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Diese Unrechtsvereinbarung ist gegenüber § 331 ff. StGB, wo sich die Unrechtsvereinbarung auf eine konkrete Diensthandlung beziehen muss, gelockert.[37] Die Anforderungen sind hier also sehr streng. Spätestens seit dem Rücktritt des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff wird man sich nicht mehr glaubhaft auf mangelhaftes Problembewusstsein berufen können. Wulff stürzte bekanntlich über ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren, dass u.a. durch Medienberichte ausgelöst wurde, ein Filmemacher habe für Wulff Hotelkosten für ein Wochenende auf Sylt übernommen hatte. Schon eine einmalige Einladung zu einem Spiel der Fußball-Bundesliga übersteigt regelmäßig die übliche Grenze für Aufmerksamkeiten, wie sie im Rahmen „strafloser Klimapflege“ üblich und sozialadäquat sind.[38]
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Die Handlungsempfehlungen der Sponsorenvereinigung S20 empfehlen bei der Einladungspraxis gegenüber Amtsträgern die Verwendung folgenden Disclaimers:
„Wir möchten Sie gerne zu unserer Veranstaltung willkommen heißen. Im Interesse von Fairness und Regelkonformität bitten wir Sie, die nachfolgenden Hinweise vor Ihrer Entscheidung über die Annahme zu beachten:
Sollten Sie Beamter, sonstiger Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter sein, bitten wir Sie, bei der zuständigen Behörde oder Einrichtung eine Genehmigung zur Annahme der Einladung einzuholen. Andernfalls müssen wir Sie um eine Ablehnung der Einladung bitten.“[39]
b) Einladungen an professionelle Kontakte („Landschaftspflege“)
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Aber auch im gewerblichen Verkehr sind die strafrechtlichen Schranken bei den Hospitality-Einladungen zu beachten. Hier können die Grenzen weiter gefasst sein.[40] Denn bei § 299 StGB reicht für die Unrechtsvereinbarung nicht ein allgemeiner Bezug zu einer Diensthandlung, vielmehr muss hier der Vorteil als Gegenleistung für eine künftige unlautere Bevorzugung gefordert, versprochen oder angenommen werden.[41] Nach Peters bedarf es hier einer „erhöhten Vorsicht“ auch für den gewerblichen Bereich.[42] Hiergegen, also auch gegen die in § 299 StGB liegenden Bemühungen Lauterkeit im Geschäftsleben mit Hilfe des Strafrechts herbeizuführen, hat Schröder-Frerkes mit beachtlichen Argumenten Einwendungen vorgebracht.[43] Ob „Einladungen zur Landschaftspflege“ letztlich einer Strafbarkeit nach § 299 StGB bleibt schwierige Rechts- und Tatfrage. Einladende sind gut beraten, Auswahl und Einladung ihrer Gäste transparent[44] zu machen, um jeglichen Anschein einer Unlauterbarkeit von Anfang an zu vermeiden.
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Für Einladung an geschäftliche Kontakte empfiehlt die Sponsorenvereinigung S20 z.B. folgenden Einladungsdisclaimer:
„Wir dürfen Sie bitten, die Einhaltung gesetzlicher und unternehmensinterner Regelungen zu prüfen, bevor Sie die Einladung annehmen. (Wir stehen Ihnen bzw. dem Compliance- Beauftragten Ihres Unternehmens gerne für Rückfragen zur Verfügung.)“[45]
c) Einladungen an Dritte
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Völlig risikolos erweisen sich Einladungen an Dritte, Freunde, Familie, private Bekannte usw. allerdings auch nicht. Da zu den Top-Sportevents die Anzahl der Tickets häufig limitiert ist, wird die Teilnahme und ihre Ermöglichung durch Mitarbeiter, Konkurrenten und andere rezipiert, was heutzutage – in den Zeiten von Social Media – auch kaum zu unterdrücken ist. Auch in der Auswahl privater Gäste kann die Ausnutzung der hierzu gegebenen Macht im Amt gesehen werden; hinzukommt, dass der deutschen Gesellschaft der Neidfaktor nicht ganz fremd ist. Insgesamt sollte große Vorsicht walten.[46] Völlig beanstandungsfrei wird nur derjenige sich verhalten können, der die Tickets für Freunde und Familie selbst bezahlt. Und selbst dann bleibt noch der Vorwurf, allein die Möglichkeit zum Ticketkauf nur durch die eigene Stellung erlangt zu haben (s.a. unten „Ticketvergabe“). Das scheint jedoch weniger vorwerfbar als vielmehr amtsimmanent zu sein.
