Bennema18 entwickelt eine Theorie zur Figurenanalyse, indem er zunächst Ansätze zur Charakterisierung von Figuren aus der Hebräischen und Griechisch-Römischen Literatur mit modernen Ansätzen zur Figurenanalyse in Beziehung setzt.19 In einem weiteren Schritt entwickelt Bennema seinen eigenen Ansatz zur Figurenanalyse. Hierbei geht er in drei Schritten vor: Zuerst untersucht er die Figur im Text und im Kontext.20 Dabei macht er deutlich, dass es für eine Figurenanalyse notwendig ist, hinter den Text zurückzugehen und historisch zur Entstehung des Textes, den ursprünglichen Adressaten und der damaligen Umwelt zurückzufragen.21 Anschließend klassifiziert er die Figur anhand der von Ewen herausgestellten drei Dimensionen „complexity“, „development“ und „inner life“.22 Hierbei führt er den Ansatz von Ewen weiter, indem er vorschlägt, anstatt Gegensätze wie „complex“ und „simple“ vielmehr den jeweiligen Grad der Komplexität anzugeben. Dafür unterteilt Bennema in „none“, „little“, „some“ und „much“.23 Als drittes setzt er die Figur in Beziehung zum ideologischen Standort des Autors sowie zum Plot.24
In ihrer Untersuchung zum Petrusbild im Johannesevangelium verfährt Schultheiss25 sowohl nach einem synchronen als auch nach einem diachronen Analyseansatz.26 Dabei analysiert sie die Petrus-Szenen in der Abfolge des Johannesevangeliums jeweils zunächst synchron, um „Feinstrukturen innerhalb eines Abschnitts wie intratextuelle Verbindungslinien“27 herauszustellen. In einem weiteren diachronen Analyseschritt untersucht sie die Abschnitte v.a. in Beziehung zu den synoptischen Vergleichstexten um „das Profil der johanneischen Darstellung herauszuarbeiten.“28 Innerhalb der synchronen Analyse der Textabschnitte charakterisiert sie die Petrusfigur in Anlehnung an Finnern mithilfe der Kategorien 1. Figur(en) und Plot 2. Figurenbestand und Figurenkonstellation 3. Figurendarstellung 4.Figurenkonzeption 5. Wirkung auf den Leser.29
Myers30 untersucht in ihrer Arbeit zur Charakterisierung Jesu im Johannesevangelium die Verwendung des Alten Testaments, die maßgeblich zur Präsentation der Jesus-Figur im Johannesevangelium beiträgt, unter rhetorischen Gesichtspunkten der damaligen Zeit. „Examining the Fourth Gospel’s use of Israel’s Scriptures through the lens of Graeco-Roman rhetoric offers a new way to approach the characterization of Jesus in this Gospel.”31 Hierfür geht sie grundlegend in zwei Schritten vor: Zunächst untersucht sie die Verwendung der Schriften innerhalb der Reden Jesu; anschließend analysiert sie deren Verwendung außerhalb der Reden Jesu, so etwa durch andere Figuren.32 Insgesamt geht Myers davon aus, dass der Evangelist ganz gezielt und rhetorisch bewusst das Alte Testament in seinem Evangelium zur Sprache bringt, um damit Jesus in bestimmter Art und Weise seinen damaligen Hörern zu präsentieren.33
In seinem Aufsatz zur Figurenanalyse im Johannesevangelium beschäftigt sich Zimmermann34 zunächst mit der Frage, was Figuren im Johannesevangelium sind, auf welchen Ebenen sich Figuren befinden und inwiefern zwischen Einzelfiguren und Figurengruppen zu unterscheiden ist.35 Anschließend untersucht er die Figur in Bezug zur Handlung und unterscheidet hier zwischen Hauptfiguren, Nebenfiguren und Randfiguren.36 In einem weiteren Schritt nennt Zimmermann einige Aspekte der Figurenpräsentation und gibt hierfür jeweils Beispiele aus dem Johannesevangelium. Hierbei unterteilt er in Figurenmerkmale und Charakterisierung, Figurenkonstellation und Figurenkonzeption. Unter Figurenmerkmale und Charakterisierung fallen bei Zimmermann verschieden Charaktermerkmale einer Figur wie ihr Name, ihre Herkunft, etc. „Charaktermerkmale von Figuren sind nicht nur durch Herkunfts- und Beinamen, sondern auch durch Gruppenzugehörigkeit […] oder qualifizierende Sätze über Verhaltensweisen gegeben und können ganz unterschiedliche Bereiche betreffen.