Beispiel 1.3: Die Berechnung der mittleren Molekülgeschwindigkeit in einem Gas
Wie groß sind die quadratisch gemittelte Geschwindigkeit c̄ und die mittlere Geschwindigkeit c̄ von N2-Molekülen in Luft bei 25 °C?
Vorgehensweise Wir berechnen zunächst die quadratisch gemittelte Geschwindigkeit c gemäß Gl. (1.16) mit M = 28, 02 gmol−1 (also 0, 028 02kg mol−1) und T = 298 K. Die mittlere Geschwindigkeit c̄ erhalten wir dann durch Evaluation des Integrals
mit dem Ausdruck für ƒ(υ) aus Gl. (1.12). Hierzu können Sie mathematische Software oder die Standardintegrale verwenden, die im Anhang dieses Buchs angegeben sind. Beachten Sie dabei, dass 1 J = 1kgm2 s−2 ist.
Lösung Die quadratisch gemittelte Geschwindigkeit ist
Das erforderliche Integral zur Berechnung von c̄ ist
Dabei haben wir das Standardintegral
verwendet. Einsetzen der Zahlenwerte ergibt nun für die mittlere Geschwindigkeit
Selbsttest 1.3
Zeigen Sie, dass sich Gl. (1.15) aus Gl. (1.14) ergibt.
Wie in Beispiel 1.3 gezeigt wurde, können wir mithilfe der Maxwell’schen Geschwindigkeitsverteilung die mittlere Geschwindigkeit c̄ der Moleküle eines Gases berechnen:
(1.17)
Die wahrscheinlichste Geschwindigkeit c* ergibt sich aus der Lage des Maximums der Verteilung durch Ableiten von ƒ(υ)nach υ und Suche des Werts von υ, für den die Ableitung null wird (abgesehen von υ = 0 und υ = ∞; siehe Aufgabe S1.2.10 im Übungsteil am Ende dieses Fokus):
(1.18)
In Abb. 1.13 sind diese Ergebnisse veranschaulicht.
Abb. 1.13 Zusammenfassung der Schlussfolgerungen, die sich aus der Maxwell’schen Geschwindigkeitsverteilung für Moleküle mit der Molmasse M und der Temperatur T ergeben: Die wahrscheinlichste Geschwindigkeit ist c∗, diemittlere Geschwindigkeit ist c̄ und die quadratisch gemittelte Geschwindigkeit ist c.
Aus der Verteilung können wir auch die mittlere Relativgeschwindigkeit c̄rel ermitteln (die mittlere Geschwindigkeit, mit der ein Molekül sich einem anderen nähert):
Dieses Ergebnis ist wesentlich komplizierter herzuleiten; das Diagramm in Abb. 1.14 soll zumindest zeigen, dass es plausibel ist. Gleichung (1.19a) lässt sich auch zur Beschreibung der mittleren Relativgeschwindigkeit zweier verschiedener Moleküle mit den Massen mB und mB verallgemeinern:
Abb. 1.14 Die vereinfachte Skizze zeigt, dass zwischen der mittleren Relativgeschwindigkeit und der mittleren Geschwindigkeit der Moleküle in einem Gas ein Zusammenhang besteht. Bewegen sich alle Moleküle in gleicher Richtung, so ist die mittlere Relativgeschwindigkeit null; bewegen sich die Moleküle aufeinander zu, so ist die Relativgeschwindigkeit 2v. Besonders häufig ist eine seitliche Annäherung zweier Moleküle; die Relativgeschwindigkeit ist in diesem Fall 21/2v, weshalb man erwarten kann, dass auch die mittlere Relativgeschwindigkeit bei ungefähr 21∕2v liegt. Eine ausführlichere Rechnung bestätigt diese Abschätzung.
Illustration 1.2
Wie wir bereits in Beispiel 1.3 gesehen haben, ist die mittlere Geschwindigkeit c̄ von N2-Molekülen bei 25 °C 475ms−1. Aus Gl. (1.19a) folgt für die mittlere Relativgeschwindigkeit der N2-Moleküle
1.2.2 Intermolekulare Stöße
Die kinetische Gastheorie kann dazu verwendet werden, aus der qualitativen Beschreibung eines idealen Gases als Ansammlung von sich rastlos bewegenden, miteinander stoßenden Molekülen einen quantitativen, überprüfbaren Ausdruck zu entwickeln. Insbesondere können wir die Häufigkeit berechnen, mit der die Teilchen zusammenstoßen, sowie die Weglänge, die ein Teilchen im Mittel zwischen zwei Stößen zurücklegt.
(a) Die Stoßzahl
Als „Stoß“ zählen wir jedes Zusammentreffen zweier Moleküle, bei dem der Abstand der Mittelpunkte beider Teilchen kleiner oder gleich dem Stoßdurchmesser d wird (für harte Kugeln entspricht d gerade ihrem Durchmesser). Wie wir in der folgenden Herleitung 1.3 sehen werden, lässt sich mithilfe der kinetischen Gastheorie die Stoßzahl z (auch Stoßhäufigkeit) bestimmen, also die Anzahl der Stöße eines Moleküls pro Zeitintervall, in dem diese Stöße gezählt werden.
Herleitung 1.3: Berechnung der Stoßzahl mithilfe der kinetischen Gastheorie
Zu Beginn wollenwir uns vorstellen, dass alle Moleküle mit Ausnahme von einem stationär sind.Wenn sich das eine, mobile Molekül in einem Gas bewegt, durchfliegt es einen sogenannten „Stoßzylinder“ mit dem Querschnitt σ = πd2 und der Länge