Im Unterschied zum langen Ausschlafen, das in sat. 1,6,122ff.Horazsat. 1,6,122ff. noch möglich war, wird Horaz jetzt am frühen Morgen von Gott Janus aus dem Bett getrieben. Zuerst inszeniert sich der Sprecher bei der Erledigung der allgemeineren officia eines jeden freien Bürgers auf dem Forum, wo er als sponsor gebraucht wird (24‑26), um sich in verschiedenen Gerichtsverfahren zu engagieren. Von dort muss er sich aber rasch zu Maecenas begeben, und zwar durch die Menschenmenge auf dem Forum. Dabei gerät er an einen inprobus, der ihm nicht nur Ungeduld und Rücksichtslosigkeit, sondern auch sein enges Verhältnis zu Maecenas vorwirft (tu pulses omne quod obstat | ad Maecenatem memori si mente recurras, 30f.). In einer Art Autorkommentar erklärt das sprechende Ich sich selbst sowie dem Leser (und letztendlich Maecenas), dass der Gedanke, bei ihm zu sein, zwar das Höchste ist (iuvat et melli est, non mentiar, 32). Doch er gibt gleichzeitig offen zu, dass die auf ihn wartenden aliena negotia centum überlastend seien: Die starke adversative Konjunktion at sowie die Umschreibung des esquilinischen Viertels als atrae Esquiliae betonen die negative Betrachtung der folgenden officia (36‑39). Für Ganter stehen diese officia deutlich in Verbindung mit Horazens Rolle als Maecenas’ Klient einerseits und andererseits als Patron für andere.13 Doch ist Vorsicht geboten, weil der Besuch bei Maecenas gerade nicht als salutatio oder anteambulatio gekennzeichnet ist.14
Drei Figuren verlangen von Horaz seine Betätigung in amtlichen Angelegenheiten. Sie deuten auf die vertrauliche Position des Horaz bei Maecenas hin: 1) Ein gewisser Roscius lässt Horaz an den bevorstehenden Termin beim praetor urbanus beim Puteal (34‑35) erinnern.15 2) Vertraulich mit Vornamen angesprochen, wird Horaz dann von einem Kollegen noch an einen anderen Termin erinnert: Die scribae brauchen ihn für eine Angelegenheit von öffentlicher Bedeutung (res communis, magna atque nova: 36‑37). 3) Schließlich wird Horaz nachdrücklich darum gebeten, die persönlichen Siegel des Maecenas auf ein Privatdokument stempeln zu lassen (38‑39). Nur die letzte Bitte steht in direkter Beziehung zu dem Vertrauensverhältnis zu Maecenas, doch wird klar, dass man Horaz auf dem Weg zu Maecenas abpassen kann und dass Horaz auch wegen seines Kontakts zu ihm als prominente Figur wahrgenommen und gesucht wird. Der sich anschließende Rückblick auf die Entstehung dieser Beziehung ist erneut nötig, um die falschen Vorstellungen der Leute, zu denen auch der letzte Bittsteller gehört, zu berichtigen (sat. 2,6,40‑59):Horazsat. 2,6,40 59
septimus octavo propior iam fugerit annus, | 40 |
ex quo Maecenas me coepit habere suorum | |
in numero, dumtaxat ad hoc, quem tollere raeda | |
vellet iter faciens et cui concredere nugas | |
hoc genus: ‘hora quota est?’ ‘Thraex est Gallina Syro par?’ | |
‘matutina parum cautos iam frigora mordent’, | 45 |
et quae rimosa bene deponuntur in aure. | |
per totum hoc tempus subiectior in diem et horam | |
invidiae noster. ludos spectaverat, una | |
luserat in campo: ‘fortunae filius’ omnes. | |
frigidus a rostris manat per compita rumor: | 50 |
quicumque obvius est, me consulit: ‘o bone – nam te | |
scire, deos quoniam propius contingis oportet –, | |
numquid de Dacis audisti?’ ‘nil equidem.’ ‘ut tu | |
semper eris derisor.’ ‘at omnes di exagitent me, | |
si quicquam.’ ‘quid? militibus promissa Triquetra | 55 |
praedia Caesar an est Itala tellure daturus?’ | |
iurantem me scire nihil mirantur ut unum | |
scilicet egregii mortalem altique silenti. | |
perditur haec inter misero lux non sine votis: |
Anders als in sat. 1,6,62 spricht er hier nicht von amicitia, sondern formuliert offen: Maecenas me coepit habere suorum | in numero (41f.). Indem er schildert, welche Belanglosigkeiten beide im Gespräch austauschen, wird die Erwartung der Beobachter hinsichtlich der Wichtigkeit des Horaz reduziert. Auf den Gedanken, Horaz habe durch sein Verhältnis zu Maecenas Insiderwissen auch im politischen Bereich, antwortet der Ich-Sprecher mit einer Gegendarstellung. Er kontrastiert allerdings die Thematik der Stadtgespräche (über Gladiatoren und das Wetter) auch mit den Gesprächen auf dem Land, die vom Wert der Selbsterkenntnis gekennzeichnet sind. Da der Leser allerdings von Horaz selbst aus der Epistel 1,18 erfahren wird, dass Verschwiegenheit zur wahren Freundschaft gehört (vor allem in einer Freundschaft zu mächtigen Gönnern), lässt sich darin auch ein Ablenkungsmanöver erkennen.16
Als miser in der Stadt drückt er daher seine vota aus (59), um auf das Land fliehen zu können, wo wahre Freundschaft in Bescheidenheit zu genießen ist; dies schlägt sich in den folgenden Versen nieder (60‑76).17
Neben der topischen Inszenierung einer bescheidenen cena unter wahren Freunden, bei der keine sozialen Rollenspiele nötig sind, sondern die Hierarchie bewusst flach gehalten wird, so dass auch die Sklaven verzogen sind und von den dapes naschen dürfen, betont der Sprecher die Möglichkeit, endlich über wichtige moralphilosophische Themen sprechen zu können (sat. 2,6,71‑76):Horazsat. 2,6,71-76
sermo oritur, non de villis domibusve alienis | |
nec male necne Lepos saltet; sed, quod magis ad nos | |
pertinet et nescire malum est, agitamus, utrumne | |
divitiis homines an sint
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