Kommunikation ist für die Beteiligten stets ein Risiko, weil die zu „lesenden“ Daten zu vielfältig sind, als dass immer vorhersehbar ist, welche vom Angesprochenen relevant gesetzt werden, und weil das Wie des „Lesens“ von vielen situativen Einflüssen abhängt, die ebenfalls nicht ohne weiteres berechenbar sind. Folgen die Betroffenen der „Strategie“ des Nicht-nicht-kommunizieren-Könnens, wird der Einzelne schnell überfordert. Gehen sie von der Unmöglichkeit der Kommunikation aus, müssen sie stark stereotype und ritualisierte Praktiken favorisieren, um Unsicherheiten auszuschließen. Das engt den Handlungsraum ein.
DatenWenn die Kommunikation eine ähnliche Sicht auf Daten voraussetzt, müssen die Akteure über Ordnungen von Daten verfügen, von denen sie annehmen dürfen, dass sie auch ihrem Gegenüber vertraut sind. Eine solche Unterstellung ist immer gewagt. Akteure müssen daher in das Sicherstellen und Absichern ihrer Annahme investieren, d.h. sie müssen herausfinden, ob der Andere sich wie erwartet verhält. Sind sie sich nicht sicher, müssen sie dem Gegenüber Hinweise auf eine mögliche und gemeinsame Ordnung geben. Diese finden sie beispielsweise in ihrer gemeinsamen physikalischen oder sozial definierten Umgebung.
Kommunikation als Wissenschaft – die Anfänge der TheoriebildungKommunikationTheorie Kommunikationswissenschaft
Komplexe Phänomene, Kommunikation gehört dazu, zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht mithilfe einer einfachen kausalen Relation beschrieben werden können. Die das Phänomen bestimmenden Elemente sind in sich so heterogen, dass jeder Beobachter damit überfordert ist, sie als ein System zu identifizieren. Was er aber kann, ist sie genau beobachten und das, was er sieht, beschreiben sowie das Beschriebene analysieren.
SignaltheorieDurch die Arbeiten von Shannon und Weaver (1949) wurde Kommunikation erstmals zum Thema für die Wissenschaft und erhielt so eine theoretische Begründung. Shannon gelangen theoretisch begründete ErklärungenShannon, Claude Weaver, Warrenerst durch die Entwicklung seiner Signaltheorie.Signaltheorie Seit den 1960er Jahren standen Beobachtungen zu Aspekten der Informationsverarbeitung im Mittelpunkt des Forschungsinteresses an der Kommunikation.
Klaus, Georg (1912–1974): Philosoph, Logiker, Kybernetiker an der Humboldt Universität zu Berlin und Akademie der Wissenschaften der DDR
Klix, Friedhart (1927–2004): Professor der Psychologie und Kognitionstheoretiker an der Humboldt Universität zu Berlin
Klaus (1973) und Klix (1971) setzen sich mit Themen zur Wirksamkeit von Signalen auseinander. Die Aufmerksamkeit galt vor allem elektrischen Signalen, denn sie sollten möglichst sicher Informationen von einem Ort zum anderen transportieren. Das setzte einen spezifischen Informationsbegriff voraus.Transfermodell Informationen sollten transporttauglich sein, d.h. sie müssen über weite Distanzen hin schnell und sicher versendet werden können. Sie dürfen beim Transport möglichst wenig beeinträchtigt werden, d.h. sie müssten so transformiert werden, dass äußere Einflüsse wie beispielsweise Stromschwankungen im Netz die Information nicht verändern. Diese Umwandlung erfolgte mithilfe eines Codes.Code Das Versendete wurde einer Verschlüsselung anvertraut, die dem Empfänger bekannt sein musste bzw. einem Gerät, das das Codierte in die ursprüngliche Form zurückübersetzt.
Aus der Rezeption dieser Themenstellung entstanden eigenständige Wissenschaftsdisziplinen wie die InformatikInformatik und KybernetikKybernetik. Die dabei entwickelte Signaltheorie verwies auf neue Erklärungsmöglichkeiten und -zusammenhänge von Kommunikation. Sie wirkte weit über den technischen Bereich hinaus in die nicht-technischen Disziplinen wie die Psychologie oder Linguistik hinein. Auch hier erhielten die Begriffe Information und Codes einen zentralen und tragenden Stellenwert.
Digitale und analoge InformationDie Gruppe von Palo Alto um Paul WatzlawickWatzlawick, Paul (1969) beschäftigte sich mit dem Phänomen der Information im Rahmen ihrer psychotherapeutischen Arbeit und unterschied zwischen zwei Informationsverarbeitungsweisen. Ein Signal kann einem stringenten Regelkanon folgend in Information überführt werden. Es kann zur Informationsentnahme verschiedenen Deutungspraktiken unterliegen. Im ersten Fall wird von der digitalen, im zweiten von der analogen Modalität gesprochen. Die Informationsentnahme aus sprachlichen Äußerungen folgt dem ersten, die bei der von Körperverhalten einer Person beispielsweise dem zweiten. Sprache basiert auf festen grammatischen und lexikalischen Regeln, nach denen die Bedeutung linguistisch erschlossen wird. Körperbewegungen und -haltungen unterliegen offenen und von Situationen beeinflussten Deutungsmustern. Ähnlich weitreichend ist ihr Vorschlag einer Unterscheidung zwischen einer Sach- und einer Beziehungsebene, wenn Personen miteinander interagieren. Die Akteure beobachten und finden Daten aus unterschiedlichen Bezugsfeldern. Es gibt zum einen das Gegenüber der Person und zum anderen das Feld, in dem Thema und Sachverhalte der Interaktion zugänglich gemacht werden.
