Patienten mit einem Extensionsmuster des Schädels müssen auch besonders vorsichtig behandelt werden. Wenn man sie in eine Extension zwingt, haben sie eine Tendenz, auch nach der CV4-Technik in Extension zu bleiben. Sie klagen dann über Depression und geringe Energie. Um dies bei der Anwendung der CV4-Technik zu vermeiden, komprimiert man das Supraokziput auf neutrale Art und Weise – man zieht es nicht zurück in Extension. Bei diesen Extensionstypen sollte der Behandler sichergehen, dass Okziput und Ossa temporalia des Patienten nach der Anwendung der CV4-Technik wieder vollständig in Flexion/Außenrotation gehen können. Um diese Expansion zu unterstützen, kann man den Patienten einige tiefe Atemzüge nehmen lassen.
Man kann den Vorgang bei der CV4-Technik intensivieren, indem man den Patienten ausatmen und ihn den Atem so lange wie möglich anhalten lässt oder indem man ihn die Füße strecken lässt, wodurch die Basis des Os Sakrum und das Os occipitale zur einer Extensionsbewegung angeregt werden – alles, was die existierende Fluktuation zurückhält und verlangsamt. Allmählich beruhigen sich die Dinge, während wir weiterhin beobachten, und dann, innerhalb von drei bis sieben Minuten, gibt es innerhalb des Musters der Fluktuation des Liquor cerebrospinalis eine plötzliche Veränderung, die geschieht, wenn es bereit ist. Danach können wir verschiedene klinische Folgen beobachten, an denen sich ablesen lässt, dass etwas geschehen ist. Wir können ein Gefühl von Wärme feststellen, einen ‚Leerlauf ‘ der sekundären Atmung oder manchmal ein leichtes Schwitzen auf der Stirn oder Haut. Es gibt eine ganze Reihe von klinischen Folgen, die uns zeigen, dass etwas geschehen ist.
Statt vom Supraokziput kann man die CV4-Technik auch von den Ossa parietalia aus durchführen, indem man von einem Kontakt an den Ossa parietalia aus sanft die Innenrotation ermutigt und auf diese Weise die Fluktuation in die Stille bringt – wobei die Aufmerksamkeit dem Flüssigkeitskörper des Liquor in den Seitenventrikeln gilt. Hier gibt es jedoch schrecklich viel Flüssigkeit und ihr habt vielleicht nicht so viel Kontrolle wie unten am vierten Ventrikel und am Supraokziput.
Es ist wichtig zu wissen, dass sich diese Behandlung auch noch vom Sakrum aus durchführen lässt. Man bringt das Sakrum in seine Extensionsphasen-Position und hält es, bis man die Reaktion des Liquor spürt, die darin besteht, dass er still wird und zu einem Punkt kommt, wo er sein inneres Fulkrum verändert. Diese Annäherung vom Sakrum aus wird in allen Fällen benutzt, wo man am Kranium ein derart starkes Trauma vermutet, dass man sich dort nicht ran wagt, trotzdem aber etwas Therapeutisches für den Patienten tun möchte. Wir wissen, dass es, wenn wir den Liquor in die Stille bringen, zu einem Austausch der Flüssigkeitsbalance kommt; die vitalen, physiologischen Zentren werden stimuliert; die Spannung in den Intrazellulärräumen der Faszien und Ligamente wird modifiziert; eine Immunantwort wird angeregt – es geschieht sehr viel. Wenn wir also den Liquor cerebrospinalis über eine Annäherung am Sakrum in die Stille bringen, können wir viel Gutes bewirken ohne uns zu sorgen, dass wir vielleicht bei einer potenziellen Schädelfraktur oder irgendeiner anderen traumatischen Verletzung zusätzlich Probleme erzeugen.
