Schreiben und Reflektieren. Monique Honegger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Monique Honegger
Издательство: Bookwire
Серия: Forum Hochschuldidaktik und Erw.Bildung
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783035503470
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Aspekten, Fragen, Behauptungen möchte ich von anderen ein Feedback?

      Es geht weder darum, einseitig auf Fehler zu achten und das eigene Scheitern darzustellen, noch soll das eigene Verhalten verklärt oder legitimiert werden. Am einfachsten gelingt die Balance, wenn der Prozess in einen größeren Zusammenhang gestellt wird und neben Misserfolgen auch Glanzlichter betrachtet werden. Welche Faktoren und Konstanten waren ausschlaggebend und handlungsleitend? Aus welchen Kontexten ist mir mein Verhalten bereits vertraut? So bietet es sich beispielsweise an, in den eigenen Aufzeichnungen (Lerntagebuch, Projektjournal, Rückmeldungen) nach verwandten Mustern oder nach Passagen zu suchen, in denen wichtige Schlüsselbegriffe vorkommen.

      ▸Bilanz: Ergebnisse und Einsichten der vorgängigen Detailbetrachtung werden mit Blick auf den Gegenstand der Rückschau zusammengetragen und ausgewertet. Die daraus gezogene Bilanz bereitet damit den Boden für die dritte und prospektive Phase der Reflexion. Vorher soll der Blick noch einmal geöffnet werden, um die gewonnenen Erkenntnisse in den Kontext der persönlichen Lernentwicklung zu stellen und mit theoretischen Ansätzen abzugleichen. Bezüge zur Fachliteratur, zu didaktischen Unterlagen und Empfehlungen oder bisherigen Erfahrungen, Reflexionstexten und Rückmeldungen aus der Lerngruppe runden die Bilanz ab.

      3. Ausblick

      Im letzten Teil der Reflexion geht es darum, den Blick nach vorne zu richten. Hierbei können Handlungsoptionen skizziert, Lösungsansätze diskutiert sowie konkrete Absichten und Planungsschritte formuliert werden. Worauf will ich beim nächsten Unterrichtseinsatz besonders achtgeben? Wie ließe sich eine bestimmte Empfehlung praktisch umsetzen? Was möchte ich Neues ausprobieren? Wie könnte ich reagieren, wenn etwas erneut schiefgeht oder die erhoffte Reaktion ausbleibt?

      Als Vorbereitung und Einstimmung auf diesen Textteil bieten sich beispielsweise Techniken wie das Brainstorming, das Clustering oder Übungen mit fokussiertem Freewriting an (vgl. auch den Beitrag von Lahm in diesem Band). Wird in der Mentoratsgruppe mit einem (teil-)öffentlichen Blog oder Forum gearbeitet, können an dieser Stelle ausgewählte Positionen zur Diskussion gestellt und mit gezielten Feedbackfragen Empfehlungen und Ratschläge von Peers und Experten eingeholt werden.

      ▸Alternative: Welche Handlungsoptionen gibt es mit Blick auf eine bestimmte Aufgabe oder ein zu lösendes Problem? Wie könnte ich mich in der zuvor analysierten Situation künftig verhalten? Welches Vorgehen verspricht am meisten Erfolg? Wie lassen sich die Bedingungen modifizieren, um bessere Voraussetzungen und Ergebnisse zu schaffen?

      ▸Absicht: Auch beim nächsten Mal kann ich nicht alles kontrollieren und richtig machen. Sinnvoll ist es deshalb, eine Absicht zu formulieren und festzulegen, wo ich ansetzen und welches Teilziel ich vorrangig anstreben möchte.

      ▸Planung: Die besten Vorsätze und Absichten helfen wenig, wenn die Umsetzung nicht sorgfältig geplant wird. Was muss ich dem Zufall überlassen, und wo kann ich durch gewissenhafte Vorbereitung das Geschehen in die richtigen Bahnen lenken? Wie kann ich mich vorbereiten oder gezielt Unterstützung holen? Wie sieht mein Worst-Case-Szenario aus? Habe ich einen Plan B, falls die Sache aus dem Ruder läuft? Möchte ich beim nächsten Mal zuerst Feedbacks einholen oder mit Rückfragen an den letzten Anlass anknüpfen?

      Für die Umsetzung von Reflexion sind verschiedene Formen möglich und sinnvoll. Die oben skizzierte Reflexionstriade kann in unterschiedlichen Settings eingesetzt werden und eignet sich sowohl für mündliche als auch für schriftliche Reflexionsarbeiten.

