Das Telekollaboration 2.0 Modell basiert auf dem Social Web, welches durch Tools wie Blogs, Wikis und Soziale Netzwerke entstand, und sich durch multimodalere Formen von Kommunikation auszeichnet, die weniger textbasiert sind (Guth & Helm, 2010). Eine ausführliche Definition des Begriffes Social Web erfolgt im dritten Kapitel dieser Arbeit.
Einige Variationen des Modells werden in telekollaborativen Projekten demonstriert, die unabhängig von Unterrichtssettings oder Institutionen sind und daher auf die Kritik von Hanna und de Nooy (2009) eingehen. Die Beiden betrachten einen organisierten Austausch zwischen Fremdsprachenlernenden nicht als „authentisch“und schlagen daher die Involvierung von Lernenden in „echte“ Kommunikationsformen beispielsweise auf den Foren internationaler Zeitungen wie The Guardian vor. Thorne (2010) hat diese Form der Telekollaboration, die nicht an Unterricht oder organisierte Austauschprojekte gebunden und daher schwieriger zu leiten und zu kontrollieren ist, als „intercultural communication in the wild“ (S. 144) bezeichnet und argumentiert, dass dies neue Chancen für interkulturelle und bedeutungsgebende Lernszenarien bieten könnte. Obwohl O'Dowd (2013) die Ansicht von Hanna und de Nooy (2009) teilt, ist er dennoch der Meinung, dass die organisierten virtuellen Austauschprojekte mit verlässlichen Teilnehmenden auf deren Kommunikationsformen auch weniger technisch versierte Lehrkräfte zugreifen können, nicht an Wichtigkeit verlieren. Eine große Herausforderung sieht er jedoch in der Kombination von organisierten Austauschprojekten mit telekollaborativen 2.0-Aktivitäten: „Finding models to accommodate both these trends is undoubtedly a challenge for future research in the area“ (O’Dowd, 2013, S. 134). Des Weiteren wird darauf hingewiesen, dass sich die beschriebenen Forschungsergebnisse zu telekollaborativen Projekten vor allem auf häufig gelehrte Sprachen wie Englisch, Deutsch und Spanisch beziehen, jedoch besteht ein großer Forschungsbedarf in der Untersuchung telekollaborativer Projekte, die Fremdsprachenlernende der weniger verbreiteten und gelehrten Sprachen oder die Verbindung dieser untersuchen (Akiyama & Cunningham, 2018).
Wie gezeigt wurde, deutet die Mehrheit der bisherigen Forschungsarbeiten darauf hin, dass CMC-Anwendungen sehr großes Potenzial für den kommunikativen Fremdsprachenunterricht bieten und besonders dann als motivierend für Lernende gelten, wenn die Kommunikation authentisch ist und ihre lebensweltlichen Angewohnheiten widerspiegelt. Daher stellt sich die Frage, ob sich das von vielen genutzte Soziale Netzwerk Facebook für eine Telekollaboration im kommunikativen Fremdsprachenunterricht eignet und ein Austausch über Facebook die kommunikative Kompetenz steigern kann.
2. Kommunikative Kompetenz im Fremdsprachenunterricht
Da kommunikative Kompetenz heutzutage ein beinahe inflationär verwendeter Begriff ist, der – je nach Forschungsgebiet und Länderkontext – sehr unterschiedliche Konnotationen mit sich bringt, ist zunächst eine theoretische Abhandlung der Konzepte kommunikativer Kompetenz in der Fremdsprachenwissenschaft für die vorliegende Untersuchung notwendig. Hierzu müssen auch die zwei Teilkomponenten dieses Begriffes, nämlich Kommunikation und Kompetenz, näher erläutert werden.
Kommunikation bedeutet Austausch und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und ist ein elementares Bedürfnis menschlicher Existenz (Sen Fulya, 2015). Sie gilt als wichtigstes soziales Bindemittel und erfolgt in Interaktion zwischen zwei oder mehreren Personen. Kommunikation kann sich non-verbal durch Gestik und Mimik sowie verbal durch das Symbolsystem Sprache vollziehen. Es wird eine Vielzahl von Fähigkeiten benötigt, um Sprache für kommunikative Zwecke gebrauchen zu können, „und zwar allgemeine, besonders aber kommunikative Sprachkompetenzen“ (GER, 2001, S. 21)
Der Terminus kommunikative Kompetenz besteht aus den zwei Komponenten Kommunikation und Kompetenz, deren Syntagma die Fähigkeit, kommunizieren zu können, bedeutet. Dem GER zufolge ist dies „die Befähigung der Menschen zum Handeln mit Hilfe spezifischer sprachlicher Mittel“ (2001, S. 21). Dabei sind Kompetenzen definiert als „die Summe des (deklarativen) Wissens, der (prozeduralen) Fertigkeiten und der persönlichkeitsbezogenen Kompetenzen und allgemeinen kognitiven Fähigkeiten, die es einem Menschen erlauben, Handlungen auszuführen“ (GER, 2001, S. 21). Um zu einem profunden Verständnis des Konzeptes kommunikativer Kompetenz zu gelangen, erfolgt im Folgenden eine Analyse der einzelnen Komponenten einschließlich eines Blickes in die historische Entwicklung dieses Terminus.
