Grundwissen Eigensicherung. Группа авторов. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

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Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783866766549
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Unterschiede im Viktimisierungsrisiko bezüglich des Geschlechts, des Alters, des Migrationshintergrunds und der Körpergröße. Im Folgenden sollen verschiedene Erklärungsansätze für die Befunde angeboten werden, die es in zukünftigen Studien zu untersuchen gilt.

      Hinweise darauf, dass Polizistinnen seltener Opfer von Gewalt im Dienst werden, finden sich auch bei Bosold (2005), Bragason (2006) und Burke und Mikkelsen (2005). Eine mögliche Erklärung dafür könnte sein, dass die Angreifer, welche überwiegend männlich sind, größere Hemmungen haben, eine Beamtin anzugreifen als einen Beamten. Eine zweite Erklärung wäre, dass Beamtinnen mit anderen, weniger gewaltreichen Aufgaben betraut sind als ihre Kollegen. Hinweise auf eine geschlechtsstereotype Aufgabenverteilung, wonach Beamtinnen insbesondere in Situationen eingesetzt werden, die den Umgang mit Kindern oder Frauen erforderlich machen, finden sich bspw. bei Rustemeyer und Tank (2001). Drittens könnte es sein, dass männliche Beamte ihre Kolleginnen gerade in gefährlichen Situationen aus einem „männlichen Schutzgebaren“ heraus, vor einem Angriff verschonen wollen und sich schützend vor sie stellen („Ritterlichkeitshypothese“, Manzoni, 2003, S. 64). Des Weiteren besteht seit dem Eintritt von Frauen in die Polizei die Annahme, dass Beamtinnen aufgrund ihrer Sozialisation kommunikativer, empathischer, unterstützender und weniger aggressiv seien als ihre Kollegen (Rabe-Hemp, 2008). Folglich könnte vermutet werden, dass Beamtinnen aufgrund dieser Kompetenzen gerade in Konfliktsituationen stärker deeskalierend wirken, wodurch sich ihr Risiko angegriffen zu werden, senkt. Allerdings findet bspw. die Hypothese, wonach Beamtinnen sich dem Bürger gegenüber stärker unterstützend verhalten, nur teilweise empirische Bestätigung (ebd.). Vielmehr scheinen Frauen, verglichen mit ihren männlichen Kollegen, weniger Drohungen und Gewalt in Interaktionen mit dem Bürger einzusetzen (Garner et al., 1996; Manzoni, 2003; Rabe-Hemp, 2008; Schuck & Rabe-Hemp, 2005). Da sich der Gewalteinsatz von Bürger und Polizei gegenseitig bedingen (z. B. Garner et al, 1996; Manzoni, 2003), könnten Beamtinnen deshalb eine niedrigere Angriffsrate aufweisen.

      Der Befund, dass jüngere Beamte häufiger Opfer von Gewalt im Dienst werden als ältere, kann vor dem Hintergrund anderer Untersuchungen als relativ gesichert gelten (vgl. z. B. Bososld, 2005; Bragason, 2006; Griffiths & McDaniel, 1993; Kaminski & Sorenson, 1995; Manzoni, 2003). Naheliegend ist die Vermutung, dass ältere Beamte mit anderen Aufgabenbereichen betraut sind als jüngere, so dass letztere auch ein höheres Risiko aufweisen, einen Angriff zu erleben. Der Vergleich beider Modelle (s. Tabelle 1) spricht zumindest teilweise für diese Erklärung, da sich die Koeffizienten durch die Aufnahme des Tätigkeitsbereichs abschwächen. Eine weiterer Grund für die gefundenen Unterschiede könnte darin liegen, dass ältere Beamte wegen ihrer Diensterfahrung besser in der Lage sind, die Gefährlichkeit bestimmter Einsatzsituationen bzw. Bürger einzuschätzen und entsprechend präventiv zu agieren, wodurch eine potenzielle Eskalation verhindert werden kann. Zudem wäre es möglich, dass gerade jüngere Beamte unter dem Druck stehen, sich beweisen zu müssen. Möglicherweise reagieren sie auf Provokationen seitens der Bürger weniger gelassen, sprechen folglich schneller Drohungen aus, und fördern damit einen Konflikt.

      Obgleich durch die Festlegung einer Mindestkörpergröße von Polizeibeamten implizit davon ausgegangen wird, dass die Körpergröße von Bedeutung für den Beruf sein kann, wurde diese Vermutung bislang kaum empirisch geprüft. Die wenigen Studien, die auch Körpergröße und Gewicht des viktimisierten Beamten mit berücksichtigt haben, liefern diesbezüglich inkonsistente Befunde (vgl. z. B. Garner et al., 1996; Griffiths & McDaniel, 1993; Rabe-Hemp & Schuck, 2007). Insofern sind die hier erzielten Ergebnisse vorsichtig zu interpretieren. Einige der zuvor im Zusammenhang mit dem gefunden Geschlechtseffekt diskutierten Erklärungen könnten auch hier eine Rolle spielen. Demnach mögen bspw. Selektionseffekte dafür verantwortlich sein, dass größere Beamte häufiger angegriffen werden, da sie gerade aufgrund ihres Körperbaus besonders häufig in gefährlichen Situationen eingesetzt werden oder sich bei diesen zumindest im Vordergrund aufhalten. Andererseits greift möglicherweise auch das polizeiliche Gegenüber absichtlich den größeren Beamten an, da von ihm die größere Gefahr auszugehen scheint. Eine weitere Erklärung wäre, dass die Beamten selbst aufgrund des Wissens um ihre körperliche Kraft weniger vor Konfrontationen zurückschrecken.

