Fasziniert war ich aber auch von der Natur und den geschichtsträchtigen Orten am Schwarzen Meer. Zum ersten Mal in meinem Leben konnte ich die Atmosphäre am Meer über mehrere Tage mit zeitlich begrenzten Aufenthalten im Freien fast ungetrübt genießen.
Nachhaltig in Erinnerung blieben mir die vom Meer aus bewunderten unendlich erscheinenden weißen Strände des Schwarzen Meeres sowie die traditionsreichen Städte Odessa und Jalta auf der Krim.
Die Stadt Odessa liegt auf Hügeln, von denen man wie von Terrassen auf den kleinen Hafen im Schwarzen Meer sehen kann.
Vom Hafen zur Altstadt gingen wir über die Potjomkinsche Treppe, dem Wahrzeichen Odessas. Die Treppe soll an die Russische Revolution von 1905 erinnern. Das von Meuterern übernommene Schiff „Potjomkin“ lief in den Hafen von Odessa ein, aber die Matrosen unterstützten nicht einen zu dieser Zeit stattfindenden Generalstreik in der Stadt. (Das Ereignis wurde später Grundlage für den weltbekannten Film „Panzerkreuzer Potjomkin“.)
Mit dem Ort Jalta am Fuße der Südkette des Krimgebirges, im Halbrund einer Bucht des Schwarzen Meeres gelegen, ist für viele von uns die Konferenz von Jalta (auch Krim-Konferenz genannt) verbunden. Sie war ein diplomatisches Treffen der alliierten Staatschefs Roosevelt (USA), Churchill (Vereinigtes Königreich) und Stalin (UdSSR) vom 4. bis zum 11. Februar 1945. Themen der Konferenz waren vor allem die Aufteilung Deutschlands, die Machtverteilung in Europa nach dem Ende des Krieges und der Krieg gegen das Japanische Kaiserreich. Die Konferenz fand im Liwadija-Palast statt.
Als faszinierendes Bauwerk mit prachtvollem Ausblick auf das Schwarze Meer blieb mir das „Schwalbennest“ in Erinnerung. Es ist ein Schloss an der Südküste der Halbinsel Krim in der Nähe von Jalta und steht etwa 40 Meter über dem Meer auf einer Klippe, dem Ai-Todor-Kap. Das Schloss verbindet Elemente der historistischen Neogotik mit der orientalisierenden Architektur.
In Nessebar (Bulgarien) habe ich das erste Mal Delfine in einem Delphinarium in einer Vorführung gesehen. Für mich war es eine außergewöhnliche Show, auch wenn es heute geteilte Meinungen zu einer solchen Veranstaltung gibt. Das Programm war sehr unterhaltsam, die Delfine machten einen guten Eindruck.
Ein außergewöhnliches Ereignis – noch vor der Wende in den Zeiten des Kalten Krieges und der eingeschränkten Reisemöglichkeiten– war für mich als DDR-Bürger der Transatlantik-Flug über Kanada nach Kuba und auf der Rückreise die Überquerung des Atlantiks mit der MS ARKONA.
Das Anliegen der Veranstalter dieser Kreuzfahrt bestand sicher darin, den Urlaubern auf erholsame Weise Kuba zu zeigen, damit sie Fidel Castros soziale Errungenschaften auf einer Insel vor den Augen der USA bewundern können. Uns Touristen öffnete es die Augen nicht nur für die gepriesenen rosigen Seiten, wie der folgenden Geschichte zu entnehmen ist.
Nur Fidel – den haben wir nicht gesehn
Nach den erwähnten Kreuzfahrten auf Wolga, Don und Schwarzem Meer bot sich mir noch zu DDR-Zeiten die einmalige Gelegenheit, über fünf Meere in die große weite Welt zu kreuzen. Die Kreuzfahrt sollte mit dem aus der gleichnamigen bundesdeutschen Fernsehserie bekannten „Traumschiff“ – für mich das Sinnbild bundesdeutschen Wohlstandes – erfolgen.
Im Jahr 1985 wechselte der Luxusliner nicht nur den Besitzer und die Flagge, sondern auch den Namen. Aus der MS ASTOR der Hamburger Reederei HADG wurde die MS ARKONA – das FDGB-Urlauberschiff der DDR.
Beim Namenswechsel soll auch der Anfangsbuchstabe A eine Rolle gespielt haben. Da man das Interieur, das Geschirr, die Gläser etc. übernehmen wollte, mussten die Initialen passen. Außerdem klingt Arkona, die nördlichste Spitze Rügens, als Schiffsname doch viel besser als Astor, die Bezeichnung für eine amerikanische Zigarettensorte.
Mit der MS ARKONA auf den Weltmeeren kreuzen zu dürfen, war für mich wie ein Fünfer im Lotto mit Zusatzzahlen.
