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Eine Positionierung der Europäischen Gerichte steht noch aus.[490] Denkbar wäre es, dass auch gegenüber Preissuchmaschinen – in Übertragung der Wertungen der „Coty“-Entscheidung – Einschränkungen zulässig sind, wenn sie allein aus qualitativen Anforderungen an die Darstellung innerhalb der Preissuchmaschinen folgen.[491] Mit Blick auf die Beurteilung in Deutschland ist allerdings – zumindest aus Sicht des BKartA – folgender Gesichtspunkt zu beachten: Preisvergleichsseiten haben laut BKartA auf dem deutschen Markt eine wesentlich höhere Bedeutung als in anderen Mitgliedstaaten,[492] so dass auch deren Beschränkung als besonders schwerwiegend beurteilt werden könnte.
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Weil sich die zukünftige Entwicklung der Rechtsprechung noch nicht mit hinreichender Sicherheit prognostizieren lässt, ist auch in Graubereichen grds. Zurückhaltung geboten:
Beispiele:
– | Wird die Nutzung von Preisvergleichsportalen unter einen Erlaubnisvorbehalt gestellt, kann dieser infolge seiner tatsächlichen Handhabung im Ergebnis wie ein Pauschalverbot zu behandeln sein.[493] |
– | Ähnlich kann auch die Beschränkung der aktiven Bereitstellung von Preis- und Produktinformationen faktisch wie ein Pauschalverbot wirken. Schließlich nehmen Preisvergleichsportale ein Produkt regelmäßig erst dann auf, wenn die Händler die nötigen Informationen übermitteln.[494] |
– | Als zulässige qualitative Vorgabe zur Nutzung von Preisvergleichsportalen kommt insbesondere die Forderung in Betracht, dass neben den Preisen weitere Faktoren zum Ausdruck kommen (etwa das Luxusimage oder die Produkteigenschaften).[495] Dies setzt voraus, dass die Hervorhebung der Faktoren zur Wahrung berechtigter Belange im konkreten Fall auch tatsächlich erforderlich ist.[496] |
– | Als weitere (potentiell) zulässige Anforderungen kommen das Angebot von Beratungsservices und Expertenmeinungen oder Werbekampagnen, bestimmte Funktionalitäten der Website oder deren Kompatibilität zur mobilen Nutzung in Betracht.[497] |
– | Denkbar sind weiterhin auch Anforderungen an die (äußere) Gestaltung, etwa hinsichtlich der Vermeidung bestimmter Domainnamen (die z.B. Begriffe wie „Geiz“ oder „Ramsch“ enthalten).[498] |
e) Doppelpreissysteme (dual pricing)
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Grundsätzlich unzulässig sind sog. Doppelpreissysteme, die für Produkte, die über das Internet abgesetzt werden, einen höheren Einkaufspreis vorsehen als für Produkte, die stationär vertrieben werden. Die im Doppelpreissystem liegende Diskriminierung des Internet-Vertriebs verstößt gegen das Äquivalenzprinzip – wonach Online-Vertriebsbeschränkungen ein Äquivalent in Offline-Vorgaben finden müssen – und wird grundsätzlich als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung angesehen, weil sie eine faktische Verdrängung des Internet-Vertriebs bewirken kann. Eine solche Benachteiligung darf auch nicht mittelbar erfolgen, etwa durch unterschiedliche Bonussysteme oder Rückvergütungen. Es dürfen mithin keine gegenüber dem stationären Handel ungleichwertigen Konditionen gewährt werden, die nicht durch sachliche Unterschiede der Vertriebswege gerechtfertigt sind.[499]
Beispiele:
– | Zulässig dürften Rabatte sein, die für den stationären Vertrieb sowie den Internet-Vertrieb gleichermaßen gewährt werden und auch von beiden Vertriebsformen praktisch erreicht werden können.[500] |
– | Zulässig sind wohl auch sog. umsatz- oder mengenunabhängige Fixkostenzuschüsse, die spezifische (Kosten-)Nachteile des stationären Vertriebs gegenüber dem Internet-Vertrieb ausgleichen sollen. Bezugspunkt können z.B. die Kosten der Anmietung von Ladenlokalen oder der Erwerb hochwertiger Ausstellungsmöbel sein.[501] |
– | Überdies erscheint eine Einzelfreistellung möglich, wenn Online-Verkäufe für den Hersteller mit erheblich höheren Kosten verbunden sind als Offline-Verkäufe.[502] |
f) Qualitative Anforderungen an den Online-Vertrieb in selektiven Vertriebssystemen
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Während die Mehrzahl qualitativer Vertriebsvorgaben für den Offline-Vertrieb auf (reine) Internethändler übertragbar ist (Werbevorgaben, Sortiments- und Lagerhaltungsvorgaben etc.), stellen sich bei der Ausgestaltung des Internet-Vertriebs in selektiven Vertriebssystemen Sonderfragen.[503] Zur Beurteilung qualitativer Anforderungen an den Online-Vertrieb ergeben sich aus den Vertikal-LL zwei Leitprinzipien: Wie auch im Offline-Bereich kann der Anbieter für die Verwendung des Internets Qualitätsanforderungen zum Weiterverkauf seiner Waren festlegen.[504] Bedingung für die Zulässigkeit von Qualitätsanforderungen für den Online-Vertrieb ist die Gleichwertigkeit mit den Kriterien, die für den Verkauf im Ladengeschäft festgelegt wurden (sog. Äquivalenzprinzip): „Die Kommission sieht [. . .] jede Verpflichtung als Kernbeschränkung an, die die Vertragshändler davon abhält, das Internet zu benutzen, um mehr und andere Kunden zu erreichen, indem ihnen Kriterien für Online-Verkäufe auferlegt werden, die insgesamt den Kriterien für Verkäufe im physischen Verkaufspunkt nicht gleichwertig sind.“[505]
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Unter Beachtung des Äquivalenzprinzips dürfte es dem Hersteller zunächst erlaubt sein, inhaltliche Anforderungen an Internetseiten selbst (z.B. Name der Domain, ggf. Hinweis auf stationäre Geschäfte) zu stellen, sofern diese verhältnismäßig sind. Darüber hinaus dürften Vorgaben an die Produktpräsentation auf der Internetseite zulässig sein. Solche Vorgaben stellen sicher, dass die Präsentation der Waren im Internet einen mit der stationären Präsentation vertriebswegspezifisch vergleichbaren Standard aufweist.
Beispiele:
– | Anforderungen zur Gewährleistung eines hochwertigen Gesamteindrucks der Internetseite nebst der Angabe, dass es sich um das Angebot eines autorisierten Händlers handelt; |
– | ansprechende und übersichtliche Darstellung der Produkte nebst qualitativ hochwertigen Bildern und Produktbeschreibungen; |
– | Präsentation der Waren in angemessenem Warenumfeld; |
– | regelmäßige Aktualisierung der Internetseite und die Anzeige aktueller Preise; |
– | angemessene Verfügbarkeiten einer Service-Hotline; |
– | Dem Offline-Handel entsprechende Service-Leistungen z.B. bei Zahlung, Versand und Rückabwicklung. |
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