      Ebenfalls mit Vorsicht zu interpretieren, ist der gefundene risikoerhöhende Effekt bezüglich des Migrationshintergrundes, da die Fallzahlen niedrig sind.6 Die gefundenen Unterschiede können sowohl auf Seiten des Beamten selbst als auch auf Seiten des Bürgers gesehen werden. Möglicherweise haben Beamte mit Migrationshintergrund aufgrund mangelnder Akzeptanz ein ausgeprägteres Bedürfnis, sich den Respekt des Bürgers zu verschaffen, und reagieren entsprechend härter, wenn sich die Bürger ihnen gegenüber respektlos verhalten. Andererseits könnte es auch der Fall sein, dass dem Beamten von Seiten des Bürgers Fremdenfeindlichkeit entgegengebracht wird, wodurch die Situation verschärft wird.

       3.3 Wie hat sich die Gewalt gegen Polizeibeamte in den Jahren 2005 bis 2009 entwickelt?

      Ein zentrales Anliegen der Studie war es, Hinweise auf die Entwicklung von Gewaltübergriffen gegen Polizeibeamte zu erhalten. Wie erwähnt, ist zwischen 2000 und 2008 ein Anstieg von Widerstandsdelikten gegen die Staatsgewalt festzustellen, die als Hinweis auf eine zunehmende Gewaltbereitschaft Polizeibeamten gegenüber gewertet wurde. Um detailliertere Informationen zur Entwicklung von Übergriffen zum Nachteil von Polizeibeamten zu gewinnen, wurden die Beamten gefragt, wie häufig sie in den Jahren 2005 bis 2009 von einem Übergriff betroffen waren, der zu einer mindestens eintägigen Dienstunfähigkeit geführt hat. Die Auswahl des Referenzzeitraums von fünf Jahren kann damit begründet werden, dass die Erfassung der Übergriffe retrospektiv erfolgte, d. h. die Beamten rückblickend angeben sollten, wie oft sie in dieser Art angegriffen wurden. Es ist anzunehmen, dass Gewaltereignisse sowie deren Umstände (z. B. Ort des Übergriffs, Anzahl der Täter) innerhalb der letzten fünf Jahre verlässlicher erinnert werden können als solche, die schon deutlich länger zurückliegen. Auf Grund dessen wurde auch das Kriterium der Dienstunfähigkeit infolge eines Angriffs gewählt, wodurch besonders schwerwiegende bzw. folgenreiche Gewalterfahrungen identifiziert werden sollten.

      Von allen befragten Polizeibeamten erlebte etwa jeder achte (12,9 %) innerhalb von fünf Jahren zumindest einen Übergriff, der einen Dienstausfall von mindestens einem Tag zur Folge hatte. Dabei ist der Anteil an viktimisierten Beamten zwischen 2005 und 2009 von 2,6 % auf 4,5 % kontinuierlich gestiegen (s. Abbildung 2). Die durchschnittliche Anzahl an Übergriffen pro Opfer bleibt über die Jahre hinweg dabei relativ konstant (2005: 1,09; 2009: 1,16). Eine differenzierte Betrachtung der Übergriffe nach der Dauer der Dienstunfähigkeit weist allerdings auf unterschiedliche Entwicklungsverläufe hin. Besonders schwere Angriffe, in deren Folge die betroffenen Beamten über zwei Monaten dienstunfähig waren, sind über die Jahre auf insgesamt niedrigem Niveau konstant geblieben. Die Quote an Übergriffen mit einer Dienstunfähigkeitsdauer von mindestens einer Woche bis maximal acht Wochen weist innerhalb der ersten vier Jahre ebenfalls relativ stabile Werte auf. Lediglich von 2008 (0,9 %) auf 2009 (1,3 %) ist eine deutliche Zunahme zu verzeichnen. Insofern ist hauptsächlich die Zunahme von Übergriffen mit maximal sechstätiger Dienstunfähigkeit für den gefundenen Anstieg zwischen 2005 und 2009 verantwortlich.

       Abbildung 2

      Bei der Interpretation der Befunde sollte bedacht werden, dass retrospektive Erhebungen immer mit dem Problem selektiver Erinnerungseffekte behaftet sein können. Besonders schwerwiegende Ereignisse, die zu einer sehr langen Dienstunfähigkeit geführt haben, werden dadurch weniger beeinflusst sein, als jene, die hinsichtlich dieses Kriteriums weniger folgenreich waren. Zu beachten ist ferner, dass die Befragung im ersten Quartal des Jahres 2010 erfolgte, wodurch nicht auszuschließen ist, dass auch Übergriffe, die sich Anfang 2010 ereignet haben, mitberichtet worden sind. Trotz der Einschränkungen lässt sich ein Anstieg der Gewalt gegenüber Polizeibeamten nicht leugnen, welcher sich insbesondere für weniger schwerwiegende Übergriffen, gemessen an der Dauer der Dienstunfähigkeit, beobachten lässt.7 Interessanterweise spiegelt sich auch in der subjektiven Einschätzung der Beamten eine Zunahme von Gewaltübergriffen wieder. Fast Dreiviertel aller Befragten (74,6 %) waren der Meinung, dass die Wahrscheinlichkeit eines Gewaltübergriffs in den letzten