“37 Darüber hinaus unterscheidet er zwischen einer direkten Präsentation einer Figur (Aussagen des Autors oder einer Erzählfigur) und einer indirekten Präsentation der Figur (das Handeln und Sprechen der Figur selbst).38 Zum Bereich der Figurenkonstellation zählen nach Zimmermann die Beziehung und das Verhältnis der Figuren untereinander, mögliche Kontrastfiguren und Dreieckskonstellationen innerhalb der Erzählung.39 Die Figurenkonzeption schließt die Figurenanalyse ab. „Hier werden unterschiedliche bisherige Beobachtungen zu einer Beurteilung zusammengeführt.“40 Dabei spielen u.a. die Perspektive der Figurendarstellung (der point of view), die Entwicklung einer Figur sowie ihre abschließende Beurteilung eine Rolle.41
2.3.1.2.2.2 Figurenanalyse im Matthäusevangelium
Die Figuren Petrus und Johannes der Täufer sowie die Figurengruppe der jüdischen Oberschicht im Matthäusevangelium werden von Anderson1 analysiert.2 Für ihre Figurenanalyse nimmt sie u.a. die Kategorien showing und telling auf und zählt zum letzteren u.a. die Bereiche Aussehen, sozialer Status, Persönlichkeitseigenschaften, die Umgebung der Figur, die Vergangenheit der Figur sowie die Beziehung zu anderen Figuren.3 Unter den Bereich des showing fallen bei ihr hingegen v.a. das Sprechen und Handeln einer Figur. Auch spielt die Beziehung der Figur zu Jesus bei ihrer Analyse eine Rolle.4 Auch übernimmt Anderson Forsters Unterteilung in flache und runde Charaktere sowie in statische und dynamische Charaktere.5 Anderson macht insgesamt deutlich, dass „all of these means of characterization or clues can involve repetition.”6 Die Wiederholung von Aussagen trägt ihrer Ansicht nach in hohem Maße dazu bei, das Bild, das sich der implizite Leser von der Figur macht, zu beeinflussen und zu formen.7 In der anschließenden Figurenanalyse betont sie daher v.a. die Wiederholungen, die in Bezug auf die Figur im Text gemacht werden und untersucht sie hinsichtlich ihres Inhalts und ihrer Funktion.8
Syreeni9 untersucht die Petrus-Figur im Matthäusevangelium anhand von drei unterschiedlichen Ebenen der Analyse.10 Zum einen unterscheidet sie die narrative Ebene, in der ein Erzähler einem Adressaten etwas mitteilt. Die Figur wird in diesem Bereich als Charakter verstanden.11 Zum anderen unterscheidet sie die symbolische Ebene, in der ein impliziter Autor und ein impliziter Leser agieren und die Figur als Symbol erscheint.12 Als drittes unterscheidet Syreeni die reale Ebene, in der die Figur eine reale Person ist und in der sich ein realer Autor sowie ein realer Leser befinden. Dabei kommt Syreeni letztlich zu dem Ergebnis, dass Petrus auf der narrativen Ebene ein Charakter im Matthäusevangelium ist, dem sowohl eine intratextuelle Bedeutung innerhalb des Evangeliums als auch eine intertextuelle Bedeutung in Beziehung zum Markusevangelium zukommt.13 Auf der symbolischen Ebene beschreibt Syreeni Petrus als „a symbol for ethical values, doctrinal options, social and religious commitments, party strifes, or the like”14. Schließlich macht Syreeni deutlich, dass Petrus auf der realen Ebene eine historische Person ist, die einen indirekten, aber dennoch nicht unerheblichen Beitrag zur matthäischen Darstellung des Petrus-Charakters leistet.15
In ihren naratologischen Studien zum Matthäusevangelium widmet sich Poplutz16 u.a. auch der Charakterisierung von Randfiguren.17 Dabei unterscheidet sie ebenfalls zwischen direkter und indirekter Charakterisierung.18 Zum Bereich der indirekten Charakterisierung zählt Poplutz die Handlungen der Figur, ihre Rede, ihr äußeres Erscheinungsbild sowie die dargestellte Umwelt der Figur.19 Darüber hinaus unterscheidet sie zwischen den beiden Begriffen Charakter und Typus.20 Als Charakter versteht sie eine Figur, „die individuelle Züge aufweist und über Merkmale verfügt, die man auch bei realen Personen wahrnehmen und notieren könnte.“21 Ein Typus