Eine weitere Durchbrechung des Steuergeheimnisses und damit die Möglichkeit, dass Bestechungsfälle im Gesundheitswesen von den Steuerbehörden aufgedeckt und der Staatsanwaltschaft mitgeteilt werden, sieht § 30 Abs. 4 Nr. 5 b AO (zwingendes öffentliches Interesse) vor. Die §§ 299a und b StGB sind Wirtschaftsstraftaten gem. § 74c Nr. 5a GVG. Die Offenbarung oder Verwertung von durch das Steuergeheimnis geschützter Daten ist hier u.a. zulässig, wenn die Straftat nach ihrer Begehungsweise oder wegen des Umfangs des durch sie verursachten Schadens geeignet ist, die wirtschaftliche Ordnung erheblich zu stören oder das Vertrauen der Allgemeinheit auf die Redlichkeit des geschäftlichen Verkehrs erheblich zu erschüttern.[74] Jedenfalls größere und erhebliches Aufsehen erregende Korruptionsfälle im Gesundheitswesen werden daher auch unter § 30 Abs. 4 Nr. 5 b AO fallen.
c) Hinweise von den Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen
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§ 81a Abs. 4 (für die kassenärztlichen Vereinigungen) und § 197a Abs. 4 (für die gesetzlichen Krankenversicherungen) des SGB V verpflichten die dortigen Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen, die Strafverfolgungsbehörden bei Vorliegen eines Anfangsverdachts einer Straftat mit nicht nur geringfügiger Bedeutung unverzüglich zu unterrichten. Diese Verpflichtung gilt auch für Hinweise auf mögliche Korruption im Gesundheitswesen gem. den §§ 299a und b StGB.
d) Verfahrensfragen
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Die §§ 299a und b StGB wurden nicht in den Katalog nach § 100a StPO aufgenommen, so dass die Anordnung einer Überwachung der Telekommunikation nicht zulässig ist.
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Nach § 74c Nr. 5a GVG gehören Verfahren wegen Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen bei den Landgerichten in die Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer.
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Insbesondere auf der Geberseite wird regelmäßig auch die Verhängung von Geldbußen gegen juristische Personen und die Abschöpfung der durch die Bestechung gemachten Gewinne nach § 30 OWiG zu prüfen sein. Dies wird vor allem dann der Fall sein, wenn in einem Unternehmen die Leistung von Bestechungsvorteilen an Angehörige von Heilberufen mehr oder weniger ausgesprochener Teil der gelebten Unternehmensstrategie ist und auch der Vorwurf der Verletzung der Aufsichtspflicht durch Leitungspersonen gem. § 130 OWiG im Raum steht.
6. Compliance
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Die erheblichen rechtlichen Risiken, die mit der Einführung der §§ 299a und b StGB entstanden sind, vermeiden diejenigen am besten, die durch eine effektive und ernst gemeinte Compliance Organisation schon einen bösen Anschein vermeiden.
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Von großer Bedeutung ist das Transparenzprinzip. Soweit Vorteile überhaupt angenommen werden, so sollte dies so transparent wie möglich erfolgen, beispielsweise durch Genehmigungen der Vorgesetzten oder Offenlegungen in anderer Weise. Niedergelassene Ärzte können in einigen Bundesländern Kooperationen bei Clearingstellen der Landesärztekammern vorlegen. Die Bayerische Landesärztekammer, die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns und die Bayerischen Krankenhausgesellschaft beispielsweise haben eine sektorenübergreifenden Clearingstelle gegründet. Deren Aufgabe ist es, bestehende oder zukünftig beabsichtigte Kooperationen zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten auf ihre Rechtskonformität zu prüfen.[75] Die Kassenärztliche Vereinigung Bayern hat eine Broschüre erarbeitet, die sich anhand von Fallkonstellationen mit der Frage einer Strafbarkeit gemäß den §§ 299a und b StGB befasst.[76]
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Zur Transparenz von Vorgängen gehört insbesondere auch, die Vorgänge in nachvollziehbarer Weise zu dokumentieren (Dokumentationsprinzip). Dies gilt z.B. für die Empfehlung bestimmter Leistungserbringer, die Bemessung von Honoraren oder Mieten sowie ggf. die genauen Umstände der Erbringung der jeweiligen Leistungen. Eine in sich schlüssige und nachprüfbare Darlegung der Vorgänge vermeidet zum einen den Verdacht, dass es sich in Wahrheit nicht um tatsächlich werthaltige Leistungen, sondern um Scheinvorgänge handelt. Als Negativbeispiele seien hier Honorarzahlungen für tatsächlich wissenschaftlich sinnlose Forschungsvorhaben, Zuschüsse für zweifelhafte Tagungen oder nicht transparente Leistungen für Honorarärzte als versteckte „Zuweiserprämie“ für Patienten genannt. Zum anderen lassen sich mögliche sachliche Gründe für eine Bevorzugung bestimmter Heilberufler wie etwa deren besondere Expertise und Ausstattung sowie der Hintergrund von auf den ersten Blick außergewöhnlichen Honoraren oder Mietzahlungen so dokumentieren, dass die Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung auch für medizinische Laien nachvollziehbar ist (Äquivalenzprinzip). Die Gefahr der Einleitung von Ermittlungsverfahren kann durch Beachtung dieser Grundsätze deutlich reduziert, im besten Falle vollständig ausgeschlossen werden.
Anmerkungen
Die Verfasser dieses Beitrags geben allein ihre persönliche Auffassung wieder.
Www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Gesundheitsausgaben/_inhalt.html.
BKA Bundeslagebild Korruption 2018, 4.
BGH 29.3.2012 – GSSt 2/11.
BT Drucks. 18/8106.
BMJV Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen vom 4.2.2015, 20 und 11.
BMJV Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen vom 4.2.2015, 16.
Schönke/Schröder/Eisele StGB § 299a Rn. 9.
BGH 11.4.2001 – 3 StR 503/00.