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Schließlich muss berücksichtigt werden, dass mit der Einladung zu einem Sportevent, also dem Ticketgegenwert erhöht um etwaige Hospitality-Leistungen, dem Eingeladenen möglicherweise ein geldwerter Vorteil im einkommensteuerrechtlichen Sinne zufließt. Hier muss Compliance im Hinblick auf die steuerliche Behandlung gewahrt bleiben. Vom (insbesondere privaten) Dritten ist sie regelmäßig nicht zu erwarten. Die großen Verbände sind daher mittlerweile dazu übergegangen, einen pauschalierten Einkommensteuerbetrag für die Eingeladenen an ihr Finanzamt zu entrichten.
II. Wahlen in Gremien und Ämter
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Auf die Bedeutung der Ehrenämter im Sport ist bereits hingewiesen worden. Die Ämter im Sport sind aber nicht nur aus altruistischen Motiven interessant. In der verantwortungsvollen Führung einer Sportorganisation zum Wohle vieler kann man tiefe Befriedigung finden. Nicht zuletzt wird auch durch Titel, Einfluss und Macht ein natürlicher Grundnarzissmus bedient, der in jeder Persönlichkeit steckt. Probleme treten immer dann auf, wenn Wollen und Können eines Amtsanwärters mit seinen Aufgaben nicht recht in Einklang zu bringen sind. Das funktioniert in beide Richtungen: Der Gernegroß, der unbedingt Präsident sein möchte, ist mit den Aufgaben überfordert.[47] Dem potenten Konzerndirektor, der die Geschicke des heimatlichen Großvereins leiten möchte, fehlt in der Regel die notwendige Zeit und möglicherweise auch der richtige Ton für einen basisnahe Führung und Kommunikation.
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Das Ehren- oder Führungsamt kann aber auch aus anderen Gründen sehr attraktiv sein: Es ermöglicht etwa den Kontakt zu prominenten Sportlern, führt möglicherweise zu eigener Prominenz und ermöglicht i.d.R. einen einfacheren Zugriff auf Tickets zu spannenden Veranstaltungen. In den großen Dachverbänden wird aus dem „Ehrenamt“ dann ein Wahlamt, das teilweise gegen nicht unerhebliche Aufwandsentschädigungen ausgeübt wird.[48] In großen Sportarten, wie etwa im Fußball, winken bereits auf Landesverbandsebene Vergünstigungen wie eine pauschalierte Aufwandsentschädigung und ein Dienstwagen. Das eigene Büro in der Verbandsgeschäftsstelle mit Geschäftsführung und/oder Assistenz dürfte häufig als selbstverständlich gelten.
1. Erlangung des Amtes
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Aus welchen Gründen auch immer: Diese – für viele Menschen spannenden – Ämter werden häufig angestrebt und wollen auch behalten werden. Hierzu werden nicht zuletzt häufig Absprachen getroffen, die jedenfalls dann nicht zu beanstanden sind, wenn sie öffentlich und damit transparent erfolgen sowie von den dafür bestimmten Gremien vorgenommen werden. Unter Compliance-Gesichtspunkten werden andere Absprachen oder Einflussnahmen, etwa von übergeordneten Verbänden, um sich im untergeordneten Verband einen amtierenden Präsidenten als Günstling zu erhalten, freilich problematisch. Die Grenzziehung zwischen zulässigen Absprachen und dem – hier nach dem kölnischen Begriff benannten – „Klüngeln“ (wählst Du mich, wähle ich Dich; wählst Du meinen Kandidaten, wähle ich Deinen Kandidaten; wenn diese Satzungsänderung durchkommt, wählen wir Deinen Kandidaten) ist nicht immer einfach. Rechtswidrig werden sie jedenfalls dann, wenn es zu unsachgemäßen Verbindungen kommt (Satzungsänderung/Kandidat für ein Amt) oder Dritte unlauter benachteiligt werden. Dies ist nicht nur ein Compliance-, sondern für