Es kommt vor, dass nach einer Funktion von x abgeleitet werden soll, anstelle von x selbst. Betrachten wir beispielsweise die Funktion
wobei a, b und c Konstanten sind. Nun soll dƒ/d(1/x) evaluiert werden, anstelle von dƒ/dx. Wenn wir zunächst y = 1/x definieren, dann ist ƒ(y) = a + by + cy2, und die erste Ableitung nach y lautet
Wegen y = 1/x folgt
Die Virialkoeffizienten hängen, wie bereits erwähnt, von der Temperatur ab. Daher kann es eine Temperatur geben, für die Z → 1 geht und die Steigung null wird (bei niedrigem Druck bzw. großem Molvolumen; siehe Abb. 1.19). Bei dieser Temperatur, der Boyle-Temperatur TB, stimmen die Eigenschaften des realen Gases für p → 0 mit denen eines idealen Gases überein. Gemäß Gl. (1.26a) hat Z für p = 0 im Fall p → 0 die Steigung null; also gilt bei der Boyle-Temperatur B = 0. Aus Gl. (1.24) folgt dann, dass in einem größeren Druckbereich als bei anderen Temperaturen pVm ≈ RTB gilt, weil das zweite Glied der Entwicklung (B'p) gleich null ist und das dritte (C'p2) sowie alle hoheren Glieder vernachlassigt werden konnen. Für Heliumist TB = 22, 64 K, für Luft TB = 346, 8K; weitere Werte sind in Tab. 1.5 angegeben.
Tab. 1.5 Kritische Größen von Gasen.*)
*) WeitereWerte finden Sie im Tabellenteil im Anhang dieses Buchs.
(c) Kritische Größen
Eine besondere Rolle für die Beschreibung des Zustandes eines Stoffs spielt die Isotherme bei der kritischen Temperatur Tkrit. Alle Isothermen unterhalb Tkrit verhalten sichwie bereits zuvor beschrieben: Bei einem bestimmten Druck kondensiert das Gas zur Flüssigkeit, es bildet sich eine deutlich sichtbare Phasengrenze. Wenn die Kompression jedoch genau bei Tkrit stattfindet, fallen die Volumina an jedem Ende des horizontalen Teils der Isotherme in einem einzigen Punkt zusammen, dem kritischen Punkt des Gases; hier tritt keine Phasentrennung auf. Die Zustandsgrößen am kritischen Punkt heißen kritische Temperatur Tkrit, kritischer Druck pkrit und kritisches molares Volumen Vm, krit oder zusammengefasst kritische Größen des Stoffs (Tab. 1.5).
Bei und über Tkrit findet man nur eine einzige Phase, die das gesamte Volumen eines Gefäßes ausfüllt, und die man definitionsgemäß Gas nennt. Das bedeutet: Oberhalb der kritischen Temperatur kannman eine Substanz nicht verflüssigen. Die einzelne Phase, die bei T > Tkrit das gesamte Gefäßvolumen ausfüllt, kann eine viel größere Dichte aufweisen, als man normalerweise für ein Gas erwartet; man nennt sie überkritisches Fluid.
Illustration 1.7
Die kritische Temperatur von Sauerstoff liegt bei 155K; daher ist es oberhalb dieser Temperatur unmöglich, allein durch Kompression des Gases flüssigen Sauerstoff herzustellen.Um Sauerstoff zu verflüssigen, muss die Temperatur unter 155K gesenkt werden; dann kann man dieses Gas isotherm komprimieren.
1.3.2 Die Van-der-Waals-Gleichung
Aus der Virialgleichung eines Gases können wir nur durch Einsetzen von Zahlenwerten für die Koeffizienten Schlussfolgerungen ziehen. Oft ist es nützlicher, auf Kosten absoluter Genauigkeit ein allgemeines Bild der Zustände von Gasen zu erhalten.
(a) Formulierung der Gleichung
Die im Jahre 1873 von Johannes van der Waals vorgeschlagene Näherungsgleichung ist ein gutes Beispiel für die sinnvolle, auf den physikalischen Inhalt gerichtete Vereinfachung eines komplizierten mathematischen Problems, also für den Aufbau eines geeigneten Modells.
Herleitung 1.4: Die Van-der-Waals-Gleichung
Die Abstoßung zwischen den Molekülen wird berücksichtigt, indem man die Teilchen als kleine harte Kugeln auf fasst. Durch das von null verschiedene Eigenvolumen der Moleküle können diese sich nicht im Gesamtvolumen V, sondern nur im Volumenanteil V − nb bewegen, wobei nb etwa der Summe der Eigenvolumina der Moleküle entspricht. Dieses Argument legt den Ersatz der Zustandsgleichung des idealen Gases, p = nRT/V, durch
nahe, wenn abstoßende Wechselwirkungen signifikant sind. Der kleinstmögliche Abstand zweier harter Kugeln mit dem Radius r und dem Volumen VMolekül = 4πr3 beträgt 2r. Für die Bewegung ist also ein Volumen von
Der Druck hängt sowohl von der Stoßzahl als auch von der Kraft jedes Stoßes auf die Wände ab. Beide Größen werden durch die zwischenmolekulare Anziehung verringert, und zwar jeweils proportional zur molaren Konzentration n/V der Teilchen in der Probe. Daher ist die Druckverringerung proportional zum Quadrat dieser Konzentration, man schreibt sie als a(n/V)2, mit einer stoffspezifischen positiven Konstante a. Die Kombination der Anziehungs- und Abstoßungseffekte führt zur Van-der-Waals-Gleichung:
(1.27a)
Die Konstanten a und b heißen Van-der-Waals-Koeffizienten. Der Koeffizient a beschreibt die Stärke der anziehenden Wechselwirkungen und b die Abstoßungen zwischen den Molekülen. Sie sind stoffspezifisch, hängen aber nicht von der Temperatur ab (Tab. 1.6). Obwohl es sich bei ihnen nicht um klar definierte Moleküleigenschaften handelt, hängen sie doch mit physikalischen Eigenschaften wie der kritischen Temperatur, dem Dampfdruck oder der Verdampfungsenthalpie zusammen, die die Stärke der intermolekularen Wechselwirkungen widerspiegeln.
Tab. 1.6 Van-der-Waals-Koeffizienten.*)
Substanz | a/(atm dm6 mol-2 |
b/(10-2
|