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Im Hinblick auf unternehmensinterne Untersuchungen stellen die Auskunfts- und Einsichtsrechte der Kommanditisten letztlich jedoch nur ein sehr beschränktes Mittel dar. Soweit der jeweilige Gesellschaftsvertrag der GmbH & Co. KG keine detaillierten Regelungen zu Art und Umfang von Informationsrechten und Weisungsrechten enthält, bleibt den Kommanditisten lediglich die Möglichkeit, sich über den Stand etwaiger Untersuchungen zu informieren.
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In der Praxis enthalten die meisten Gesellschaftsverträge der GmbH & Co. KG detaillierte Regelungen, durch die den Kommanditisten über das Gesetz hinausgehende weitreichende Geschäftsführungs-, Weisungs- und Informationsrechte gegenüber der Komplementär-GmbH eingeräumt werden.[253] Im Regelfall sind daher die Kompetenzen der Kommanditisten auch im Hinblick auf unternehmensinterne Untersuchungen den individuellen gesellschaftsvertraglichen Regelungen zu entnehmen.
5. Im Konzern
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Die Konzernstruktur ist entscheidend für die Berechtigung und Verpflichtung zur Durchführung unternehmensinterner Untersuchungen. In einem Konzern, bestehend aus mehreren Tochter- und Enkelgesellschaften, sind in Abhängigkeit von der Gesellschaftsform der Vorstand bzw. die Geschäftsführung für die Durchführung unternehmensinterner Untersuchungen prinzipiell zuständig. Von besonderem Interesse sind indessen Situationen, wenn die Unternehmensleitung oder der Aufsichtsrat einer untergeordneten Gesellschaft trotz prinzipieller Verpflichtung keine unternehmensinterne Untersuchung durchführt oder wenn die übergeordnete Gesellschaft gegen den Willen der untergeordneten Gesellschaft eine Untersuchung durchführen möchte, obwohl keine bzw. keine eindeutige Verpflichtung der untergeordneten Gesellschaft hierzu festzustellen ist. Diese Probleme sind anhand der generellen Rechte- und Pflichtenverteilung der Muttergesellschaft gegenüber ihren Tochter- und Enkelgesellschaften aufzulösen. So ist für die Beurteilung, ob eine Einflussnahme der Unternehmensleitung der Muttergesellschaft möglich ist, die Art der Konzernierung die Gesellschaftsform maßgeblich.[254]
a) Generelle Verpflichtung zur Durchführung unternehmensinterner Untersuchungen im Konzern
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Die generelle Verpflichtung zur Durchführung konzernweiter unternehmensinterner Untersuchungen ergibt sich wie schon bei Einzelgesellschaften aus der allgemeinen Leitungs- und Compliance-Verantwortung. Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass jedes Unternehmen zu gesetzeskonformem Verhalten verpflichtet ist.[255] Da die Verpflichtung zu gesetzeskonformem Verhalten für jede Tätigkeit gilt, hat somit die Muttergesellschaft auch bei der Konzernleitung auf gesetzeskonformes Verhalten zu achten.[256] Dabei spielt es zunächst keine Rolle, ob die Konzernleitung zentral oder dezentral ausgeübt wird, da die Unternehmensleitung die Verantwortung trifft, jegliche Schäden aller Art zu Lasten des eigenen Unternehmens – und damit des gesamten Konzerns – abzuwenden. Neben finanziellen Schäden gehören hierzu auch Reputationsschäden.[257] Verhält sich ein Tochter- oder Enkelunternehmen rechtswidrig, kann das auf die Muttergesellschaft zurückfallen, weswegen aus der originären Compliance-Verantwortung für das herrschende Unternehmen stets auch eine Compliance-Verantwortung für den gesamten Konzern entsteht.[258] Allerdings muss stets die Konzernstruktur beachtet werden. Ein Konzern besteht aus mehreren rechtlich eigenständigen Unternehmen, die jeweils von einer eigenen Unternehmensleitung geführt werden. Jede Unternehmensleitung eines Konzernunternehmens ist deshalb auch innerhalb eines Konzerns mit seinen unterschiedlichen Ebenen zunächst für das eigene Unternehmen zuständig. Insbesondere hat eine Tochter- oder Enkelgesellschaft keine direkten Ansprüche gegen die Unternehmensleitung der Muttergesellschaft, es sei denn, diese ergeben sich aus der besonderen Konzernstruktur und vertraglichen Verpflichtungen. Somit besteht zwar eine grds. Verpflichtung zur Sicherstellung gesetzeskonformen Verhaltens der Unternehmensleitung der Muttergesellschaft gegenüber der Muttergesellschaft selbst. Es besteht hingegen keine unmittelbare Verpflichtung der Unternehmensleitung gegenüber den untergeordneten Tochter- oder Enkelgesellschaften, da die Unternehmensleitung stets nur ihrer eigenen Gesellschaft gegenüber gesellschaftsrechtlich verpflichtet sein kann. Dies bedeutet, dass die Tochtergesellschaften keine Ansprüche gegen die Konzernleitung haben, Verstöße aufzuklären oder dagegen vorzugehen.