Kurzfristige Stressentlastung bzw. Spontanentspannung
Polizeibeamten ist es in akuten und belastenden Einsatzlagen grundsätzlich nicht möglich, eine Pause einzulegen. Eine Flucht vor dem Stress auslösenden Reiz ist für Polizeibeamte dadurch nicht ohne weiteres möglich. Kurzfristige Erleichterungen führen dazu, dass auftretende Stressreaktionen gemildert und Stressspitzen reduziert werden. (ebda., S. 51) Die Handlungsfähigkeit bleibt erhalten und es entstehen kurze Erholungszeiten, mit denen das Hochschaukeln von Stressempfindungen vermieden wird. (Litzke, 2005, S. 51)
Abreaktion und Progressive Muskelentspannung
Durch Abreaktion können kurzfristig Stresshormone abgebaut werden. Abreaktion ist häufig verbunden mit Wutausbrüchen, die im Einsatzgeschehen kontraproduktive Ergebnisse erzielen. Eine körperliche Betätigung führt in positiver Hinsicht zu einer kurzfristigen Reduzierung der Stresshormone. In der Einsatzsituation ist es also sinnvoll, die Hände in kurzen Abständen anzuspannen, zu lösen und in der Folge wieder anzuspannen. Hilfreich ist auch eine kurzfristige innere Anspannung des ganzen Körpers, da die Möglichkeit entsteht, dass der innere Druck so kanalisiert wird. Diese Technik wird auch der Abreaktion zugeordnet. Die Technik Anspannung/Entspannung usw. hat ihren Ursprung in der progressiven Muskelentspannung und ist eine alternative Entspannungstechnik, die auch außerhalb des Dienstes zu Hause durchgeführt werden kann. Sie muss jedoch erlernt werden, um in konkreten Situationen spontan bewusst entspannen zu können. Die progressive Muskelentspannung hat einen kurzfristigen Effekt, da durch die Anspannungsphasen Stressspitzen abgebaut werden können.
Atemtechnik
Des Weiteren sollen Einsatzkräfte sich auf ihre Atmung konzentrieren: Vor oder im Einsatz wird die Atmung durch den erlebten Stress schnell und flach. Der Organismus arbeitet unökonomisch, da weniger Sauerstoff durch die Lungen in die Blutbahn abgegeben werden kann. Eine falsche Atmung kann im Stress zu Atemnot (Hyperventilation) führen. Die Stimme wird durch die fehlende Kraft automatisch leiser. Somit leidet eventuell ein sehr wichtiger Punkt im Einsatz, die Kommunikation. Als Atemtechniken sollten entweder die Zwerchfell- oder Vollatmung präferiert werden. Da die Brustatmung in der Literatur als Atemtechnik erklärt wird, möchte ich sie der Vollständigkeit halber mit erläutern.
Brustatmung (Schulter-, Flanken- und Rückenatmung)
Bei der Brustatmung weiten sich die mittleren Lungenflügel und Luft strömt ein. Die Brustatmung führt zu einer verkrampften Atmung, durch die ein ineffizienter Luftaustausch entsteht.
Zwerchfellatmung (Bauchatmung)
Eine effizientere Möglichkeit, um kurzfristig die Stresssituation zu entlasten, ist die sogenannte Bauch-Zwerchfellatmung.
Die Zwerchfellatmung, auch Bauchatmung genannt, konzentriert die Atmung bewusst auf den Bauch. Das hochgewölbte Zwerchfell flacht durch die Atmung ab und das untere Drittel der Lungenflügel dehnt sich aus und wird mit Luft gefüllt.
Vollatmung (Bauch-Zwerchfellatmung und Brustatmung)
Durch die Vollatmung findet ein ganzheitlicher Austausch der Luft im Körper statt. Die Vollatmung vereint die Bauch-Zwerchfellatmung mit der Brustatmung. Die Kombination beider Atemtechniken führt zur Dehnung des gesamten Rippenbogens. Durch diese Dehnung wird ein maximaler Luftaustausch erreicht.
• Die Atmung konzentriert sich auf den Bereich des Bauches. Die unteren Rippenbögen wölben sich und das Zwerchfell flacht ab. Luft kann in die unteren Lungenflügel strömen.
• Setzt im weiteren Verlauf des Atemprozesses die Brustatmung ein, weiten sich die mittleren Lungenflügel und die Brust dehnt sich weiter aus. Wird im letzten Drittel der Atmung noch das Schlüsselbein angehoben, strömt noch zusätzlich Luft in die Lungen ein. Somit füllen sich zum Abschluss die Lungenspitzen mit Luft. Ein ganzheitlicher Luftaustausch und eine verbesserte Sauerstoffversorgung sind die Folge.