      In der Lehrerinnen- und Lehrerbildung werden Studierende oft zur mündlichen Reflexion aufgefordert. Die mündliche Umsetzung der Reflexion ist flexibel und weniger zeitaufwendig als die schriftliche, jedoch auch vergänglich, da weder vorbereitende Überlegungen noch die Ergebnisse der Reflexion festgehalten werden. Die mündliche Reflexion findet zumeist im Rahmen eines Gesprächs mit Peers, Dozierenden oder Praxislehrpersonen statt, die die Reflexion anleiten oder unterstützen können. Die beiden Aspekte machen für Emery den Vorteil der mündlichen Reflexion aus: »Oral dialogue may be preferable and equally effective for some teachers to the often time-consuming and individual activity of diary or journal writing« (Emery 1996, 110). Zu beachten sind für die mündliche Reflexion insbesondere zwei Faktoren, die trivial scheinen, jedoch durchaus nicht selbstverständlich sind. Zum einen sollten Ideen und Ansichten offen und ehrlich formuliert werden, zum anderen sollten Gesprächspartner geduldig zuhören können (Moon 2000, 167).

      Neben der mündlichen Reflexion ist in der Ausbildung von Lehrpersonen das Verfassen von Lernjournalen, Portfolios oder Reflexionsberichten sehr verbreitet. Der Vorteil schriftlicher Reflexion liegt darin, dass durch den Schreibprozess eine größere Verbindlichkeit geschaffen wird, von der eine höhere Nachhaltigkeit erwartet werden kann. Problematisch ist, dass das Formulieren von schriftlichen Reflexionsbeiträgen auch formale und stilistische Fähigkeiten fordert, die den Reflexionsprozess allenfalls beeinflussen können: »[…] reflective writing is complex, and has high rhetorical demands, making it difficult to master unless it is taught in an explicit and systematic way« (Ryan 2011, 99). Die schriftlichen Dokumente können später auch für eine Reflexion der Reflexion genutzt werden.

      Wenn Lernende angehalten werden, ein Lerntagebuch, ein Projektjournal, ein Schreiblogbuch, ein Praxisbegleitheft oder ein Portfolio zu führen, und sie in dieser Arbeit angeleitet und begleitet werden, bilden sie nicht nur wertvolle Schreib- und Denkroutinen aus. Beim Schreiben und Wiederlesen erfahren sie auch, ob und wie sie vorankommen, welche Muster und Fehler sich wiederholen oder wie spontanes und assoziatives Schreiben zu neuen Ideen und Sichtweisen führt (vgl. Ammann 2013). Schriftliches Fixieren dient nicht nur als Gedächtnisstütze oder zur Dokumentation und Kommentierung von Erlebtem, sondern wird zum eigentlichen Denk- und Reflexionswerkzeug, »weil Qualität und Inhalte des Gedachten beim Schreiben und in der Zwiesprache mit dem entstehenden Text entwickelt werden« (Molitor-Lübbert 2003, 44).

      Im Rahmen begleiteter Studiengänge kann das tagebuchartige und epistemisch-heuristische Schreiben als Ausgangspunkt für Leistungsnachweise und gemeinsame Reflexionsfenster in der Gruppe dienen. Dabei üben Studierende den Perspektivenwechsel und lernen, ihre alltagssprachlichen Tagebuchaufzeichnungen in adressatengerechte und fachlich argumentierende Reflexionen zu überführen (vgl. Lange 2010, 232). Moderierte Diskussionsforen und Praktikumsblogs eröffnen zudem die Möglichkeit, Fallgeschichten oder Unterrichtserfahrungen in pointierter Form zu präsentieren, ausgewählte Aspekte zu analysieren und unter Berücksichtigung von Rückmeldungen aus der Gruppe weiterzuentwickeln. Überdies wird das Erfahrungswissen von Mitstudierenden in einem halböffentlichen Setting einsehbar und durch Peerfeedback und Kommentare von Mentoren und Mentorinnen angereichert. Reflexion bleibt nicht in der Nabelschau oder Selbstkritik verhaftet, vielmehr kann sie durch Austausch, Instruktion und kompetenzorientierte Begleitung Lernfortschritte anstoßen und die professionelle Entwicklung kontinuierlich unterstützen.

      Ammann, Daniel. 2013. »Schreiben als Entdeckungsreise: Gedankenexperiment im Textlabor.« ph akzente 3 (Aug.): 12–13.

      Banoobhai, Mumthaz. 2012. »Critical Reflection: Tools for Curriculum Implementation and Innovation.« Procedia – Social and Behavioral Sciences 47: 175–179. doi: 10.1016/j.sbspro.2012.06.634.

      Borton, Terry. 1970. Reach Touch and Teach: Student Concerns and Process Education. New York: McGraw-Hill.

      Bräuer, Gerd. 2014. Das Portfolio als Reflexionsmedium für Lehrende und Studierende. UTB 4141. Opladen: Budrich.

      Brookfield, Stephen. 1995. Becoming a Critically Reflective Teacher. San Francisco: Jossey-Bass.

      Dauber, Heinrich. 2006. »Selbstreflexion im Zentrum pädagogischer Praxis.« In Professionelle Selbstreflexion aus pädagogischer und psychoanalytischer Sicht, hrsg. v. Heinrich Dauber und Ralf Zwiebel, 11–39. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.

      Emery, Winston G. 1996. »Teachers’ Critical Reflection Through Expert Talk.« Journal of Teacher Education 47 (2): 110–119.

      Ericsson,