(vgl. Dapena 1989: 59)
Durch den versprachlichten hypothetischen Charakter der Verbalhandlung und die versprachlichte Distanzierung des Sprechers gegenüber dem Gesagten drücken diese Formen durch Reanalyse Höflichkeit aus. Besonders querer, desear und poder alternieren in der Höflichkeitsform mit dem imperfecto de cortesía (RAE 2010: 445).
(32) Le quería/ querría pedir un favor [...]
(RAE 2010: 445)
Der analytische Konditional kann als Futur der Vergangenheit verwendet werden (33), wird ähnlich wie der synthetische Konditional in der Apodosis von Konditionalsätzen verwendet, ist aber in der Protasis ausgeschlossen (34) und kann Höflichkeit (35) und Wahrscheinlichkeit (36) versprachlichen. Er kann ebenso verwendet werden, um anzugeben, dass die Quelle der Information ein Dritter ist (37), also als Evidentialis.
(33) Todos suponían que cuando llegase el invierno la guerra habría terminado.
(RAE 1991: 474)
(34) Si solo hubiéramos llegado a Veracruz... la figura del héroe no se habría destruido.
(F. Benítez, El Rey Viejo: El Amanecer apud RAE 1991: 474)
(35) Habría querido hablar con usted un momento.
(RAE 1991: 475)
(36) Mario... habría pasado mucho con lo de tus hermanos.
(M. Delibes, Cinco horas con Mario, cap. XIV apud RAE 1991: 475)
(37) Un periódico cuenta ayer de una operación en la que habrían muerto [...]
(RAE 2010: 453)
Ähnlich wie im Portugiesischen besteht im Spanischen die Tendenz, den Konditional in der gesprochenen Sprache durch das Imperfekt zu ersetzen (de Bruyne 2002: 440; RAE 2010: 451). Dies wird besonders durch die Tatsache begünstigt, dass beide Tempora eine Perspektivierung der Verbalereignisse versprachlichen, ohne diese direkt gegenüber der Sprechzeit zu verorten, sondern auf einen temporalen Anker oder eine Referenzzeit verweisen (vgl. RAE 2010: 451). Strukturell sind diesbezüglich beide Tempora sehr ähnlich, da beide relative Tempora sind (vgl. RAE 2010: 451). Semantisch gesehen sind beide Tempora der Vorzeitigkeit [-GEGENWARTSBEZUG] (vgl. RAE 2010: 451).
Auch der analytische Konditional verliert stark an Vitalität in der gesprochenen Sprache und wird durch das Imperfekt bzw. das analytische Plusquamperfekt ersetzt (Cartagena 1999: 2964).
(38) Y si nosotros lo hubiéramos querido, lo habíamos dado, ¿eh?
(Esgueva y Cantero 1981: 429 apud Bosque/Demonte 1999: 2964)
Das Beispiel stammt aus der habla culta von Madrid. In hypothetischen Kontexten erfolgt eine Ersetzung durch das Plusquamperfekt des Subjunktivs (39) oder das Imperfekt (40), besonders auffällig in der gesprochenen Sprache (Cartagena 1999: 2964).
(39) Yo, desde luego, en el Bachillerato nunca hubiera separado Ciencias y Letras.
(Esgueva y Cantero 1981: 302 apud Cartagena 1999: 2964)
(40) Si se hubieran venido todavía hace diez años atrás, sí, no había problema.
(Cartagena 1999: 2965)
Insgesamt kann festgehalten werden, dass der spanische Konditional ebenso wie der portugiesische in seiner modalen Semantik deutlich produktiver ist als in seiner temporalen.
3.3. Zwischenfazit: der Konditional im Spanischen und im Portugiesischen im Sprachvergleich
Betrachtet man das Portugiesische und das Spanische bezüglich der Verwendung des Konditionals im Vergleich, fällt das Eindringen des Imperfekts in die funktionale Domäne des Konditionals auf. Der Konditional ist im Wesentlichen nur noch in seiner modalen Semantik produktiv. Während sich im Portugiesischen in allen nähesprachlichen kommunikativen Kontexten das Imperfekt sukzessive durchsetzt, ist im Spanischen diese Tendenz deutlich punktueller und auf gewisse kommunikative Kontexte beschränkt und weist zusätzlich diatopische Variation auf (vgl. Schäfer-Prieß/ Schöntag 2012: 138). Im Fall des Portugiesischen sind Unterschiede innerhalb der verschiedenen Standardvarietäten auffällig, wobei das europäische Portugiesisch eine deutlich allgemeinere Tendenz zur Ersetzung aufweist als das brasilianische Portugiesisch.
Im folgenden Abschnitt wird nun der Gebrauch des Konditionals im Deutschen betrachtet, um diesen mit der Verwendung im Portugiesischen und im Spanischen zu kontrastieren.
4 Gibt es einen Konditional im Deutschen? Konditional oder Futur Präteritum?
Im Deutschen wird der Konditional mit den Formen des Konjunktivs II (Konjunktiv Präteritum) von werden + Infinitiv gebildet. Dieser Verbalkomplex wird in der Fachliteratur mit unterschiedlichen Termini aufgeführt: Konditional, Futur Präteritum oder würde-Periphrase (Dudenredaktion 2005: 474). Auch im Deutschen befindet sich die Form folglich im Spannungsfeld zwischen Temporalität und Modalität, wie bereits die Terminologieproblematik verdeutlicht.
Im Deutschen kommt die Polyfunktionalität der würde-Form erschwerend hinzu, die Konjunktiv Präsens, Präteritum und Futur ersetzt, wenn sie morphologisch mit den indikativischen Formen zusammenfallen und keine anderen sprachlichen Mittel die durch die Konjunktivformen ausgedrückten Funktionen kennzeichnen (Helbig/ Buscha 2001: 172).
(41.a) Sie hat mir erzählt, seine Eltern leben auf dem Land.
(41.b) Sie hat mir erzählt, seine Eltern würden auf dem Land leben.
(Helbig/ Buscha 2001: 172)
Als Futur Präteritum versprachlicht die Verbalperiphrase ähnlich wie in den romanischen Sprachen ein Verbalereignis, das nachzeitig zu einer Referenzzeit in der Vorzeitigkeit ist, wobei Referenz- und Ereigniszeit vorzeitig zur Sprechzeit sind.
(42) Kolumbus entdecktePRÄT 1492 Amerika. Er würde lange Zeit denken, dass er einen neuen Seeweg nach Indien entdeckt habe.
Im Beispiel (42) wird der Betrachter in das Jahr 1492 versetzt und blickt in die Zukunft bezüglich Kolumbus’ Überzeugung. Der Sprechzeitpunkt liegt nach dem temporalen Anker, an dem der Betrachter verortet ist, und ist in einer Zeit verortet, wo man bereits weiß, dass Kolumbus Amerika und nicht Indien auf dem Seeweg erreichte. Aus temporaler Sicht unterscheidet man im Deutschen noch zwischen Konditional I (würde-Form (Aktiv)) (43) und II (würde-Form Perfekt (Aktiv)) (44) (Dudenredaktion 2005: 437):
(43) Sie würde dir meine Adresse nicht geben.
(44) Dann würde man Ihnen die Adresse gegeben haben.
(Dudenredaktion 2005: 437)
Die Verbalperiphrase erweist sich besonders dann produktiv, wenn „die uneingeleitete indirekte Rede (mit Konjunktiv Präs.) nicht von der direkten Rede mit Indikativ Präs. zu unterscheiden ist“ (Helbig/ Buscha 2001: 172). Ebenfalls wird die Form herangezogen, um die präteritalen Formen der unregelmäßigen Verben zu ersetzen, deren Verwendung diastratisch und diaphasisch als hoch markiert erscheint1 (45). Ein weiteres Vorkommen ist im Konditionalsatz, um potenzielle Bedingungen in der Vergangenheit (46) oder eine hypothetische Bedingung in der Gegenwart (47) zu versprachlichen.
(45) Wenn ich Zeit hätte, würde ich dir helfen. (vs. hülfe ich dir.)
(Helbig/ Buscha 2001: 172)
(46) Wenn er regelmäßig gelernt hätte, würde er bessere Noten im Zeugnis haben.
(47)