LATERALE FLUKTUATION
Wir besitzen eine Technik, mit der wir eine laterale Fluktuation schaffen. Dabei fassen wir die Ossa temporalia in der Weise an, wie wir es auch zum Befunden ihrer Bewegung tun: Unsere Hände liegen unter dem Schädel mit den Daumen entlang den Proc. mastoidei und den Mastoid-Anteilen; unsere Finger befinden sich unter dem Nacken. Wenn wir dann unsere Finger, unsere Mittelfinger, sehr sachte rollen, werden wir automatisch ein Os temporale sanft in die Außenrotation und das andere in die Innenrotation drehen, und der Flüssigkeitskörper des Liquor wird ein Fluktuationsmuster starten, das von einer Seite zur andern fluktuiert. Dabei rollen wir unsere Mittelfinger wie gesagt kaum, nur bis wir diese laterale Fluktuation spüren, die sich herüber bewegt und auf der anderen Seite anschwillt. Sobald wir spüren, dass sich diese Sache von einer Seite zur andern bewegt, verringern wir das Ausmaß unserer Rollbewegung, so dass wir sie zurückhalten. Wir haben etwas gestartet, und nun fangen wir an, es zurückzuhalten, es allmählich zu verlangsamen. Anders ausgedrückt: Die Flüssigkeit will da hinüber, aber wir erlauben ihr das nicht ganz, wir beginnen sie zurückzubringen. Ganz allmählich verlangsamen wir diese Fluktuation, bis es zu einer Veränderung im Fulkrum innerhalb des Liquor kommt. Auf diese Art und Weise durchgeführt ist es eine beruhigende Sache. Es beruhigt potenzielle Überreaktionen nach einer Behandlung. Die laterale Fluktuation zu verstehen und in der Praxis zu gebrauchen, ist wichtig.
Auch wenn wir einen Patienten haben, der dringend einen Energiefluss braucht– in Fällen wo der Flüssigkeitsmechanismus des Liquor im Körper sich halb tot anfühlt, nichts geschieht –, können wir die eben beschriebene Technik der lateralen Fluktuation benutzen, um ihn anzuregen, zum Starten zu bringen und aktiver zu machen. In diesem Falle ist es jedoch immer weise, mit viel Sensibilität zu erspüren, in welchem Maße er angeregt werden sollte. Wenn man ihn lediglich anregt und den Patienten dann von der Behandlungsbank aufstehen lässt, ist es wahrscheinlich, dass man ihn in einem Zustand gebracht hat, wo er sich betrunken fühlt. Wir wollen aber einen Effekt auf seine Energie haben, indem wir einen neuen Austausch im System schaffen; nachdem man den Liquor cerebrospinalis angeregt hat, bringt man ihn zu einem Stillpunkt herunter, so dass die Veränderung im Fulkrum innerhalb des Liquor die wohltuenden Notwendigkeiten, die man durch die Anregung stimuliert hat, korrekt verteilt.
3.5. DER LIQUOR CEREBROSPINALIS – EIN MECHANISMUS
Überarbeitete Fassung eines Vortrages, gehalten 1986 während eines Grundkurses der Sutherland Cranial Teaching Foundation in Philadelphia, Pennsylvania.
Wir als Individuen leben ein Leben voller willkürlicher und unwillkürlicher Mechanismen. Es gibt Millionen von verschiedenen Mechanismen innerhalb der gesamten Körperphysiologie des Patienten. Unser willkürlicher Mechanismus erlaubt uns, alles zu tun – vom Joggen bis hin zum ruhigen Schlafen. Dieser Aktionsmechanismus ist in jedem Individuum unterschiedlich, abhängig von seiner gesamten Lebensqualität.
Auf der anderen Seite gibt es den ruhigen Primären Atemmechanismus – eine vollkommen unwillkürliche Einheit von Funktion, Physiologie, Aktivität und Lebendigkeit, die uns einen aktiven, lebendigen, willkürlichen Mechanismus sein lässt. Wir verschwenden keinen Gedanken an die Veränderungen, die in der Funktion innerhalb der Fluktuation des Liquor cerebrospinalis und des Primären Atemmechanismus geschehen – es gibt sie einfach. Wir akzeptieren das Leben so, wie es ist. Wir nehmen die Tatsache an, dass unser Mechanismus arbeitet – wir denken darüber nicht nach. Wenn wir uns treffen und darüber sprechen, wird es zum Gesprächsthema – aber normalerweise verschwenden wir keinen Gedanken daran, dass wir ein Primärer Atemmechanismus sind. Der unwillkürliche Mechanismus ist die Sache, die uns lebendig erhält und als eine Manifestation des Lebens funktioniert.
Die Fluktuation des Liquor cerebrospinalis ist ein Teil des Primären Atemmechanismus, zu dem auch die Motilität des Zentralen Nerven-systems und die Mobilität der reziproken Spannungsmembran, der Schädelknochen und des Os sacrum gehören. Wir können keinen von ihnen abtrennen – sie alle bilden eine Einheit. Jedes Trauma oder jede Krankheit, die irgendeinen Teil des Körpers betrifft, wird einen Effekt auf den Primären Atemmechanismus haben; und jede Wiederherstellung in Richtung Gesundheit, jede Korrektur einer Dysfunktion innerhalb des willkürlichen Mechanismus im Körper, muss eine Verbesserung der Funktion des Primären Atemmechanismus mit einschließen – es ist eine Funktionseinheit.