*) Weitere Werte finden Sie im Tabellenteil im Anhang dieses Buchs.
Illustration 1.6
Wir verwenden Gl. (1.25b) (bis einschließlich zum B-Term), um den Druck zu berechnen, den 0, 104 mol O2 (g) in einem Gefäß mit dem Volumen 0, 225dm3 bei 100K ausüben. Zunächst berechnen wir hierzu das molare Volumen des Gases:
Nun verwenden wir Gl. (1.25b) sowie den Wert für den zweiten Virialkoeffizienten B, den wir Tab. 1.4 aus dem Tabellenteil im Anhang dieses Buchs entnehmen, und erhalten
mit 1 Pa = 1Jm−3. Hätten wir die Zustandsgleichung des idealen Gases (Gl. (1.4)) zur Berechnung des Drucks verwendet, hätten wir hingegen p = 385 k Pa erhalten; also einen Wert, der etwa 10% höher ist als bei Verwendung der Virialgleichung. Die Abweichung ist deshalb so groß, weil unter diesen Bedingungen B/Vm ≈ 0, 1 ist; ein Wert, der sich deutlich von 1 unterscheidet.
Anhand der Virialgleichung können wir eine wichtige Tatsache verstehen: Auch wenn ein reales Gas für p →0 die Zustandsgleichung eines idealen Gases erfüllt, heißt das nicht, dass dann auch alle seine Eigenschaften mit denen eines idealen Gases übereinstimmen müssen. Betrachten wir beispielsweise die Größe dZ/dp, die Steigung des Kompressionsfaktors als Funktion des Drucks (eine Übersicht zu Ableitungen finden Sie in „Toolkit 5: Differenzialrechnung“). Wir finden, dass für ein ideales Gas dZ/dp = 0 gilt (da Z = 1 für beliebige Drücke), während für ein reales Gas aus Gl. (1.25a) folgt
B′ ist aber nicht unbedingt null, sodass auch die Steigung von Z in Abhängigkeit von p nicht unbedingt null wird (wie bei idealen Gasen), wie in Abb. 1.19 zu sehen ist. Da eine Reihe von physikalischen Eigenschaften von solchen Ableitungen abhängen, können wir nicht generell erwarten, dass sich reale Gase bei niedrigem Druck wie ein ideales Gas verhalten. In ähnlicher Weise erhält man (siehe „Toolkit 5: Differenzialrechnung“)
(1.26b)
Abb. 1.19 Der Kompressionsfaktor Z wird bei niedrigem Druck gleich 1, aber die Funktion Z(p)kann bei p = 0 verschiedene Steigungen besitzen. Für ein ideales Gas erhält man die Steigung null; bei realen Gasen kann sie positiv oder negativ und zudem temperaturabhängig sein. Zur Boyle-Temperatur gehört stets eine Kurve mit der Steigung null bei p = 0, und das Verhalten des Gases ist hier über einen relativ großen Zustandsbereich hinweg nahezu ideal.
Toolkit 5: Differenzialrechnung
Die Differenzialrechnung befasst sich mit den Steigungen von Funktionen, wie z. B. die Änderung einer Variablen mit der Zeit. Die erste Ableitung einer Funktion ƒ(x) wird symbolisiert mit dƒ/dx. Die formale Definition lautet
Sie gibt die Steigung der Tangenten an den Graphen der Funktion ƒ(x) an jedem Punkt x der Kurve an (Abb. T1). Ein positiver Wert für die erste Ableitung bedeutet einen Anstieg der Kurve von links nach rechts (bei größer werdendem x); ein negativer Wert für die erste Ableitung bedeutet einen Abfall der Kurve. Wenn die erste Ableitung null ist, besitzt die Kurve an der untersuchten Stelle ein Maximum oder ein Minimum (und verläuft parallel zur x-Achse; siehe Abb. T1). Es ist in vielen Fällen äußerst nützlich, die erste Ableitung abkürzend mit ƒ'(x) zu symbolisieren.
Die zweite Ableitung einer Funktion erhalten wir, wenn das Ergebnis der ersten Ableitung erneut abgeleitet wird, geschrieben d2ƒ/dx2. Es handelt sich also um die Ableitung der ersten Ableitung ƒ′:
Es ist nützlich, diese zweite Ableitung abkürzend mit ƒ′′ zu symbolisieren. Wie in Abb. T2 zu erkennen ist, kann die zweite Ableitung einer Funktion als Indikator für das Ausmaß der „Krümmung“ dieser Funktion interpretiert werden. Ein positiver Wert für die zweite Ableitung bedeutet, dass die Funktion an der untersuchten Stelle ein Minimum besitzt (Kurvenverlauf ∪-förmig); ein negativer Wert bedeutet hingegen, dass die Funktion dort ein Maximum besitzt (Kurvenverlauf ∩-förmig).Wenn die zweite Ableitung null ist, liegt ein Wendepunkt vor, an dem die erste Ableitung ihr Vorzeichen ändert; d. h. die „Biegung“ der Kurve ändert ihre Richtung (Abb. T2).
Die ersten Ableitungen einiger Funktionen, die uns immer wieder begegnen werden, sind:
Es ist hilfreich, sich einige wichtige Ableitungsregeln einzuprägen, denn aus der Definition der ersten Ableitung ergeben sich eine Reihe weiterer Beziehungen, die wir auf Kombinationen von zwei Funktionen (hier mit u und v bezeichnet) anwenden können: