Forschen Schrittes führte er mich weg von den geheimnisumwobenen Ausgängen, von meinen abwegigen Gedanken und von Udo Jürgens Aufbruchsstimmung wieder zu Fidels aktuellen Urlaubszielen.
Bei unserem Flug nach Kuba hatte, zum Glück für den Reiseverlauf, niemand die Chance zu einem Aufbruch gewagt, um nach New York, Hawaii oder San Francisco zu fliehen, so dass wir unser erstes Sehnsuchtsziel – die Hauptstadt Kubas – komplikationslos erreichten.
In Havanna gingen wir an Bord der MS ARKONA. Hingerissen von der prachtvollen Kulisse des Hafens mit seinen mächtigen Festungsanlagen zu beiden Seiten übersahen wir beim näheren Betrachten auch nicht die zerfallenden Bauten auf dem Malecon, der Uferstraße am Golf von Mexiko – dem einstigen Küstenboulevard.
Bröckelnde Fassaden der Häuser, dunkle Flure, notdürftig zusammengeflickte Stromleitungen an den Hauseingängen, Seilwinde, mit denen Wassereimer mühsam in die oberen Stockwerke gehievt wurden, und Wäscheleinen mit abgetragenen Kleidungsstücken stachen mir in die Augen und trübten meine Gedanken.
Aller Trübsinn des wahrgenommenen Daseins war jedoch wie weggeblasen, als wir in natura die ansteckende Freundlichkeit der Kubaner spürten, die uns überall temperamentvoll begrüßten. Auf der Plaza de Armas oder der Plaza de la Catedral ebenso wie auf der ältesten Festung der Stadt, dem Castillo de la Fuerza. Und dann haben wir endlich in nicht zu übersehender Größe Fidel auf dem Plaza de la Revolución entdeckt. Allerdings nur auf einem überdimensionalen Plakat.
Bei den Stadtrundgängen fiel mir noch auf, dass zahlreiche Kubaner die „Granma“ (übersetzt die „Großmutter“) stolz unterm Arm trugen. Gemeint ist natürlich die Tageszeitung der Kommunistischen Partei Kubas, benannt nach Fidels Boot, mit dem er 1956 von Mexiko kommend Kuba ansteuerte und gewissermaßen den Startschuss für die kubanische Revolution einleitete.
25 Jahre nach dieser ersten Reise mit der MS ARKONA führte mich erneut eine Kreuzfahrt diesmal mit der MS DEUTSCHLAND durch die Karibik nach Kuba. Inzwischen hatte man die Anziehungskraft der Insel für den boomenden Fremdenverkehr entdeckt. Die Besucher aus zahlreichen Ländern strömten in die stolze Hauptstadt Havanna und in Orte wie Santiago der Cuba, Cienfuegos und Trinidad. Überall wurde, soweit es die staatlichen Mittel erlaubten, restauriert. Der Malecon entwickelte sich in eine Flaniermeile, in dessen Umfeld sich kleine privat betriebene Restaurants etablierten und zum Verweilen einluden. Dennoch vermisste ich irgendwie den morbiden Charme der ersten Begegnung. Selbst Losungen wie PATRIA O MUERTE (Heimat oder Tod) verblassten zunehmend.
Auch diesmal haben mich die freundlichen und temperamentvollen Kubaner beeindruckt, die trotz ihres einfachen, manchmal besorgniserregenden Lebensstandards selbst bei prekärer Versorgungslage immer optimistisch wirkten und immer noch glaubten, eine gerechtere Gesellschaft schaffen zu können. Selbst wenn der Ruf VENCEREMOS (Wir werden siegen!) leiser und seltener wurde.
Schon bei unserem ersten Aufenthalt in Havanna hatten wir kurz nach der Ankunft der weltberühmten Revue des „Tropicana“ einen organisierten Besuch abgestattet.
Die Show im Freien mit rund 200 Mitwirkenden vor über 1000 Zuschauern bot einen wahren Karneval mit afrokubanischen Rhythmen, Kostümen, Tanz und Spaß. Bei Cola, Saft und einer Flasche Cuba-Rum für jeweils sechs Personen am Tisch verbrachten wir einen stimmungsvollen karibischen Abend. Zu uns gesellten sich die Künstler von Bord der MS ARKONA: Kurt Nolze, Gabi Munk & Ingo Krähmer sowie Ingrid Raack. Im „Tropicana“ waren wir alle gemeinsam ausgezeichnete FDGB-Urlauber.
Natürlich suchten wir an einem der folgenden Tage privat die ganz unscheinbar in einer schmalen Seitengasse von Havanna gelegene legendäre „Bodeguita del Medio“ (auf Deutsch „Kneipe in der Mitte“) auf, um den traditionellen Mojito (Rum, Limone frische Pfefferminzstängel, Soda und Eiswürfel) zu trinken. Genauso wie es berühmte Leute wie Charlie Chaplin, Marlene Dietrich, Brigitte Bardot, Salvador Allende und Fidel Castro angeblich getan haben sollen.
Doch auch hier habe ich Fidel beide Male leider nicht gesehen.