2.1 Begriffsverständnis Kommunikation und Kompetenz
Canale (1983) definiert Kommunikation als „Austausch und Aushandlung von Information zwischen mindestens zwei Individuen durch den Einsatz von verbalen und non-verbalen Zeichen, oralem und schriftlichem bzw. visuellem Gebrauch und Produktions- sowie Verständnisprozessen“ (S. 4). Dabei geht er wie Haley (1963) und Hymes (1972) davon aus, dass Information aus konzeptionellen, soziokulturellen und affektiven Inhalten besteht. Haley (1963) weist darauf hin, dass Information dabei niemals festgelegt ist, sondern sich ständig verändert und dabei abhängig ist von Kontext, Wahl des Sprachgebrauchs und non-verbalen Kommunikationsstrategien. Daher bedingt Kommunikation die ständige Aushandlung und Evaluation von Bedeutung seitens der Kommunikationsteilnehmenden (Canale, 1987).
Canale benennt dabei folgende Kommunikationscharakteristika (1987, S. 3-4):
(a) Kommunikation ist eine Form sozialer Interaktion, die daher normalerweise auch in sozialer Interaktion erlernt und eingesetzt wird. Zudem ist sie (b) sehr schwierig vorweg einzuschätzen und erfordert darüber hinaus ein hohes Maß an Kreativität, was Form und Inhalt anbelangt. (c) Kommunikation findet innerhalb von Diskurs und soziokulturellen Kontexten statt, die angemessenen Sprachgebrauch und die korrekte Interpretation von Äußerungsformen stark beeinflussen. Außerdem (d) ist Kommunikation von psychologischen Einflussfaktoren, beispielsweise Erinnerungsvermögen, Müdigkeitsempfinden oder Ablenkungsfaktoren abhängig. Des Weiteren dient sie stets (e) einer Intention (beispielsweise der Etablierung sozialer Beziehungen, Überzeugungsversuchen oder Versprechungen) und (f) involviert authentischen Sprachgebrauch. Überdies (g) kann ihr Ergebnis als erfolgreich oder erfolglos gewertet werden.
Das zuletzt aufgeführte Charakteristikum (g) erläutert Canale so, dass Kommunikation als erfolgreich angesehen werden kann, wenn eine Englisch-Lernende in Toronto mit den Worten „How to go train“ (Canale, 1983, S. 4) den Bahnhof sucht und daraufhin von einer Passantin die Wegbeschreibung zum Bahnhof erhält. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass Kommunikation auch bei fehlerhaft grammatischer Anwendung produktiv sein kann.
Es existieren zwar diverse Definitionen des Begriffs Kommunikation, jedoch ist dieser in der Sprachwissenschaft wesentlich weniger umstritten als die zweite Komponente der kommunikativen Kompetenz, und zwar der Kompetenzbegriff. Wie dessen geschichtliche Entwicklung verdeutlicht, ist Kompetenz eine der kontroversen Bezeichnungen in der angewandten Sprachwissenschaft (Bagarić & Djigunović, 2007).
Chomsky führte den Kompetenzbegriff 1965 mit seiner Veröffentlichung „Aspects of the Theory of Syntax“ in die Linguistik ein. Seine Behauptung, Kompetenz sei ausschließlich mit grammatischem Wissen gleichzusetzen, trat eine strittige und langanhaltende Debatte in der Sprachwissenschaft los. Heute gilt Chomskys Definition als klare Abgrenzung zwischen den Begriffen Kompetenz (grundlegendes, grammatisches Wissen, welches Sprechende und Zuhörende besitzen) und Performanz (der Sprachgebrauch in einer konkreten Situation) (Bagarić & Djigunović, 2007, S. 95). Nach Chomskys Definition folgt, dass Kompetenzen nicht direkt observierbar sind. Sie gelten als innere Voraussetzungen und Dispositionen für das selbstbestimmte Handeln. Lediglich der daraus resultierende Sprachgebrauch, definiert als Performanz, ist beobachtbar (Chomsky, 1965). Chomsky intendierte, eine linguistische