Meinem langjährigen Kollegen und Freund, mit dem ich schon die anderen Kreuzfahrten in der Sowjetunion gemacht hatte, ereilte dieses Glück. Ihm wurde eine Reise mit der MS ARKONA angeboten. Ein Platz in einer Dreierkabine gemeinsam mit einem jungen Agronomen aus einer LPG in unserem Landkreis. Der Landwirt hatte die Reise als Auszeichnung erhalten.
Zufällig hatte mein befreundeter Kollege überdies mitbekommen, dass der dritte Kabinenplatz noch nicht vergeben war. Er riet mir, bei der Gewerkschaft ganz nebenbei mal in Erfahrung zu bringen, ob der Platz noch frei sei und zugleich um mein Interesse zu bekunden. Was ich selbstverständlich umgehend tat.
Es dauerte gar nicht lange, da teilte man mir mit, dass die vorgesehene dritte Person für die Kabine nicht mehr zur Verfügung stehe und ich als „Ersatz“ infrage käme. Ich konnte mein Glück kaum fassen.
Nach Abschluss aller Formalitäten erhielten mein Freund und ich kurz vor der Abreise die Nachricht, dass wir gemeinsam mit dem jungen Agronomen aus der Nachbargemeinde in der Kabine 328 untergebracht werden und zur Reisegruppe 12 gehören.
Am Abreisetag sollte sich unsere Reisegruppe um 2.30 Uhr auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld einfinden, um mit einer IL 62 nach Kuba zu fliegen. Bereits am Abend zuvor fuhren wir von unserem mecklenburgischen Wohnort mit der Bahn nach Berlin und nächtigten auf einer Bank im Flughafen, da es nachts weder Zug- noch S-Bahn-Verbindungen nach Berlin-Schönefeld gab. Aber das machte uns angesichts der verlockenden Ziele gar nichts aus. Es erhöhte lediglich den Adrenalinspiegel.
Nach einer komplikationslosen Flugabfertigung (heute Check-In) erfuhren wir im Flugzeug, dass unser Flug nach Havanna zwei Zwischenstopps zum Tanken enthält: Sao Miguel auf den Azoren sowie Gander in Neufundland/Kanada.
Dem kurzen Stopp auf den Azoren, bei dem wir das Flugzeug nicht verlassen durften, folgte – wie in den 80er Jahren bei Transatlantikflügen nach Amerika noch notwendig – ein obligatorischer Tankstopp auf dem International Airport Gander auf der kanadischen Insel Neufundland. Von Weltenbummlern wurde er als am Ende der Welt gelegen gesehen.
Für mich war es ein bedeutsamer erster kleiner Schritt auf den Boden einer anderen, der westlichen Welt, einer Welt, die mir bis dahin zu betreten verwehrt war. Allerdings nur kurzzeitig in einer improvisierten Abflughalle. Entsprechend war das Gefühl.
Einst war Gander der größte Flughafen der Welt. Jetzt, zur Zeit des Kalten Krieges, wurden die Landebahnen überwiegend von Jets aus dem sogenannten Ostblock beherrscht.
Selbst Fidel Castro, den bekanntesten kubanischen Revolutionär, von den meisten Kubanern nur Fidel genannt, hatte man in Gander schon gesehen. Vor Jahren war er dort, um sich angeblich einen Schlitten auszuleihen und in Neufundland sein erstes Winterwunderland zu erleben.
Ich hingegen hatte mich aufgemacht, um die Reize von Fidels Sommerwunderland Kuba zu ergründen. Auf dem Weg zu diesem Ziel war Neufundland für mich nur eine notwendige Durchgangsstation auf dem Weg nach Kuba. Für manche Osteuropäer, auch DDR-Bewohner, soll der Zwischenstopp in Gander allerdings eine geplante Durchgangsstation für eine Flucht in die westliche Welt gewesen sein.
Nach rund einstündigem Aufenthalt in der Empfangshalle von Gander, in der wir zwar die Auslagen in den Verkaufseinrichtungen bewundern durften, aber nichts kaufen konnten, weil wir über keine konvertierbare Währung verfügten, brachen wir auf, um wieder zu unserem Flugzeug zurückzukehren.
Auf dem Weg durch die Halle musste ich plötzlich an die Zeilen aus dem Lied von Udo Jürgens „Ich war noch niemals in New York“ denken:
„Wie wenn das jetzt ein Aufbruch wär
Ich müsste einfach geh’n
Für alle Zeit …“
Diesen Gedanken in die Tat umzusetzen, war mir allerdings nie in den Sinn gekommen.
Wahrscheinlich schielte ich dennoch, natürlich vollkommen desinteressiert, jedoch, wie sich zeigte, nicht ganz unbemerkt auf die verschiedenen Ausgänge und ihre Aufschriften, als mir eine junge Frau aus unserer Reisegruppe unauffällig ins Ohr flüsterte:
„Durch diese Tür muss man gehen, wenn man abhauen will.“
Mein