Gedanken-Stopp
Sollten sich im Verlauf einer belastenden Einsatzlage (Todesermittlung, schwerer Verkehrsunfall etc.) negative und quälende Gedanken einstellen, kann es hilfreich sein, die Gedanken-Stopp Technik einzusetzen. Schränkt negatives Gedankengut die Tätigkeit ein, soll innerlich das Wort „Stopp“ gesagt werden. Ziel ist es, die negativen Gedanken möglichst schnell abzubrechen, damit diese sich nicht festigen können. Kommt es wieder zu belastenden Gedanken, kann mit der „Unsinn-Formel“ (Litzke, 2005, S. 54) Abhilfe geschaffen werden. Dabei sollten Einsatzbeamte ein mehrsilbriges Wort erfinden und direkt im Anschluss an den Gedanken-Stopp mehrmals hintereinander wiederholen. Da das selbst erfundene Wort keine Assoziationen hervorruft, kann somit die Entwicklung neuer negativer Gedanken verhindert werden.
Positive Selbstinstruktion
Hilfreich ist es auch, sich direkt im Einsatzverlauf selber positiv zu motivieren. Die positive Selbstinstruktion („Ich kann das“ oder „Ich bin gut vorbereitet“) kann helfen, auch belastende Ereignisse als Herausforderung zu sehen. Denkt ein Polizeibeamter, dass er den vor ihm liegenden Einsatz nicht bewältigen kann, wird ihm das mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch nicht gelingen. Es schleichen sich durch den eigenen Pessimismus Fehler ein, die eine Bewältigung des Einsatzes wesentlich erschweren können. Die Technik der Selbstinstruktion ist im Modell von Lazarus verankert, da sie genau an der sekundären Bewertung ansetzt und das Verhalten zur Stressbewältigung danach ausgerichtet wird.
„Entschleunigung“ der Kommunikation durch bewusste Temporeduzierung
Einsatzlagen sind häufig geprägt durch hektisches Sprechen der Personen am Einsatzort. Diese Hektik überträgt sich auch auf das eigene Einsatzhandeln. Dieser Dynamik kann mit einer bewussten Reduzierung der Sprechgeschwindigkeit entgegengewirkt werden. Die bewusste Reduzierung der Sprechgeschwindigkeit wirkt sich positiv auf die eigene Denkzeit aus und verhindert bzw. reduziert eigene Verhaltensfehler. Möglich ist dies jedoch nur in Einsastzlagen, die es möglich machen, diese Technik anzuwenden.
Teamarbeit
Eine gute Arbeit im Team am Einsatzort ist eine grundlegende Voraussetzung, um Stressbelastungen aufgrund der Informationsfülle von Einsätzen entgegen wirken zu können. In der Teamarbeit besteht die Möglichkeit, Ressourcen zu schonen und sich kurz aus der direkten Interaktion mit dem polizeilichen Gegenüber zurückzuziehen, um neue Energie zu sammeln. (Wechsel der Positionen im Team). Eine klare Aufgabenteilung im Team kann auch unter widrigen Umständen helfen, den Stresseinfluss zu begrenzen. Problematisch bleibt hier anzumerken, dass aufgrund der veränderten Schichtmodelle klare Teamstrukturen verloren gehen können, die für Einsatzsituationen eine große Bedeutung haben. Die individuelle Planbarkeit eines bedarfsorientierten Schichtmodells ist auf der anderen Seite wieder positiv für die Begrenzung der belastenden Alltagseinflüsse zu bewerten. Somit findet grundsätzlich ein Austausch von Belastungen statt und vermutete Nachteile können eventuell wieder ausgeglichen werden.
Kurzfristige wie langfristige Schutzfaktoren Vor- und Nachbereitung von Einsätzen
Die Vor- und Nachbereitung von Einsätzen ist fester Bestandteil im Leitfaden 371, besser bekannt als das Einsatzmodell. Die Vor- und Nachbereitung ist vergleichbar mit der Planung der eigenen Urlaubsreise. (Urlaubsvorbereitung, Urlaub genießen und die Nachbereitung des Aufenthaltes wie Bilder entwickeln lassen etc.). Die detaillierte Vor- und Nachbereitung würde zu einer Erleichterung und Entlastung in der Einsatzbewältigung führen, auch wenn sich die Lage anders entwickelt. Zum Dienstbeginn und Dienstende wäre es von Vorteil, wenn Polizeibeamte ein festes Ritual entwickeln würden. Somit ist gewährleistet, dass alle Maßnahmen auch bei Stress optimal ablaufen. Die Fahrt zum Einsatzort ist ein guter Zeitraum, in dem man den zu erwartenden Einsatz besprechen kann. Dabei sollten Polizeibeamte auch ihrem „Können“ und der eigenen „Intuition“ vertrauen. Nach dem Einsatz ist vor dem Einsatz. Werden Einsätze gut nachbereitet, sind Polizeibeamte für den nächsten Einsatz gut vorbereitet. Auch das mildert