tali dignus amico. Vicente Flores Militello. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Vicente Flores Militello
Издательство: Bookwire
Серия: Classica Monacensia
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783823301752
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      Horazcarm. 2,18,29-40Ob man limites clientium auch im übertragenen Sinne verstehen darf – also als die Grenzen gebotener Menschlichkeit –, bleibt offen.25 Für den Dichter scheint dennoch eines klar zu sein: dass alle Menschen gleichwertig sind. Denn nach dem Tod seien materielle Güter überflüssig – ein aus epikureischen Vorstellungen hervorgehender ethischer Diskurs, der bei Horaz zu einer thematischen Konstante wird (im zweiten Odenbuch denke man nur an carm. 2,3; 2,14; 2,16)26. Damit mahnt der Sprecher seinen Adressaten an die condicio humana (carm. 2,18,29‑40):

nulla certior tamen
rapacis Orci fine destinata 30
aula divitem manet
erum. quid ultra tendis? aequa tellus
pauperi recluditur
regumque pueris, nec satelles Orci
callidum Promethea 35
revexit auro captus. hic superbum
Tantalum atque Tantali
genus coercet, hic levare functum
pauperem laboribus
vocatus atque non vocatus audit. 40

      Das genaue Verständnis des dritten Teiles ist in der Forschung umstritten.27 Unabhängig davon ist für die vorliegende Untersuchung die Beobachtung wichtig, dass zentrale Motive des Gedichts in diesem dritten Teil konsequent unter dem Aspekt der Ewigkeit erneut betrachtet werden: a) Wurde vorher der reiche Patron als avarus charakterisiert (26), ist es nun Orkus, der rapax über den überheblichen dives erus triumphiert (30f.).28 b) Fand zudem die Habgier des dives in der von ihm errichteten Luxusvilla ihren Ausdruck (19ff.), ist jetzt vom eigentlichen Wohnsitz die Rede, der auf alle Menschen wartet, dem Palast des Orkus (30f.). c) Wurde der arme cliens aus seinem Landgut verstoßen (24ff.), so findet der pauper im Tod endlich Ruhe von seinen labores (38ff.).

      Dass Horaz sich selbst zu Beginn des Gedichts als pauper darstellt (10), verstärkt den Eindruck einer Art von Solidarität gegenüber dem Opfer des dives avarus. Doch scheint es zu weit zu gehen, in Analogie dazu den Armen auch weiterhin mit Horaz gleichzusetzen und den Reichen dementsprechend als Maecenas zu verstehen.29 Dass der mahnende Ton ad personam gelesen werden soll, wird im Text nirgends bestätigt. Vielmehr bleibt die Selbstinszenierung des Horaz als pauper cliens und amicus des Maecenas auf den Anfang der Ode beschränkt und erfüllt den Zweck eines Exempels.

      Resümee

      In diesen beiden Gedichten betrachtet der Horaz-Sprecher die patronus-cliens-Problematik aus der Außenperspektive. Dabei wird der cliens als bemitleidenswertes Opfer mit Sympathie dargestellt, der patronus dagegen unsympathisch gezeichnet. Das patronus-cliens-Verhältnis dient jeweils zur Konkretisierung der Spannungen zwischen Armut und Reichtum im Kontext ethischer Fragestellungen. Während in epod. 2 die clientela als Inbegriff der Stadthektik präsentiert ist und dabei Vergils Darstellung des Landlebens in georg. 2,457ff. als ethisches Motiv wieder aufgegriffen wird (doch im Unterschied dazu mit einem humorvollen Effekt), steht der archaisierende Duktus in carm. 2,18 im Dienst eines ernsteren Effekts der ethischen Mahnung an die condicio humana. Denn die Spannung zwischen geizigen Patronen und armen Klienten wird als Teil des dives-pauper-Kontrastes eingesetzt. Dabei wird Maecenas im ersten Teil der Ode als potens amicus präsentiert, doch als positives Beispiel des großzügigen und aufrichtigen Freundes, dem der pauper Horaz-Sprecher dankbar ist. Erst in den Episteln wird sich Horaz offener über sein eigenes Verhältnis zu Maecenas äußern und in der Selbstinszenierung in einer komplexeren Weise auf die Probleme reagieren.