ZeichentheorieZeichentheorieMorris, Charles W.Eine weitere Sicht auf Zeichen entwickelte Morris (1938). Er schlug vor, drei Typen zu unterscheiden. Es gibt willkürlich festgelegte Zeichen, wie die Zeichen der Schrift. Zeichen können bildhaft sein, so dass aus ihrer Gestalt auf Gegenstände geschlossen wird, Ikons beispielsweise. Zeichen werden auch als Symptome für etwas sichtbar, Rauch lässt ein Feuer vermuten. Mit dieser Sicht auf Zeichen wurde eine eigenständige Disziplin, die Semiotik, angeregt.
Ein anderes Problem beschäftigte die Psychologie in den 30er Jahren. Sie fragt nach dem Signalbegriff aus der Perspektive des Zeichens und seiner Nutzer. Wie interagieren Personen im Hinblick auf ein Zeichen, um zu Informationen zu gelangen. Bühler (1934) entwickelte ein eigenes Konzept das Organon-Modell.Organon-Modell In diesem wird zwischen den Nutzern als Sender und Empfänger und dem Gegenstandsbereich unterschieden. Die drei Komponenten interagieren über das im Zentrum stehende Zeichen. Den Gebrauch desselben charakterisiert er als Ereignis, bei der der Sender mithilfe eines Ausdrucks, der auf Gegenstände verweist, an den Empfänger appelliert, sich auf das Ereignis einzulassen. Damit wird die Wirksamkeit von Zeichen durch das Zusammenspiel verschiedener Komponenten beschreibbar.
Symbolischer InteraktionismusAndere Wege ging die Sozialpsychologie. Wie kommt es, dass zwei Personen, wenn sie interagieren, aus den ihnen vorliegenden Daten dieselben Informationen erschließen. Die Lösung wird darin gesehen, dass das Erschließen von Information mit Fähigkeiten der Akteure erklärt wird, sich in den Anderen hineinversetzten und seine Reaktionen abschätzen zu können. Gesprochen wird von ReziprozitätReziprozität und Antizipation des Gegenübers. Mead und Morris (1934)Mead, George H. verwies damit auf die Notwendigkeit, zwischen der eigenen und der Vorstellung des Anderen zu unterscheiden, indem gelernt wird, die Nähe zwischen beide abzuschätzen: Was begründet die Erwartung, dass mein Gegenüber das tut, was ich erwarte?
EthnomethodologieTurn TakingEinen eher strukturell formalen Zugang zum Anderen wählten die Ethnomethodologen Scheggloff und Sacks (1973)Schegloff, EmanuelSacks, Harvey indem sie den Wechsel zwischen den Sprechern beobachteten und nach Formen suchten, die ein regelhaftes Verhalten der Akteure ermöglichen und so einen geordneten Austausch der Sprecherbeiträge erwarten lassen. Das miteinander Reden setzt gewisse Rücksichtnahmen voraus, wenn das Geäußerte gemeinsam behandelt werden soll.
SoziologieSoziologieDie Verhaltensmuster, die Kommunikation begleiten, haben darüber hinaus tiefer greifende Ursachen. Eine Gruppe von Soziologen suchte die Quelle für die Kommunikation nicht beim Einzelnen oder in der konkreten Interaktionssituation. Luhmann (1984) Luhmann, Niklasging davon aus, dass soziale Wirklichkeit überhaupt erst durch Kommunikation möglich wird. Mitglieder der Gesellschaft sind auf sie angewiesen und agieren erst durch sie miteinander. Die Frage, die sich damit verbindet, lautet: Wann tritt Kommunikation im gesellschaftlichen Handeln auf und welchen Anspruch erhebt sie bzw. wird ihr zugeschrieben. Habermas (1984) Habermas, Jürgenglaubt, dass Akteure grundsätzlich zur Kommunikation fähig und bereit sind, weil Kommunikation der Weg ist, Geltungsansprüchen in der Gesellschaft zu verfolgen. Er stützt sich dabei auf die Ideen der Sprechakttheorie, die seit Austin (1962) Austin, John L.zu klären versucht, wie aus sprachlichen Äußerungen ein Handeln im Umgang miteinander wird.
SprachphilosophieKooperationsmaximen Es zeigte sich aber, dass ein solcher Handlungszusammenhang nicht allein sprachlich erklärt werden kann. Die Theorie der Kooperationsmaximen von Grice (1975) Grice, H. Paulveranschaulichte, wie Akteure aus dem, was ihnen gesagt wird, auf etwas dahinter Liegendes