tali dignus amico. Vicente Flores Militello. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Vicente Flores Militello
Издательство: Bookwire
Серия: Classica Monacensia
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783823301752
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Vertrauenswürdigkeit, die Maecenas sucht.

      Die kontrastive Hervorhebung der externen Äußerungen über das Wesen der Beziehung zwischen Horaz und Maecenas wird noch deutlicher ausgeführt: Der Horaz-Sprecher charakterisiert sich selbst so, dass er sich mit seinem bescheidenen Elternhaus zufrieden gibt, sogar stolz darauf ist, und das dient als Defensio gegen die neidischen Angriffe des volgus (sat. 1,6,92‑105):Horazsat. 1,6,92 105

sic me defendam. longe mea discrepat istis
et vox et ratio. nam si natura iuberet
a certis annis aevum remeare peractum,
atque alios legere, ad fastum quoscumque parentes 95
optaret sibi quisque, meis contentus honestos
fascibus et sellis nollem mihi sumere, demens
iudicio volgi, sanus fortasse tuo, quod
nollem onus haud umquam solitus portare molestum.
nam mihi continuo maior quaerenda foret res 100
atque salutandi plures, ducendus et unus
et comes alter, uti ne solus rusve peregre‹ve›
exirem, plures calones atque caballi
pascendi, ducenda petorrita. nunc mihi curto
ire licet mulo vel si libet usque Tarentum 105

      Selbst wenn das volgus ihn für schwachsinnig hielte (demens | iudicio volgi, 97f.), würde Maecenas ihn verstehen (sanus fortasse tuo [iudicio], 98). Damit wird die moralische und geistige Parität zwischen den beiden Figuren betont, was eine aufrichtige amicitia (also inter bonos) ermöglicht. Die Bescheidenheit des Horaz garantiert ihm zudem die Ruhe, nach der er sucht. Dabei konzentriert sich Horaz auf den Kontrast zwischen seiner bescheidenen Abstammung und dem sozial hohen Status einflussreicher Personen. Denn dass Horaz ein sorgenfreies Leben führen kann, verdankt er der Freundschaft zu Maecenas, der ihm dies ermöglicht.

      Er distanziert sich damit von dem typischen onus molestum der Klientelverhältnisse: Mit der Profitgier (maior quaerenda … res, 100) geht die Verpflichtung einher, als cliens für mehrere Herren Dienste zu leisten, die hier mit der salutatio bezeichnet sind, oder als patronus tätig zu werden, was an dieser Stelle durch die anteambulationes (101f.) zum Ausdruck kommt: Die Freiheit, die in dem Verzicht auf Reichtum liegt, exemplifiziert Horaz an der Möglichkeit, schnell einmal eine Kurzreise zu unternehmen. Das ist ab einem bestimmten sozialen Status nicht mehr denkbar, denn es ist eine große Zahl an Begleitern notwendig, um nicht schäbig zu wirken (102ff.). Seine eigene Lebensführung entsprechen dem Glück der Bescheidenheit im Alltag, das kontrastiv zu dem, was dem prominenten Senator versagt ist, geschildert wird. Innerhalb dieser Szenen einer sorglosen vita urbana finden sich keinerlei Klientelpflichten, aber auch die cena mit Maecenas, die ihn als convictor ausweisen würde, wird hier ersetzt durch das frugale Mahl, das ihm sein Sklave daheim vorbereitet hat (sat. 1,6,110‑131):Horazsat. 1,6,110 131

hoc ego commodius quam tu, praeclare senator, 110
milibus atque aliis vivo. quacumque libido est,
incedo solus, percontor quanti holus ac far,
fallacem circum vespertinumque pererro
saepe forum, adsisto divinis, inde domum me
ad porri et ciceris refero laganique catinum; 115
cena ministratur pueris tribus et lapis albus
pocula cum cyatho duo sustinet, adstat echinus
vilis, cum patera guttus, Campana supellex.
deinde eo dormitum, non sollicitus, mihi quod cras
surgendum sit mane, obeundus Marsya, qui se 120
voltum ferre negat Noviorum posse minoris.
ad quartam iaceo; post hanc vagor aut ego lecto
aut scripto quod me tacitum iuvet unguor olivo,
non quo fraudatis inmundus Natta lucernis.
ast ubi me fessum sol acrior ire lavatum 125
admonuit, fugio campum lusumque trigonem.
pransus non avide, quantum interpellet inani
ventre diem durare, domesticus otior. haec est
vita solutorum misera ambitione gravique;
his me consolor victurum suavius ac si 130
quaestor avus pater atque meus patruusque fuisset

      Dieses Idealleben eines freien Menschen, der im epikureischen Sinn durch bescheidene Bedürfnisbefriedigung die Ruhe und damit auch die Muße für intellektuelle Beschäftigung (122f.) findet, wurde zu einem Topos, auf den etwa Martial zurückgreifen kann.16

      Horaz ist in dieser Satire bemüht, sein Verhältnis zu Maecenas frei von allen Vorstellungen zu halten, die üblicherweise mit der Beziehung zwischen einem mächtigen Mann und einem sozial niedriger Stehenden verknüpft sind: Die amicitia beruht auf moralischen Kriterien. Horaz hat durch sein Verhalten bewiesen, dass er nicht als ehrgeiziger Aufsteiger den Kontakt zu Maecenas sucht. Das unterscheidet ihn ebenfalls von den üblichen Träumen des volgus.17 Horaz bestreitet zwar nicht, ein convictor des Maecenas zu sein, aber er bestätigt es auch nicht: Sein idealer Tagesablauf wird als frei von klientelären Verpflichtungen geschildert.

      ii) Falsche Freunde (und Klienten): Satire 1,9

      Horazsat. 1,9In der berühmten Satire 1,9 wird eine Störung im Idealleben dargestellt, welches Horaz in Satire 1,6 beschrieben hatte. Der lästige quidam, der den Sprecher auf seinem Weg durch die Via Sacra aufhält und gerne zum Maecenas-Kreis gehören würde, illustriert, wie Gowers 2012 bemerkt, die anstrengende Routine eines jeden Klienten, der sich auf der Suche nach Patronen und einem Einkommen beinahe wie ein „scurrying parasite“ verhält.1 Für die vorliegende