      c) Empfehlungen aus eigener Erfahrung: Episteln 1,7; 1,17 und 1,18

      Die Freundschaft zu Maecenas wird auch für das erste Buch der Episteln gleich zu Beginn als bestimmendes Thema eingeführt, indem Maecenas nicht nur als Widmungsadressat, sondern als Anfang und Ende von Horaz’ Muse apostrophiert wird (prima dicte mihi, summa dicende Camena, epist. 1,1) – selbst wenn diese Rolle Maecenas nicht in jeder Epistel zukommt.Horazepist. 1,1

      Gerade in dieser ersten Epistel überrascht Horaz den Maecenas allerdings mit einer Absage. Nicht sofort wird deutlich, was Horaz meint, denn er spricht metaphorisch: Maecenas fordert ihn zum antiquus ludus auf. Doch Horaz fühlt sich wie ein Gladiator, der die ehrenvolle Entlassung erreicht hat (donatum iam rude quaeris?, 2); er will nicht mehr in die Arena zurück.1 Ist das eine Absage an die Dichtung überhaupt? Auch das nächste Bild suggeriert das: Ein alterndes Pferd sollte nicht mehr zum Rennen antreten (‘solve senescentem mature sanus equum, ne | peccet ad extremum ridendus et ilia ducat.’ 8f.). In Vers 10 spricht er es endlich aus: Er legt den Vers und alle anderen ludicra beiseite – und gibt eine Alternative an: Die philosophischen Grundfragen nach dem verum atque decens2 sind es, die ihn stattdessen bewegen.

      Doch das alles sagt der Horaz-Sprecher in Versen. Er will damit also vor allem signalisieren, dass es ihm thematisch auf den philosophischen Gehalt seiner Briefe ankommt. Auch die Sermones hat er in dieser Weise einerseits abgewertet, andererseits aber gerade im Vergleich mit Lucilius seinen gestalterischen Anspruch verdeutlicht (sat. 1,5; 1,10). Es ist zu erwarten, dass auch hier die Kunst der Diskretion angewandt wird. Zugleich signalisiert Horaz aber mit diesem ersten Absatz ein Thema, das ihm in seiner Beziehung zu Maecenas wichtig ist: die Wahrung der eigenen Unabhängigkeit. Er möchte dichten können, wenn ihm danach ist, nicht wenn jemand anderes (sein ‚Mäzen‘) will, dass er dichtet. Und er will thematisch das behandeln, was ihm wichtig ist, nicht das, was andere von ihm erwarten.Horazsat. 1,5Horazsat. 1,10

      Was dieses Philosophieren für Horaz bedeutet, macht er dem Leser nicht nur in dieser ersten Epistel, sondern sukzessive auch in den folgenden Episteln deutlich. Die zweite Epistel,Horazepist. 1,2 die an den jungen Lollius adressiert ist, exemplifiziert das Verhältnis von Philosophie und Dichtung, das Horaz im Blick hat: Homers Epen sind für ihn eine lehrreichere Moralphilosophie als die moralphilosophischen Werke der Spitzenphilosophen der Stoa (Chrysipp) und der Akademie (Krantor): Die fabula der Ilias zeige richtiges und falsches Verhalten überdeutlich, der Held der Odyssee sei das Modell für virtus und sapientia.3 Die Leser der Episteln werden allmählich dazu angeleitet, auch in dem scheinbar harmlosen Florus-Brief (epist. 1,3)Horazepist. 1,3 oder den Einladungsbriefen 1,4 und 1,5 an Albius (Tibullus)Horazepist. 1,4Horazepist. 1,5 und Torquatus mehr zu sehen: Die bescheidene Zurückgezogenheit wird als fortuna (epist. 1,5,12) und Voraussetzung zum Genuss wahrer Freundschaft erklärt. In epist. 1,6 präsentiert der Sprecher seinem Adressaten Numicus die in diesem Rahmen garantierte Ataraxie als einzigen Weg zur beatitudo (nil admirari prope res est una, Numici, | solaque, quae possit facere et servare beatum, epist. 1,6,1f.).Horazepist. 1,6 Doch die Auseinandersetzung mit der Problematik der Abhängigkeit vom Gönner und Freund wird bald thematisch aufgegriffen. In dem an Maecenas adressierten Brief 1,7Horazepist. 1,7 kommen nämlich die mit den patronus-cliens-Diensten assoziierten Stadtprobleme wieder