In der Erinnerung aber bleibt der an die weiße Wand geschriebene Spruch des kubanischen Autors Garcia Leandro: „Bodeguita, du bleibst, ich gehe!“
Bei den obligatorischen Rundfahrten und Ausflügen auf der gesamten Insel wurde uns bei der ersten Reise sehr bewegt demonstriert, wie sich Kuba vom Treffpunkt der internationalen Mafia zu einer Bastion des Sozialismus in ganz Amerika wandelte.
Wir besuchten die geschichtsträchtigen Orte der kubanischen Revolution Ende der 50er/Anfang der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts.
In Santiago de Cuba bei den Moncada-Kasernen erfuhren wir, dass dort bereits 1953 ein Ansturm von Rebellen um Fidel Castro auf das Bollwerk der verhassten Batista-Regierung erfolglos blieb.
Anschließend verweilten wir vor dem Rathaus von Santiago, vor dessen Fassade Fidel Castro dann sechs Jahre später den Sieg der Revolution verkündete.
Bei einer Bootsfahrt in der Schweinebucht hörten wir von der gescheiterten Invasion von Exilkubaner, die 1961 von den USA unterstützt worden war.
Unter dem Namen Invasion in der Schweinebucht ging dieser im Jahr 1961 nur drei Tage dauernde militärische Angriff auf Kuba in die Geschichte ein. Die Invasion hatte den Sturz der Revolutionsregierung unter Fidel Castro zum Ziel. Fidel Castro war jedoch von den Plänen informiert worden und erwartete die Invasoren in der Schweinebucht. Die Invasion scheiterte. Die Regierung des gerade erst gewählten Präsidenten John F. Kennedy war blamiert. Noch heute gibt die vom amerikanischen Geheimdienst CIA gesteuerte Aktion einige Rätsel auf.
Neben der revolutionären Geschichte Kubas erhielten wir aber auch nachhaltige Einblicke in die Landschaft und Natur sowie in die Kultur und Architektur auf dieser karibischen Insel und wir gewannen unvergessliche Eindrücke vom Leben ihrer liebenswerten Bewohner.
In Cienfuegos, wegen ihrer neoklassizistischen Architektur wurde die Stadt mit ihrem lebhaften Ortskern auch „Perle des Südens“ genannt, bewunderte ich den Nationalpark Zapata. Vor allem die Krokodilfarm hatte es mir angetan. So viele Krokodile in natura beobachten zu dürfen, überstieg alle meine Vorstellungen.
Kubas exotischste Stadt war für mich das karibische Santiago. Die Stadt schmiegt sich idyllisch an eine Bucht, an deren Einfahrt die mächtige Morro-Festung thront. Auf dem Ifigenia-Friedhof dieser Stadt ruht José Martí. Er war ein kubanischer Poet und Schriftsteller und gilt als kubanischer Nationalheld sowie als Symbol für den Unabhängigkeitskampf seines Landes.
Zu einem Einkaufsbummel hatten wir bei den Landgängen kaum Gelegenheit, vom Organisator sicher beabsichtigt. Die Vorzeige-Verkaufsstelle für Waren des täglichen Bedarfs, in die man uns führte, glich eher einem kleinen Lagerraum mit Kisten, Säcken und Regalen, aus denen Grundnahrungsmittel wie Eier, Reis, Mehl oder Waren des täglichen Bedarfs wie bestimmte rationierte Toilettenartikel entnommen und zum Teil auf Bezugschein vergeben wurden. Überall waren die Versorgungsengpässe spürbar. Zahlreiche leere Regale. Selbst überzeugte DDR-Bürger blickten verschämt auf das äußerst dürftige Angebot für ihre kubanischen Freunde.
Auf einem kleinen Bauernmarkt in Santiago, auf dem die Pioniere der kubanischen Marktwirtschaft agierten, fand ich dann endlich die Möglichkeit, ein Mitbringsel von der Reise zu erwerben. Die Wahl fiel mehr schwer. Das Angebot für einen Touristen war ziemlich begrenzt. Außer den berühmten kubanischen Zigarren, deren Herstellung wir in einer Manufaktur beiwohnten, und dem Zuckerrohrschnaps – dem kubanischen Rum – entdeckte ich kaum ein passendes Souvenir. Allerdings rauchten weder meine Freunde noch ich. Rum aus Kuba gab es auch bei uns im Konsum. Ohne Bezugsschein. Zudem war der Transport einer Flasche im Koffer nicht komplikationslos.
An einem Stand mit Werkzeugen entdeckte ich Macheten, deren Gebrauch uns auf einer Zuckerrohrplantage vorgeführt wurde. Eine Machete – ein Buschmesser – das wär’s. Ein Erinnerungsstück an ein führendes Land im Zuckerrohranbau und zugleich eine bei uns zuhause schwer zu erwerbende Waffe für einen möglichen Verteidigungsfall. Heute kaum vorstellbar hat mich die Machete problemlos durch Zoll und Flugsicherheit begleitet.
Ein wenig enttäuscht war ich nur, als ich zu Hause beim genauen Betrachten der Machete den Hinweis