[259] Die Verpflichtung gegenüber der Muttergesellschaft beinhaltet aber, für eine konzernweite Gesetzeseinhaltung zu sorgen.[260]
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In der Praxis ist eine konzernweite Compliance-Organisation die Regel. So hat eine Umfrage unter DAX-Unternehmen ergeben, dass etwa 95 % der Unternehmen einen zentralen Chief Compliance Officer bestellt haben, der in der überwiegenden Zahl der Fälle gleichzeitig Chefjustiziar des Unternehmens ist. Der Vorstand kann sich dadurch aber selbstverständlich nicht von seiner originären Pflicht zur Wahrnehmung der Compliance in seinem Unternehmen als Teil seiner Unternehmensleitungspflicht befreien.
aa) Konzernspezifische Vorschriften
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Die oben bei der AG dargestellten Begründungsansätze für Compliance-Verpflichtungen der Unternehmensleitung werden grundsätzlich auch für den Konzern vertreten.
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Eine konzernweite Pflicht zur Durchführung unternehmensinterner Untersuchungen wird ausdrücklich durch § 25a KWG im Bankaufsichtsrecht und § 15 des Geldwäschegesetzes (GWG) bejaht, die den gesamten Konzern in die interne Unternehmensüberwachung und Organisationspflicht einschließen.[261] Außerdem wird vertreten, der Gesetzgeber habe mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) klargestellt, dass die interne Unternehmensüberwachung und die Organisationspflicht nach § 91 Abs. 2 AktG den gesamten Konzern umfasse.[262] Ähnlich verhält es sich mit dem Risikofrüherkennungssystem nach § 91 Abs. 2 AktG, aus welchem teilweise eine konzerndimensionale Compliance-Pflicht abgeleitet wird.[263] Teilweise wird eine Compliance-Verpflichtung auch aus der organschaftlichen Leitungssorgfalt der §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 AktG abgeleitet.[264] Durch die Verpflichtung zum pfleglichen Umgang mit dem Beteiligungsbesitz der Konzernmutter ist der Vorstand der Muttergesellschaft verpflichtet Rechtsverstöße bei Tochtergesellschaften zu verhindern, die zu Vermögensschäden und Reputationseinbußen der Muttergesellschaft führen können.[265] Das Gleiche gilt auch für die GmbH.[266] Von einer konzernweiten Compliance-Verantwortung geht schließlich auch der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) aus: „Der Vorstand hat für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der unternehmensinternen Richtlinien zu sorgen und wirkt auf deren Beachtung durch die Konzernunternehmen hin (Compliance).“[267]
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Die Pflicht zur Durchführung unternehmensinterner Untersuchungen gilt auch für Enkelgesellschaften, sofern die Möglichkeit der Einflussnahme auf die Tochtergesellschaft gegeben ist. Hierbei kommt es wiederum auf die Konzernierung und die Gesellschaftsform der Gesellschaft an, ob die Pflicht zur Durchführung einer unternehmensinternen Untersuchung besteht.
bb) § 130 OWiG
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Wie bei der AG dargestellt, wird eine allgemeine Compliance-Verpflichtung für das einzelne Unternehmen auch aus § 130 OWiG abgeleitet. Die gilt auch für die konzernweite Compliance-Verantwortung.[268]
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Zwar handelt es sich bei der Muttergesellschaft nicht um den Inhaber i.S.d. § 130 OWiG der konzernierten Gesellschaften, da der Inhaberbegriff nicht mit der Eigentümerposition gleichzustellen ist. Vielmehr ist Inhaber derjenige, dem die Erfüllung der Pflichten obliegt, die nach § 130 OWiG sanktioniert werden.[269] Im Falle einer juristischen Person ist dies die juristische Person