Toolkit 4: Integralrechnung
Mithilfe der Integralrechnung lassen sich die Flächen unterhalb von Graphen analysieren. Das Integral einer Funktion ƒ(x), das mit ∫ ƒ (x)dx symbolisiert wird (die lang gestreckte S-Form des Symbols soll an den Begriff „Summe„ erinnern), zwischen den beiden Werten x = a und x = b ist als die Summe aller infinitesimal kleinen Änderungen dx zwischen dem Anfangs- und Endwert von x definiert. Wenn wir uns die Fläche zwischen a und b zusammengesetzt aus einer endlichen Zahl einzelner Bereiche mit der Breite δx vorstellen (siehe Abb. T1), können wir diese Summe schreiben als
Die Funktion, die integriert werden soll, nennt man Integrand. Es ist eine erstaunliche Tatsache in der Mathematik, dass die Integration einer Funktion die Umkehrung der Ableitung dieser Funktion darstellt. Mit anderen Worten: wenn wir eine Funktion ƒ zunachst differenzieren und das Ergebnis nachfolgend integrieren, erhalten wir wieder die ursprungliche Funktion ƒ (von konstanten Faktoren, die dabei „verloren gehen“ können, einmal abgesehen).
Den Ausdruck links vom Gleichheitszeichen nennt man bestimmtes Integral der Funktion ƒ(x). Wenn ein Integral ohne die Integrationsgrenzen a und b angegeben wird, dann sprechen wir von einem unbestimmten Integral der Funktion. Wenn das Ergebnis einer unbestimmten Integration g(x) + C lautet, wobei C eine Konstante ist, dann lässt sich das zugehörige bestimmte Integral mithilfe der folgenden Prozedur ermitteln:
Beachten Sie, dass die Konstante C bei diesem Verfahren „verschwindet“. Die bestimmten und unbestimmten Integrale, die in diesem Buch verwendet werden, sind im Anhang gesammelt aufgelistet. Integrale komplexerer Funktionen können auch mithilfe mathematischer Software berechnet werden.
An dieser Stelle wollen wir die Eigenschaften der Maxwell’schen Geschwindigkeitsverteilung etwas genauer unter die Lupe nehmen (siehe dazu Abb. 1.11):
1 • Gleichung (1.12) enthält eine abfallende Exponentialfunktion (genauer gesagt eine Gaußfunktion), nämlich den Term e−Mυ2/2RT. Er deutet darauf hin, dass der Anteil der Moleküle mit sehr hoher Geschwindigkeit sehr gering seinwird, da e−x2 für große Werte von x sehr klein wird.Abb. 1.11 Die Geschwindigkeitsverteilung von Molekülen als Funktion der Temperatur und der molaren Masse. Die wahrscheinlichste Geschwindigkeit (das Maximum der Verteilungskurve) wird mit steigender Temperatur und sinkender Molmasse größer und gleichzeitig wird die Verteilung breiter.
2 • Der Faktor M/2RT, mit dem υ2 im Exponenten multipliziert wird, ist groß, wenn die Molmasse M groß ist; der Exponentialterm geht daher für große Mbesonders schnell gegen null. Mit anderen Worten: Schwere Moleküle bewegen sich in der Regel nicht sehr schnell.
3 • Das Gegenteil trifft bei hohen Temperaturen T zu; dann wird der Faktor M/2RTklein und der Exponentialterm strebt mit zunehmendem υ nur langsam gegen null. Mit anderen Worten: Bei hohen Temperaturen bewegt sich ein größerer Teil der Moleküle schnell als bei niedrigen Temperaturen.
4 • Der Exponentialterm wird seinerseits mit einem Faktor υ2 multipliziert, der gegen null geht, wenn die Geschwindigkeit gegen null geht; der Anteil von Molekülen mit sehr geringer Geschwindigkeit ist folglich ebenfalls klein.
5 • Die verbleibenden Faktoren (der Term in Klammern in Gl. (1.12) sowie 4π) sind lediglich dafür zuständig, dass sich bei der Addition aller Anteile mit Geschwindigkeiten zwischen null und unendlich immer 1 ergibt.
(c) Mittlere Molekülgeschwindigkeiten
Mithilfe der Maxwell’schen Geschwindigkeitsverteilung ist es möglich, den Mittelwert der Molekülgeschwindigkeit in jedweder Potenzierung zu berechnen, indemwir das entsprechende Integral lösen.Um beispielsweise den Anteil F der Moleküle zu ermitteln, die sich mit Geschwindigkeiten im Bereich von υ1 bis υ2 bewegen, betrachten wir das Integral
(1.13)
Dieses Integral entspricht der Fläche unter dem Graphen von ƒ als Funktion von υ(Abb. 1.12) und muss (außer in einigen speziellen Fällen) mithilfe mathematischer Software evaluiert werden. Die mittlere Geschwindigkeit von υn lässt sich gemäß
berechnen. Die Integration mit n = 2 ist von besonderem Interesse, denn durch sie erhalten wir für die Temperatur T über
schließlich aus der Quadratwurzel die quadratisch gemittelte Geschwindigkeit der Moleküle in einem Gas:
Abb. 1.12 Zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit, dass ein Molekül eine Geschwindigkeit zwischen v1 und v2 besitzt, integrieren wir die Verteilung in diesen Grenzen; das Integral entspricht der Fläche unter der Kurve zwischen den Begrenzungslinien (hier schattiert).
Wir sehen also, dass die quadratisch gemittelte Geschwindigkeit der Moleküle eines Gases proportional zur Wurzel aus der Temperatur und umgekehrt proportional zur Wurzel aus der Molmasse des Gases ist. Mit steigender Temperatur nimmt folglich die quadratisch gemittelte Geschwindigkeit der Teilchen zu, und bei einer gegebenen Temperatur bewegen sich schwerere Moleküle langsamer als leichtere.
Das wichtigste Ergebnis dieser Betrachtungen ist: Wenn wir Gl. (1.16) in die Beziehung zwischen Druck und Temperatur eines Gases (Gl. (1.10)) einsetzen, dann erhalten wir als Ergebnis pV = nRT, die Zustandsgleichung des idealen