigt. Dabei bleiben echte Antworten jedoch oft aus, im Gegenteil: Immer wieder werden neue Begriffe in Umlauf gebracht, die oftmals noch mehr Ratlosigkeit und auch Verunsicherung verursachen.

      Trotz unserer Expertise in diesem Bereich tun auch wir uns damit schwer, den sich gerade wandelnden Begriff E-Commerce genau auszudefinieren. Deswegen wollen wir uns stattdessen an eine rückwirkende Definition aus der Zukunftsperspektive wagen. Wir nehmen einmal das Jahr 2030. Sollte Wikipedia dann noch existieren, rechnen wir damit, dass der dortige Eintrag zu E-Commerce ungefähr wie folgt lauten wird:

      E-Commerce – auch Online-Handel – begann in den 1990er-Jahren als auf Desktop-Computern basierter Vertriebskanal. Dieser Kanal wurde von einer neuen Generation von Handelsunternehmen wie Amazon und Alibaba beherrscht. In den darauffolgenden Jahrzehnten ersetzten diese neuen Akteure eine Vielzahl der bis dahin aktiven Einzelhändler (siehe Karstadt und Walmart). Grund dafür waren das von den neuen Händlern angebotene bessere Preis-Leistungsverhältnis sowie deren günstigeren Kostenstrukturen. Heute ist der Online-Handel allerdings vollends im allgemeinen Handel aufgegangen. Er stellt heute den üblichen Verkaufskanal für Güter aller Art dar. E-Commerce führte direkt zum Verschwinden von stationären Geschäften als primäre Vertriebsstruktur. Heute werden Ladenflächen von Händlern vorwiegend als Marketing-Instrument eingesetzt. Siehe auch folgende Einträge: Ende des stationären Handels, Der Große Gewerbeimmobilien-Crash 2022 und Liste von Insolvenzverfahren im stationären Handel (2000–2025).

      So unsere Vorhersage. In diesem Buch wollen wir Ihnen erzählen, was bisher geschehen ist – und Ihnen erklären, warum wir glauben, dass die Zukunft wie in diesem fiktiven Wikipedia-Eintrag verlaufen wird. Dabei wollen wir Ihnen ebenfalls einen Werkzeugkasten an die Hand geben, mit dem Sie die Entwicklungen werden nachvollziehen können.

       1E-Commerce: Was bisher geschah

      Seit seinen Anfängen vor 25 Jahren ist der Online-Handel erwachsen geworden und heute aus der Handelslandschaft schlicht nicht mehr wegzudenken. Es gibt jedoch eine Vielzahl an teils hartnäckigen Missverständnissen darüber, was das beachtliche Wachstum im E-Commerce antreibt und was dessen Auswirkungen sind. Daher wollen wir im Folgenden die Entstehung und Etablierung des Online-Handels betrachten und dabei herausstellen, welche Effekte das starke Wachstum der Online-Umsätze auf unterschiedliche Marktteilnehmer hatte und noch immer hat, bevor wir dem Rückblick